Russland Putin, der Scheinriese

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Rubelschock vernichtet Pläne

Ewgenij Ivkin kennt die Probleme russischer Geschäftsleute. Er ist Krisenmanager, ein Job der gerade in Russland heiß begehrt ist. Noch vor kurzem war Ivkin vor allem bei ausländischen Firmen im Einsatz. „Das Problem ist, dass man eigentlich nirgends auf der Welt in der Presse oder im Fernsehen etwa positives aus Russland hört“, ärgert sich Ivkin. Kritisiert jedoch auch seine russischen Kollegen. „Bei uns gibt es jene, die ihr Geld ehrlich verdient haben und jene, die irgendwie und irgendwann plötzlich reich geworden sind“, erklärt der Krisenmanager.

Bei letzteren fuße das Business meist nicht auf einer Idee oder einem guten Produkt, sondern auf guten Beziehungen zu den richtigen Leuten, die in einem bestimmten Segment das Sagen haben. “Diese Leute haben keine Ahnung, wie Geschäfte funktionieren und leider prägen oft gerade solche Leute unser Außenbild.“

Sein letzter Arbeitgeber in Deutschland, Albert Sufijarow, gehört nicht zu dieser Sorte Geschäftsmann. Seit Anfang der 1990er Jahre hatte er sein Käsegeschäft aufgebaut. Erst als Ladenbesitzer, dann als Händler, später selber als Hersteller und Importeur. Anfang 2014 dann warf Sufijarow ein Auge auf den insolventen Safthersteller Rottaler aus der bayerischen Provinz. Ivkin bekam von ihm den Auftrag, das Unternehmen wieder fit zu machen.

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„Unsere Idee war Rottaler als Premiumhersteller zu positionieren und den russischen Markt zu bearbeiten“. Er stellte einen Teil des alten Personals wieder ein, ließ die Maschinen reparieren. Doch dann kam der Absturz. Die russische Währung verlor in wenigen Wochen beinahe die Hälfte ihres Werts, sodass sogar Moskauer Edelgeschäfte ihre Aufträge stornierten. Auch der Versuch sich auf den lokalen Markt zu orientieren scheiterte. Laut Ivkin hätten die ehemaligen Besitzer des Betriebs bei den Handelsketten noch Schulden zurückgelassen, sodass keiner mit Rottaler etwas zu tun haben wollte. Vor einem halben Jahr beschlossen die Partner ihre Produktion wieder stillzulegen und kein neues Geld ins Projekt zu schießen.

Weil der russische Markt keine Goldmine mehr ist, empfiehlt Ivkin seinen Kunden sich vielmehr nach Exportmöglichkeiten umzuschauen, statt sich auf Russland als Absatzmarkt zu konzentrieren. Zwar erholt sich die russische Wirtschaft allmählich. Die jüngsten Prognosen der Weltbank gehen für das laufende Jahr wieder von einem Plus um 1,5 Prozent aus. Jedoch glauben die wenigsten Experten an eine schnelle Rückkehr alter Kaufkraft. „Die russische Wirtschaft zieht sich an allen Ecken und Enden zusammen“, erklärt Yakov Mirkin, Ökonom der staatlichen Akademie für Volkswirtschaft und Verwaltung. „Die Zentralbank und das Finanzministerium setzten auf Sparmaßnahmen und eine extrem harte Geldpolitik“, meint der Experte.

Das Ziel ist es, die Inflation mit hohen Leitzinsen zu drücken und keine hohe Staatsverschuldung zuzulassen.

International haben die Krisenmanager in der russischen Regierung, das wirtschaftsliberale Lager in Putins System, viel Lob für diese Politik kassiert. Im Januar kürte das britische Magazin „The Banker“ Russlands Elwira Nabiullina zur Zentralbankchefin des Jahres für ihren Kampf gegen die Teuerungsrate. Bisher liefen Krisen in Russland stets nach ähnlichem Muster ab. Nach einem Absturz kam die schnelle Erholung. Und mit ihr die Inflation. Weil die Zentralbank jedoch einen engen Korridor für die Schwankungen des Rubelkurses vorgab, stieg die Kaufkraft der Russen im Vergleich zum Ausland.

Für die Unternehmen bedeutete das vor allem einen schnellen Verlust ihrer Preisvorteile gegenüber ausländischer Konkurrenz. Allerdings forciert das auch nicht gerade das Wachstum. Für die meisten Russen bedeutet es: den Gürtel enger schnallen. Weil den Unternehmen Inlands- wie Auslandsmärkte wegbrechen, steigt die Arbeitslosigkeit. Erstmals in Putins Amtszeit steigt die Zahl der Armen wieder. Galten 2012 noch 15 Millionen Russen als arm, waren es 2015 schon 19 Millionen; bei sinkender Bevölkerungszahl. Die Einkommen der Russen brachen innerhalb von zwei Jahren um bis zu 30 Prozent ein.

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