Euro-Krise Europas Aufschwung ist mehr Schein als Sein

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Spanien: Kostensenkungen haben die Wettbewerbsfähigkeit erhöht

Die Europawahlprogramme der Parteien
Die CDU setzt mit dem früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister als deutschem Spitzenkandidaten den Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen. Sie will den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und das Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ erhalten. Eine Vergemeinschaftung der Schulden wird weiter abgelehnt. „Armutswanderung“ in soziale Sicherungssysteme soll verhindert werden. Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen soll abgebaut und mehr Bürgernähe durch eine Vereinfachung der EU-Gesetzgebung geschaffen werden. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei wird abgelehnt. Quelle: dpa
Die CSU übt inhaltlich wie personell den Spagat zwischen Anti-Brüssel-Propaganda und Bekenntnissen zu Europa: CSU-Vize Peter Gauweiler bedient die Europagegner und soll die AfD neutralisieren, der offizielle Spitzenkandidat Markus Ferber steht für die proeuropäische Seite. Forderungen sind die Rückgabe nationaler Kompetenzen, Bürokratieabbau, die Verkleinerung der Kommission und die Einführung von Volksentscheiden in Deutschland über wichtige Europafragen. Quelle: dpa
Bei der SPD gibt es mit dem Europaparlaments-Präsidenten Martin Schulz einen zugkräftigen Spitzenmann, er ist auch der europaweite Kandidat der Sozialdemokraten und soll EU-Kommissionspräsident werden. Rechts- wie Linkspopulisten sagt die SPD den Kampf an. Wichtige Ziele sind: strengere Haftungsregeln für Banken, Trennung von Investment- und Geschäftsbankensystem und ein „Finanz-Check“ für alle neuen Finanzprodukte; Entzug der Banklizenz bei Hilfe zum Steuerbetrug; europaweite Mindestlöhne; weniger Bürokratie, mehr Mitsprache und mehr Macht für das Europaparlament. Quelle: dpa
Die Linke spricht sich für eine grundlegende Neuausrichtung der EU aus. „Europa geht anders. Sozial, friedlich, demokratisch“, heißt ihr Programm. „Wir wollen einen Politikwechsel, damit die EU nicht vornehmlich Eliten an Reichtum und Macht ein Zuhause bietet, sondern sich solidarisch für alle entwickelt.“ Konkret fordert die Partei Mindestlöhne und -renten in der gesamten EU, eine Neuausrichtung der Währungsunion, die Vergesellschaftung privater Großbanken, ein Verbot von Rüstungsexporten sowie die Auflösung der Nato. Quelle: dpa
Die Grünen stellen den Klima- und Verbraucherschutz, mehr Datensicherheit und Bürgerrechte in den Mittelpunkt. Antieuropäischen Populismus von Rechts und Links konfrontieren sie mit dem „Ziel eines besseren Europas“. Sie wollen die EU weiterentwickeln und die Erweiterungspolitik der EU fortsetzen. Sie wollen ein Europa der erneuerbaren Energien. Der Atomausstieg soll in der gesamten EU vorangetrieben werden. Lebensmittel sollen frei von Gentechnik und Antibiotika sein. EU-weit verpflichtende Herkunftsangaben sollen dabei Transparenz schaffen. Quelle: dpa
Die Alternative für Deutschland (AfD) setzt mit ihrem Slogan „Mut zu D EU tschland“ ein klares Zeichen. Erst geht es um Deutschland, dann um Europa. Ein Austritt aus dem Euro wird für die Krisenländer Südeuropas gefordert. Neue EU-Mitglieder soll es nicht geben, Kompetenzen sollen auf die nationale Ebene zurückverlagert werden. Neben Parteichef Bernd Lucke auf Listenplatz eins soll der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel der Partei ein Gesicht geben. Eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen lehnt die AfD ab. Quelle: dpa
Die FDP will nach dem bitteren Abschied aus dem Bundestag ein kleines Comeback schaffen. In den Umfragen bewegt sich bei den Liberalen aber bislang nichts. Sollte die AfD besser abschneiden, hätte Parteichef Christian Lindner ein Problem. Von einer Schicksalswahl will er aber nichts wissen. Der Hauptgegner sei Schwarz-Rot, nicht die AfD. Inhaltlich tritt die FDP für mehr Bürgerrechte ein, die Vorratsdatenspeicherung soll verhindert werden. Beim Euro soll der Rettungsschirm ESM schrittweise reduziert, zudem ein Austrittsmechanismus für Euro-Länder geschaffen werden. Quelle: dpa

