Streikrepublik Deutschland Wie viel Geld hat die GDL noch in der Streikkasse?

Wie gut ist die Streikkasse der GDL gefüllt? Quelle: imago images

Kaum ein Geheimnis hüten die Gewerkschaften so sorgfältig wie das, wie gut ausgestattet ihre Streikkasse ist. Die GDL profitiert dabei von einer besonderen finanziellen Unterstützung.

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Seit fünf Monaten läuft der Tarifstreit zwischen Deutscher Bahn und Lokführergewerkschaft (GDL), mehr als 200 Stunden Streik sind bisher zusammengekommen. Und mit Streiks wird es wohl erst einmal weitergehen, so lange, bis die Bahn einlenkt – oder die Streikbereitschaft möglicherweise kippen könnte: „Irgendwann wird die Streikkasse der GDL erschöpft sein und auch der Lohnausfall der Lokführer wird deren Streikbereitschaft abmildern“, erwartet der Volkswirt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Allerdings gibt Lesch auch zu: Aus den vergangenen Arbeitskämpfen der GDL könne man nicht ableiten, wann dieser Punkt erreicht wird. „Die GDL wird ihre Streiktaktik schon so wählen, dass die Streikkasse geschont wird“, sagt Lesch. Klar ist: Aufs Geld achten muss die Lokführergewerkschaft durchaus. Legen Tausende Gewerkschafter immer wieder die Arbeit nieder, leert sich auch eine gut gefüllte Streikkasse irgendwann.

Andererseits kann sich die GDL auf die Unterstützung des Dachverbands dbb Beamtenbund und Tarifunion (dbb) verlassen. Gemäß Streikgeldunterstützungsordnung schießt der dbb auf Antrag aus seinem Aktionsfonds 50 Euro pro Streikendem und Tag zu. „Das ist gelebte Solidarität“, sagt der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Auch die nun begonnenen Wellenstreiks, die kürzer sind und nicht mehr unbedingt überall gleichzeitig stattfinden sollen, schonen die Streikkasse der Lokführergewerkschaft etwas.

Wie viel bekommen Streikende ausgezahlt?

Jeder Streiktag bedeutet für Beschäftigte Verluste. Denn sie erhalten keinen Lohn oder kein Gehalt, sondern aus der Streikkasse ein Streikgeld – das in der Regel weniger als ihre reguläre Bezahlung beträgt. So zahlte die GDL ihren Mitgliedern vor zweieinhalb Jahren zehn Euro pro Stunde, wenn sie sich an einem Streik beteiligten, bis zu 100 Euro pro Schicht. Seither hat die Gewerkschaft keine genauen Angaben dazu gemacht.

Festgeschrieben sind die Details in der Satzung der jeweiligen Gewerkschaft. Bei der IG Metall hängt die Höhe des Streikgelds davon ab, wie lange jemand ihr Mitglied ist und wie hohe Beiträge er oder sie leistet. Für Warnstreiks, die nicht einen ganzen Tag dauern, gibt es von der IG Metall in der Regel keine finanzielle Unterstützung.

Wer beispielsweise der größten deutschen Einzelgewerkschaft mehr als fünf Jahre angehört und in den drei Monaten vor dem Urabstimmungsmonat einen durchschnittlichen Beitrag von 25 Euro im Monat bezahlt hat, erhält 350 Euro Streikunterstützung pro Woche – also 70 Euro pro Streiktag gerechnet auf eine Fünf-Tage-Arbeitswoche. Auf ihrer Webseite bietet die Gewerkschaft einen Streikgeldrechner an.

Wer zahlt in welcher Höhe in die Streikkasse ein?

Gewerkschaften hüten in der Regel das Geheimnis gut, wie viel Geld ihre Streikkasse umfasst. Woher das Geld kommt, ist dagegen bekannt: aus den Beiträgen ihrer Mitglieder.

Die GDL verlangt Gewerkschaftsbeiträge in Höhe von 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttolohns – und hält sich ansonsten mit Zahlen bedeckt. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der IG Metall ist es ein Prozent davon. So kamen bei Verdi 2022 gut 490 Millionen Euro an Beitragseinnahmen zusammen. 10,5 Prozent davon führt die Gewerkschaft gemäß Budgetierungsrichtlinie seit 2020 ihrer Streikkasse zu, dem bei ihr sogenannten Arbeitskampf-Vermögen.

Die IG Metall wiederum sammelte im vergangenen Jahr von gut 2,1 Millionen Mitgliedern 620 Millionen Euro an Beiträgen ein. Obwohl damit 0,5 Prozent weniger Menschen der Gewerkschaft angehörten als 2022, stiegen die Beitragseinnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 24 Millionen Euro. Das liegt an Tariferhöhungen, von denen die Gewerkschaft über ihre Mitglieder mitprofitiert.

Schneller schlau: Streik-Recht

Von ihren Beitragseinnahmen lege die IG Metall jedes Jahr 15 Prozent zurück, erklärt Nadine Boguslawski, die Hauptkassiererin der Gewerkschaft. 2023 habe der Aufwand für diese Rücklagen 93 Millionen Euro betragen. Ein Teil dieses Geldes wird für die Streikkasse zurückgelegt, zudem finanziert die Gewerkschaft damit die künftige Altersvorsorge ihrer Beschäftigten.

Genauer will Boguslawski nicht werden. Der Grund ist klar: Keine Gewerkschaft will berechenbar sein, die Gegenseite soll nicht wissen, wie viele Monate oder Jahre Streiks für sie finanzierbar wären. Nur so viel: „Kein Streik wird an den Finanzen der IG Metall scheitern“, sagt Boguslawski.

Gibt es eine Mindestreserve für die Streikkasse?

„In unserem Rücklagenkonzept sind Gelder enthalten, die schnell verfügbar sind“, sagt die Hauptkassiererin der IG Metall. Auch bei unbefristeten Streiks müsse man jederzeit arbeitskampffähig sein. Aber auch hier gilt: Stillschweigen über die Höhe. „Wir tragen Sorge dafür, immer genug Geld zur Verfügung zu haben“, so beschreibt es Boguslawski.

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Würden die Finanzen knapp, könnten die Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), zu dem neben IG Metall unter anderen auch Verdi, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, die IG Bergbau, Chemie, Energie und der GDL-Konkurrent Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft gehören, im Übrigen anders als beim dbb nicht auf Unterstützung zählen. „Tarifverhandlungen ist Sache der Mitgliedsgewerkschaften, das gilt ebenso für Streikgelder“, teilt eine DGB-Sprecherin knapp mit.

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