Das Paradoxe daran: Obwohl rund 46 Millionen Amerikaner unversichert sind, gibt kaum ein Land der Welt so viel Geld für die Gesundheitsversorgung aus wie Amerika. Jährlich belaufen sich die Gesamtausgaben auf rund 2,6 Billionen Dollar. Die Pro-Kopf-Ausgaben in den USA sind damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Derzeit machen die Kosten im Gesundheitswesen fast 18 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus – Tendenz steigend. In Deutschland sind es 11,6 Prozent.
Das System sei ineffizient, zu teuer und zu bürokratisch, rügt Mark Smith, Chef der regierungsunabhängigen Organisation HealthCare Foundation. Auch ein Bericht des wissenschaftlichen Institute of Medicine in Washington zieht eine verheerende Bilanz. Danach verschwenden Ärzte und Kliniken jährlich rund 210 Milliarden Dollar für unnötige Behandlungen, 190 Milliarden Dollar an überflüssigen Ausgaben gehen auf das Konto des Verwaltungsapparats, 75 Milliarden Dollar gehen durch Betrug verloren.
Das amerikanische Gesundheitssystem ist eine Mischung aus privater und öffentlicher Vorsorge. Es gibt mehr als 1.000 private Krankenversicherungen; dort sind viele Arbeitnehmer über ihren Betrieb versichert. Wer aber seinen Job verliert, hat auch keine Krankenversicherung mehr.
Die zweite Säule sind die staatlichen Krankenversicherungen Medicare und Medicaid. Rentner ab 65 Jahren wechseln nach der Pensionierung in die staatliche Versicherung Medicare. Sozial Schwache sind auf die Basisversorgung Medicaid angewiesen. Die Zahl der Versicherten in beiden Gruppen steigt stetig. Die Reserven der staatlichen Krankenversicherung für Rentner sind nach Schätzungen der US-Regierung 2024 komplett erschöpft, wenn nicht die Beiträge angehoben oder Leistungen zusammengestrichen werden.
Verschuldete Krankenhäuser durch unversicherte Patienten
Milliardenkosten verursachen auch die unversicherten Amerikaner. Denn im Notfall müssen die Ambulanzen der Krankenhäuser auch unversicherte Patienten behandeln. Können die ihre Rechnungen nicht begleichen, bleiben die Kliniken auf den Kosten sitzen. Die Folgen sind vielfach verheerend: Im New Yorker Stadtteil Manhattan musste vor zwei Jahren das traditionsreiche Krankenhaus St. Vincent’s schließen. Der Andrang der unbezahlten Notfälle war so groß, dass das Krankenhaus am Ende mit einem zweistelligen Millionenbetrag verschuldet war.
Etliche Politiker haben versucht, das System zu reformieren und zu sanieren – ohne Erfolg. Die umstrittene Reform von Präsident Obama, die er gegen massiven Widerstand der Opposition durchsetzte, versucht nun, den Versicherungsschutz auszudehnen, um so die Kosten besser zu verteilen. Doch die Hälfte der Amerikaner lehnt eine solche Zwangsversicherung ab. Präsidentschaftskandidat Romney will Obamas Reform wieder rückgängig machen, sollte er die Wahl gewinnen. Wie er das marode System sanieren will, verrät er nicht.
Am Grundsystem ändert Obamas Rezept ohnehin nichts, und auch die Finanzierung steht noch in den Sternen. Im Kern sieht die Reform vor, dass Versicherungsunternehmen Kunden mit Vorerkrankungen nicht mehr ablehnen dürfen und junge Leute bis 26 Jahre über die Eltern versichert bleiben. Zweitens muss jeder Amerikaner ab 2014 eine Grundversicherung abschließen – wer sich keine leisten kann, bekommt einen staatlichen Zuschuss.
Bei Zahnarzt Rosenkranz in Brooklyn könnte das die Geschäfte weiter ankurbeln. Bis dahin setzt er auf Selbsthilfe, um finanzschwachen Kunden das Bohren erträglicher zu machen – Unversicherten vermittelt er einen zinslosen Kredit über eine Bank. Ansonsten gilt das, was auf dem großen Schild am Empfang steht: „Bitte bezahlen Sie am Tag Ihrer Behandlung. Wir nehmen alle Kreditkarten.“