Bettina Röhl direkt

EU: Endlich Protest aus der Wirtschaft!

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Massenarbeitslosigkeit in den Südländern wird bagatellisiert

Die Massenarbeitslosigkeit der Jugend in den Südländern wird hierzulande in einem erschütternden Maß bagatellisiert. Man kümmert sich lieber um einzelne Zuwanderer aus fernen Kontinenten, die die Medien wirksam präsentieren und die von Schlepperbanden und unguten Strukturen instrumentalisiert und deren Geschichten entgegen der Realität erzählt werden. Ihnen und den vielen anderen, die nicht von dort nach Europa gehen, könnte in ihren Herkunftsländern zumeist besser geholfen werden als hierzulande. Den fünf Millionen (und mehr) zum Teil gut ausgebildeten jungen Menschen in ganz Europa könnte wesentlich gezielter Augenmerk geschenkt werden, wenn der Focus nicht artifiziell durch wenige Fälle mit einer ganz anderen Problematik abgelenkt würde. Auf diesen Punkt haben britische Wirtschaftslenker in ihrem Beitrag zum Thema Europa hingewiesen, deren Aufruf zeitgleich wie der Aufruf der deutschen Unternehmer in der Sunday Times erschien.

Die deutschen Unternehmer stehen also nicht allein: 52 britische Firmenführer und Unternehmer, darunter Douglas Flint, Chef der HSBC- Großbank (Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings plc) mit Sitz in London haben sich in England zu Wort gemeldet und eine illustre Zahl von Wirtschaftskapitänen in Schweden, darunter Karl-Johan Persson, der Chef der weltweit operierenden schwedischen Modekette H&M sind gemeinsam mit den deutschen Unternehmern an dem gemeinsamen Aufruf zu einer Kehrtwende in Europa beteiligt.

Nicht, dass die Forderungen in ihrer Substanz überraschend wären und sie sind auch nicht neu. Aber neu ist, dass jetzt die Wirtschaft selber das Wort erhebt und die eigenen Bedürfnisse, die auch zugleich die Bedürfnisse der Volkswirtschaften insgesamt sind, formuliert.

Profitabilität, Gewinn und Gewinnzuwachs stehen an erster Stelle

Nicht Verteilungskampf, auch nicht Verteilungsgerechtigkeit stehen an erster Stelle, sondern Profitabilität, Gewinn und bei steigender Weltbevölkerung auch Gewinnzuwachs. Das sind die obersten Fixpunkte. Für Europa heißt das Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt. Verteilungsgerechtigkeit wird wichtig und auch unmittelbar wichtig, sobald es etwas zu verteilen gibt. Verteilungsgerechtigkeit kann auch die Wettbewerbsfähigkeit steigern und trotzdem gilt, dass es zunächst einmal etwas zu verteilen geben muss.

Wer Europa seiner Vielfalt berauben will und in Brüsseler Einfältigkeit ersticken möchte, und das unter dem Dach eines Euro, der in seiner Starre als grandios gescheitert zu bezeichnen ist und der seinen Blick nach innen richtet und nicht auf den Weltmarkt, dem ist die europäische Wettbewerbsfähigkeit egal oder er hat den Weltmarkt nicht verstanden.

Auch innerhalb der Euro-Zone ist die Gleichheit in Anerkennung der unterschiedlichen ökonomischen Wirklichkeiten das Gebot der Stunde, so wie es die Unternehmer aus England, Schweden und Deutschland jetzt einfordern. Die sonst viel beschworene Flexibilität auf allen Ebenen rauf und runter ist das, worauf es ankommt. Andalusische Olivenölproduzenten haben anderen Markterfordernissen Rechnung zu tragen als die Hamburger Hafenwirtschaft oder die Maschinenbauer im Ländle. Alles ist Europa und Europa ist nicht prädestiniert in einem Zentralstaat unter zu gehen.

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