Steuern rauf, Ausgaben runter – so lautete das Rezept der Regierung in Madrid, um das gewaltige Loch im Staatshaushalt von mehr als 9,0 Prozent 2011 auf 6,6 Ende 2013 zu verringern. Bis Ende des Jahres muss die Regierung von Mariano Rajoy die Neuverschuldung auf 5,5 Prozent zurückführen, was durchaus realistisch ist. Denn Spaniens Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um 0,4 Prozent, im Gesamtjahr könnte das Plus bei 1,2 Prozent liegen.

Als erfolgreich bewerten Analysten die Reform der Banken. Unter der Aufsicht der Troika wurden die Großbank Bankia und eine Handvoll weiterer ehemaliger Sparkassen 2012 restrukturiert und rekapitalisiert sowie Immobilienaktiva in Höhe von 50 Milliarden Euro in eine neu geschaffene Bad Bank ausgelagert. Spanien nahm dafür einen Kredit beim Euro-Rettungsschirm ESM in Höhe von 41 Milliarden Euro in Anspruch. „Der spanische Bankensektor wurde gründlich restrukturiert und hat jetzt höhere Kapitalquoten sowie solide Finanzierungsstrukturen“, urteilt die Ratingagentur Moody’s. Vor allem dank einer für europäische Verhältnisse radikalen Arbeitsmarktreform hat die Regierung dazu beigetragen, die Lohnkosten zu senken. Die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit zeigt sich vor allem in stetigem Exportwachstum. Die Ausfuhren stiegen in den ersten zwei Monaten des Jahres um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings ist der Anteil des Exportsektors am BIP mit 34 Prozent noch immer recht niedrig. Im vergangenen Jahr erreichte Spanien erstmals seit vielen Jahren einen Überschuss in der Leistungsbilanz, der dieses Jahr weiter steigen sollte.

An zwei Flanken ist Spanien noch verwundbar. Die Arbeitslosigkeit ist mit über 25 Prozent extrem hoch. Die EU-Kommission fordert, den hohen Anteil von befristeten Arbeitsverträgen zu verringern, die Arbeitsämter zu modernisieren sowie Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik stärker zu verzahnen. Zudem ist die Staatsschuld als Folge der Bankensanierung auf fast 100 Prozent vom BIP gestiegen. Die Regierung geht davon aus, dass die Quote erst 2015 ihren Höhepunkt bei 101,7 Prozent erreicht.

Zypern: Die Inselrepublik hat sich besser geschlagen als erwartet

Als fünfter und vorerst letzter Euro-Staat rief Zypern Mitte 2012 nach Hilfe. Nach schwierigen Verhandlungen schnürten EU und IWF ein Rettungspaket von zehn Milliarden Euro für die vom Staatsbankrott bedrohte Inselrepublik. „Wir sind aus der Gefahrenzone“, sagt inzwischen der zyprische Finanzminister Charis Georgiadis. Die Rezession fiel 2013 mit einem Rückgang des BIPs um 5,4 Prozent weniger heftig aus als befürchtet – die EU erwartete ein Minus von 8,7 Prozent. Spätestens 2015 soll die Wirtschaft wieder wachsen. Ein wichtiger Konjunkturmotor ist der Tourismus, dessen Einnahmen 2013 um neun Prozent zulegten. Mit einem Fehlbetrag von 5,4 Prozent vom BIP fiel auch das Haushaltsdefizit 2013 deutlich niedriger aus als die prognostizierten 8,3 Prozent. Die Staatsschulden sollen in diesem Jahr mit 120,4 Prozent in Relation zum BIP ihren Höhepunkt erreichen; ab 2015 soll die Quote wieder fallen. Größte Probleme bleiben die hohe Arbeitslosenquote, die in diesem Jahr 19 Prozent erreichen dürfte, und die Kreditrisiken der zyprischen Banken. Der Anteil der notleidenden Kredite liegt bei rund 50 Prozent. Es geht dabei um eine Darlehenssumme von 25 Milliarden Euro – rund 150 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung der Insel.

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