60 Jahre Soziale Marktwirtschaft Deutsche Wirtschaftsordnung: Ersonnen hinter Klostermauern

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Auf einem Hof hinter der Frankfurter Bundesbankzentrale werden heute die alten, geschredderten D-Mark-Scheine über Laufbänder direkt in große Müllcontainer befördert. 100 Meter weiter, im Foyer des Geldmuseums, kostet ein Barren aus einer Viertelmillion alter D-Mark, klein gehäckselt und in Plastik eingeschweißt, nur 5,95 Euro. Ein Schnäppchenpreis.

Der Euro hat die D-Mark längst abgelöst. Statt der Bundesbank sorgt inzwischen die Europäische Zentralbank für Geldwertstabilität. Dabei haben die altehrwürdige Notenbank und ihr Vorläufer, die Bank deutscher Länder, das Wirtschaftswunder erst möglich gemacht. Im Frühjahr 1948 schleppen die West-Alliierten 23.000 Kisten mit der Aufschrift „Barcelona via Bremerhaven“ tief in den Keller der Reichsbank hinein. Die Adresse ist eine bewusste Irreführung, die Lagerung streng geheim. In den Kisten stapeln sich die neuen D-Mark-Scheine, sie kommen druckfrisch aus den USA. Nur eine Handvoll Personen sei in die Operation „Bird Dog“ eingeweiht gewesen, erzählt der Frankfurter Wirtschaftshistoriker und Mitgestalter des Geldmuseums, Dieter Lindenlaub.

Erst am 18. Juni werden die Kisten aus dem Keller geholt und in alle Städte der Westzonen gefahren. Zwei Tage später lassen die West-Alliierten mit der Währungsreform die neue D-Mark verteilen. Fast zeitgleich gibt Ludwig Erhard, damals Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, die Preise frei – auch wenn das mit den Amerikanern nicht so ganz abgesprochen war. Schon am nächsten Tag drängen sich die Menschen staunend in den Straßen. Über Nacht haben sich die Schaufenster wieder mit Bonbons, Kleidern und Büchern gefüllt.

Neue Münzen und Scheine markieren einen Neuanfang

Die neuen Münzen und Scheine markieren einen Neuanfang. Schon bald wird die D-Mark zu einer steinharten Währung, die Bundesbank zum Mythos. Für ihre Unabhängigkeit scheuen die Notenbanker keinen Konflikt mit der Regierung. Sie brüskieren jeden Kanzler, der es wagt, um geldpolitische Milde zu betteln. Konrad Adenauer etwa bekommt das 1950 zu spüren. Er hat den Zentralbankrat nach Bonn in das Museum Koenig eingeladen. Der Leitzins liegt bei vier Prozent, und Adenauer bittet inständigst, den Satz nicht höherzuschrauben. Dann verlässt der Kanzler den Saal. Als die Tür ins Schloss fällt, beschließen die Banker, den Leitzins zu erhöhen. Nicht etwa auf fünf Prozent, sondern gleich auf sechs.

Wohl keine Institution ist so stolz – und wohl keine setzte über die Jahre so viel Fett an. Noch heute schwärmen altgediente Bundesbanker von jenen Zeiten, als sie satte Zulagen kassieren und in der ersten Klasse reisen durften. Inzwischen ist die Bundesbank dabei, sich selbst zu schrumpfen. Von einst 18.200 Mitarbeitern sind 11.000 geblieben, von über 200 Standorten nur 47. An den Sparzwang haben sich die Bundesbanker gewöhnt, auch daran, dass es Klimaanlagen nur in den Chefetagen gibt. Aber auf eine Frage reagieren sie allergisch. Auf: „Was macht ihr jetzt eigentlich noch?“

Immerhin kümmert sich die Bundesbank um den reibungslosen Zahlungsverkehr oder beaufsichtigt die Kreditinstitute. Im EZB-Rat entscheidet ihr Präsident ohnehin immer mit. Im Euro steckt viel von der guten alten Mark, vor allem die Unabhängigkeit der Notenbanker. Die Stabilitätsverfassung der Bundesbank prägt inzwischen auch die EZB. Ein Erbe.

Neulich erst hat die Bundesbank zum Jubiläum der Währungsreform ein großes Bürgerfest organisiert. Ach ja, um die D-Mark, die vor 60 Jahren eingeführt wurde, ging es dabei nicht. Die Notenbanker feierten den zehnten Geburtstag des Euro.

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