So etwas Skurriles gibt es vielleicht bald nur noch in Deutschland. Der Rest der EU ist längst zur Vernunft gekommen und hat den klaren Schnitt vollzogen: Keine Tabakwerbung mehr in der Öffentlichkeit. Aber seit Jahrzehnten lebt die Tabak-Lobby in Deutschland wie im Paradies. Nun hängt selbst die Plakat-Werbeverbot-Initiative von Bundesernährungsminister Christian Schmidt im Nichts. Wenn die im Bundestag nicht bald in die Pötte kommen, wird das nichts mehr in dieser Legislatur-Periode.
Was läuft da zwischen Tabak-Lobby und den Regierungs-Parteien? Warum reicht etwa Fraktionschef Volker Kauder das im April 2016 von der Regierung losgetretene Verbot nicht zur Abstimmung im Bundestag ein?
Ist die Hinhalte-Taktik, wenn schon lebensverachtend, dann wenigstens wirtschaftlich für Deutschland sinnvoll? Nee! Der olle Mythos, zynischerweise würden sich die Raucher lohnen, weil sie Tabaksteuer in die Kassen spülen und dann nach schwerer Krankheit so früh sterben, dass das dem Gesundheitssystem Kosten spart, stimmt nicht. Tabaksteuereinnahmen pro Jahr: 14 Milliarden Euro. Durch Rauchen verursachte Mehrkosten: 78 Milliarden Euro.
Was für Argumente gibt es also gegen das Werbeverbot?
Hier: Wie kann man Werbung für ein legales Produkt verbieten? Das wäre doch fies!
Kauders Büro laut Medienberichten jedoch auf eine Bürger-Anfrage: „Wer einmal den Weg hin zu Werbeverboten einschlägt, wird auch bei anderen Produkten, zum Beispiel Alkohol oder Zucker, künftig schwerlich gegen weitere Verbote sein können.“
Das alte wie dusselige „Wo kommen wir denn da hin“-Argument. Wer laute Musik nach 22 Uhr verbietet, wird es nicht zwangsläufig bald ab 20 Uhr verbieten. Werbeverbote für legale Produkte gibt es übrigens schon: Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente etwa. Man kann also sehr wohl hier verbieten und da erlauben.
Die Mehrheit der Deutschen will das Tabak-Werbeverbot. 74 Prozent laut einer repräsentativen Umfrage der GfK für das Deutsche Krebsforschungszentrum. Und ein Werbeverbot bedeutet ja noch nicht einmal eine Einschränkung für die verbliebenen Raucher, anders als etwa ein Rauchverbot in Kneipen. Sondern allein einen aktiven Gesundheitsschutz, der Leben rettet und Millionen Euro spart - auf Kosten einer uralten Industrie, die selbst 2017 keine Hemmungen hat, die Kunden in die Sucht zu treiben. Typischer Fall von „aufs falsche Pferd gesetzt“.
Warum also kommt das Verbot nicht voran? Das einzige, was mir zu dem Thema noch einfällt:
Und in dieser Legislaturperiode haben sich Tabak-Lobbyisten mindestens 32-mal mit Vertretern der Bundesregierung getroffen. Bis hin zum Kanzleramt.
Hmm! Das hat doch ein Geschmäckle wie ein Zungenkuss nach einer Schachtel Marlboro in Kette und kein Kaugummi zur Hand. Zumal es eben keine vernünftigen Argumente gegen den Jugendschutz gibt.
Wie wollen wir da Ländern ins Gewissen reden, die wir despektierlich als Bananen-Republiken bezeichnen, wenn wir als moderne westliche Industrienation selbst bei der Drogenbekämpfung keine richtige Motivation aufbringen können? Eine Schande.
Könnte die Bundesregierung nicht mal tausende Menschenleben retten? Einfach mit einer kleinen gemütlichen Abstimmung im Parlament? Wäre das nicht eine spannende Aufgabe für die Bundesregierung? Und danach können die Fraktionen voller Stolz ja gerne eine Party schmeißen, dass sie endlich das tun, was der Rest der EU längst getan hat. Wenn die Parteien dann noch das Geld dafür zusammen kriegen.
Denn die Tabak-Industrie konzentriert sich schon auf den letzten großen Weltmarkt. Die Schwellen-Länder und Entwicklungsländer - etwa in Afrika. Es ist den Menschen dort zu wünschen, dass ihre Regierungen schlau genug sind und rechtzeitig mit dem Finger auf Deutschland zeigen: „Wir dürfen es bloß nicht so weit kommen lassen wie diese Kartoffel-Republik.“