Lieferketten Kunden erwarten moralisch-saubere Produkte

Die deutschen Unternehmen geraten zunehmend unter Druck, wenn es um die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten geht. Die Politik verschärft die Gesetze, Kunden erhöhen die Ansprüche – und Bewerber erwarten saubere Firmen. Das zeigt eine neue Studie, die der WirtschaftsWoche vorliegt.

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Quelle: REUTERS

Ein Winterabend in Berlin-Mitte. Der Hamburger Bahnhof, geladen sind die Gäste in das Restaurant der Fernseh-Köchin Sarah Wiener. Es geht um Nachhaltigkeit in den Lieferketten der Unternehmen. Genauer gesagt: um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in der globalen Marktwirtschaft. Veranstalter ist Markus Löning, der früher als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung wirkte und nun Unternehmen bei ihren Lieferbeziehungen berät.

Der Saal ist prall gefüllt, das Interesse am Thema groß. Vorne auf der Bühne steht Löning. Er erzählt von zunehmender Regulierung in europäischen Ländern. Frankreich, die Niederlande und Großbritannien etwa, sagt er, hätten inzwischen Gesetze, die Unternehmen verpflichteten, ihre Lieferbeziehungen offen zu legen und die Einhaltungen von Menschenrechten entlang der Lieferkette zu dokumentieren. Auch  die Position der Bewerber, meint Löning, habe sich geändert. „Immer weniger junge Menschen wollen bei einem Unternehmen arbeiten, das  keinen Wert auf die Einhaltung der Menschenrechte in seinen Lieferbeziehungen legt“, so Löning, bevor er auf den Punkt kommt, der womöglich alles verändern könnte: die Erwartungen der Konsumenten.

Bislang war es in großen Teilen der deutschen Industrie ja so: die Kunden und Käufer erwarteten allzeit ein Top-Produkt, das ihren Qualitätsmaßstäben allzeit genügte. Vor allem die Autoindustrie machte mit dem gestiegenen Qualitätsbewusstsein der Konsumenten in den vergangenen Jahren glänzende Geschäfte: „Das Beste oder Nichts“ – der aktuelle Slogan von Mercedes Benz sagt eigentlich alles.

Doch ausgerechnet hier, in der Kernindustrie des Landes, fragte bislang kaum jemand danach, wo eigentlich all die Rohstoffe für die schönen Karossen herkamen und unter welch elenden Bedingungen sie abgebaut wurden. Stattdessen, so sagen es Branchenvertreter hinter vorgehaltener Hand, galt stets das Motto: „Wo das Auto herkommt, ist den meisten Menschen sehr egal. Hauptsache, es sieht gut aus und hat einen erstklassigen Motor.“

Nun scheint sich dieses Bewusstsein erstmals zu wandeln. Das jedenfalls legt eine Studie nahe, die Löning mit seinem Büro erstellt hat und aus der er an diesem Abend in Berlin zitiert. Sie wird an diesem Freitag veröffentlicht – und liegt der WirtschaftsWoche vorab vor.

Das Ergebnis der Meta-Untersuchung: Der Druck auf Unternehmen, in ihren Lieferketten den Menschenrechten und ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, hat in diesem Jahr deutlich zugenommen. Demnach steigen vor allem die Erwartungen der Verbraucher immens. Laut Studie denken drei Viertel der Konsumenten, dass Unternehmen nicht nur Gewinne erzielen, sondern auch die sozialen Bedingungen verbessern sollten. Zwei Drittel Prozent der Deutschen trauen es den Konzernleitungen demnach nicht zu, sich den Herausforderungen ihrer Standorte zu stellen. 27 Prozent der Menschen wären bereit, für ein Produkt mehr zu zahlen, wenn der Hersteller Haltung zeigt und fair produziert. 43 Prozent der Konsumenten würden laut Studie eine Marke dann aktiv weiter empfehlen.

Laut der Untersuchung zeigt sich der gestiegene Druck auch in neuen gesetzlichen Regelungen: Der normative Rahmen für die Lieferketten der Unternehmen wird in Europa immer strenger. So führen gerade nach Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich nun auch Irland und Tschechien neue Regeln für transparente Lieferketten ein, sogenannte Nationale Aktionspläne. Auch die Erwartungen potenzieller Bewerber an die moralischen und ethischen Standards von Firmen hätten deutlich zugenommen, schreiben die Autoren.

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