Am Tag, an dem die Briten ihren Austritt aus der EU ganz offiziell beantragen, warnt der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, davor, die Briten in den Austrittsgesprächen für ihre Abkehr von der EU bestrafen zu wollen.
„Wir brauchen Verhandlungen, die ein faires Ergebnis für beide Seiten bringen“, sagte Kramer der WirtschaftsWoche. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Großbritannien auch nach seinem Ausscheiden aus der EU für die deutsche Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen werde: „Großbritannien ist und bleibt für uns ein wichtiger Partner.“
Kramer fordert, dass sich der Rest der EU nicht auseinanderdividieren lassen darf. „Entscheidend ist jetzt, dass der Zusammenhalt der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten gestärkt wird.“ Damit meint Kramer vor allem, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten die vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts verteidigen sollen.
Fünf Krisen, die die EU schon überlebt hat
Als Großbritannien 1963 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der sechs Gründerstaaten beitreten will, legt Frankreichs Präsident Charles de Gaulle sein Veto ein. Großbritannien sei weder politisch noch wirtschaftlich reif, argumentiert er. Erst sein Nachfolger Georges Pompidou bringt die Wende. Der Beitritt der Briten gelingt 1973 - zehn Jahre nach dem ersten Antrag.
Quelle: dpa
Von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre schwächelt die Gemeinschaft wirtschaftlich und politisch. Von „Eurosklerose“ ist die Rede. Die Konkurrenz aus den USA und Japan macht dem europäischen Markt zu schaffen. Die Mitgliedsländer versuchen, ihre Märkte zu schützen und nationale Interessen durchzusetzen. Die Krise wird überwunden durch neuen Schwung nach den Beitritten von Spanien und Portugal und dem Plan eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts.
Es soll der Startschuss zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sein. Doch die Dänen sagen in einem Referendum Nein zum Vertrag von Maastricht und setzen das politische Europa 1992 unter Schock. Elf Monate vergehen, bis ein Kompromiss mit Sonderrechten ausgehandelt wird, dem die Dänen zustimmen.
Mehrere Mitglieder der vom Luxemburger Jacques Santer geführten EU-Kommission müssen sich einem Misstrauensvotum im Europäischen Parlament wegen möglicher Betrugsaffären stellen. Ein von „fünf Weisen“ erstellter „Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft“ besiegelt kurz darauf das Schicksal der Santer-Kommission. Das gesamte Kollegium tritt im März 1999 zurück.
Mehr Demokratie und Transparenz - darum geht es 2005 in dem mühsam ausgehandelten „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ der damals 25 EU-Staaten. Doch die Franzosen und die Niederländer lehnen die EU-Verfassung bei Volksabstimmungen ab. An ihre Stelle tritt letztlich 2009 der Vertrag von Lissabon, der ähnliche Ziele verfolgt.
In einem Papier zum Brexit betont die BDA, dass keine der vier Grundfreiheiten als Konsequenz des Brexit eingeschränkt werden soll: „Nur im gemeinsamen Zusammenspiel entfalten sie ihre volle Kraft.“ In der EU dürfen sich Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen frei bewegen.
Großbritannien möchte auch nach einem Austritt aus der Union den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten, gleichzeitig aber über Einwanderung in Eigenregie entscheiden. Diese Einschränkung der Personenfreiheit lehnen die anderen 27 EU-Staaten bisher strikt ab. Sollte Großbritannien auf Einschränkungen bei der Migration pochen, so wollen die anderen 27 EU-Staaten dem Land künftig keinen Zugang zum Binnenmarkt zugestehen.
Das wäre bitter für Großbritannien, denn der EU-Binnenmarkt ist, wie es in dem BDA-Papier heißt, mit einer Wirtschaftsleistung von rund 11 Billionen Euro der größte einheitliche Markt der Welt. Die BDA zitiert eine Untersuchung, wonach der Binnenmarkt in Europa 2,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschafft hat.