Asyl in Deutschland Kaum Hoffnung für schutzsuchende Türken

Obwohl die EU-Kommission jüngst die politischen Entwicklungen in der Türkei scharf kritisiert hat, schlägt sich die Einschätzung in der deutschen Asylpraxis kaum nieder. Nur wenige Anträge werden positiv beschieden.

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Die Schutzquote fällt für das Jahr 2016 sehr niedrig aus. Quelle: dpa

Berlin Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei versuchen mehr Türken, Asyl in Deutschland zu erhalten. Die meisten Anträge werden aber abgelehnt. Das geht nach Recherchen des Handelsblatts aus Zahlen des bundesweiten Erfassungssystems (Easy) hervor, die bei der Erstvermittlung neu eintreffender Flüchtlinge ermittelt werden.

Hatten zwischen Januar und Juni 2016 monatlich zwischen 308 und 352 Türken Schutz in Deutschland gesucht, waren es im Monat des Putschversuchs durch das türkische Militär im Juli zwar lediglich 275. Nach dem gescheiterten Putsch und der beginnenden „Säuberungswelle“ lässt sich jedoch ein deutlicher Anstieg feststellen. Die Zahl neu ankommender Asylsuchender aus der Türkei betrug demnach laut den Easy-Zahlen im August 375, im September 446, im Oktober 485 und im November bereits 643 neu registrierte Schutzsuchende. Bis Ende November waren damit 4.187 türkische Staatsangehörige im Easy-System registriert worden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 stellten 1.767 Türken einen Antrag auf Asyl in Deutschland.

Die Schutzquote, also der Anteil aller Asylanträge türkischer Staatsangehöriger, über die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) positiv entschieden wurde, fällt für das Jahr 2016 mit Werten zwischen 3,1 und 9 Prozent allerdings sehr niedrig aus. Entsprechend schlecht stehen die Chancen für Türken, in Deutschland Schutz zu erhalten. Dabei hatte erst kürzlich der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), allen „kritischen Geistern in der Türkei“ versichert, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beistehe. Allerdings mit dem Hinweis, dass politisch Verfolgten der Weg offen steht, Asyl zu beantragen.

Doch bei genauerer Betrachtung der Schutzquote stellt sich für asylsuchende Türken schnell Ernüchterung ein. Die Quote umfasst alle Entscheidungen auf Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz und Abschiebungsverbote. Sie wird von Behörden und der Bundesregierung zum Beispiel verwendet, um Länder nach einer guten oder schlechten Bleibeperspektive zu unterscheiden. Eine „gute Bleibeperspektive“ in Deutschland haben laut Bundesregierung Menschen, wenn sie aus Ländern kommen, die eine Schutzquote von über 50 Prozent aufweisen. Das sind derzeit – Stand: Juli 2016 - Syrien, Irak, Eritrea und Iran.

Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen wies indes darauf hin, dass die bereinigte Schutzquote bei Türken deutlich höher liege. Diese Quote, auf die auch häufig Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl hinweisen, wird errechnet, indem man von allen Asylentscheidungen die sogenannten „formellen Entscheidungen“ abzieht. Das sind Asylanträge, die ohne inhaltliche Prüfung entschieden wurden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Asylantrag zurückgezogen wurde oder ein anderes EU-Land zuständig ist („Dublin-Fall“).

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