Wie Deutschland Abschleicher von der Schweiz nach Singapur aufspüren will
Wenn das Steuerabkommen mit Deutschland in Kraft tritt, liefert die Schweiz eine Liste mit den zehn größten Abschleicher-Staaten zwischen dem 21.9. 2011 und dem 31.12. 2012.
Deutschland bittet um Namen aller Deutschen, die in der Schweiz Konten aufgelöst und Gelder nach Singapur transferiert haben. Die Schweiz und Singapur liefern konkrete Namen.
Deutsche Finanzämter prüfen, ob die Steuerpflichtigen Erträge aus Singapur bei der Steuererklärung angeben. Wer keine Einkünfte deklariert, wird dem Finanzministerium gemeldet.
Anfrage mit der Bitte, zu den verdächtigen Namen, Konten und Ertragsaufstellungen zu liefern. Die Finanzbehörde in Singapur liefert die Bankdaten der Verdächtigen nach Deutschland.
Auch deutsche Experten halten das für realistisch. Ausgerechnet die dicksten Fische könnten im deutschen Steuerrecht ganz legal durch die Maschen schlüpfen, erklärt Jochen Lüdicke, Steuerprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Partner der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer: "Hochvermögende haben ihre Vermögen mittels Nullkupon-Anleihen oder Versicherungen so strukturiert, dass bei ihnen nur ein niedriger einstelliger Steuersatz anfällt." Die 21 Prozent Pauschalsteuer aus dem Abkommen dagegen würden in solchen Fällen die individuelle Steuerschuld verzehnfachen, sagt Lüdicke.
Dass Fluchtgeld generell hohe Renditen abwirft, bezweifelt der Steuerexperte Sven Oberle von der Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte. "Viele Schweizer Banken haben sehr gut an den deutschen Kunden verdient." Diese hätten ihre Institute oft mit der Verwaltung ihrer Vermögen beauftragen müssen, die wiederum bei jeder Umschichtung Provisionen kassierten.
Kampf mit allen Mitteln
Das wiederum hängt mit einem Problem zusammen, vor dem fast alle Steuerflüchtlinge gemeinsam stehen: Ihre Kommunikationsmöglichkeiten sind beschränkt. Telefonate können abgehört und E-Mails abgefangen werden. Vor allem die USA greifen in ihrem Kampf gegen Drogen- und Terrorgelder, inzwischen aber auch gegen Steuerhinterziehung, zu allen verfügbaren Mitteln.
Ende 2008, Anfang 2009 spitzte sich für Inhaber schwarzer Aktiendepots die Lage ganz besonders zu. Wer seine Order vorsorglich nur per Briefpost erteilen wollte, den erwischte die Finanzkrise eiskalt. Aktien konnten gar nicht so schnell verkauft werden, wie deren Kurse in die Tiefe rauschten. "Da blieb oft keine Rendite übrig", resümiert Oberle.
Schleichwillige kommen nicht aus der Schweiz heraus
Ein weiterer Vorwurf von SPD und Grünen lautet, das deutsch-schweizerische Abkommen ermögliche Flüchtlingen "freies Geleit in andere Steueroasen" (Walter-Borjans). Tatsächlich trifft genau das Gegenteil zu. Nur wenn das Abkommen in Kraft tritt, werden die Schweizer eine Liste der zehn Länder an Deutschland übermitteln, in die das meiste Vermögen deutscher Kunden verlagert wird. Mit dieser Schweizer Liste können die hiesigen Behörden anschließend "die Abschleicher in die Zange nehmen", erläutert Koschyk. Zum einen könnten die Fahnder daraufhin eine gezielte Gruppenanfrage an die Eidgenossen richten und um konkrete Namen und Vermögenswerte bitten. Zum anderen könnten sie ähnliche Anfragen an die Zielländer der Abschleicher richten.
Im Übrigen müssen laut Abkommen auch diejenigen Bundesbürger Steuern nachzahlen, die ihre Konten inzwischen geplündert haben. Denn maßgeblich für die Besteuerung ist im Abkommen der Kontostand am 31. Dezember 2010. Allerdings kommen abschleichwillige Deutsche inzwischen ohnehin kaum noch aus der Schweiz heraus, weil sich viele Institute weigern, Konten von Deutschen aufzulösen.