Europawahl Der riskante Alleingang der AfD

Die Spitze der Alternative für Deutschland ziert sich vor den Europawahlen, ein Bündnis mit der britischen UKIP und den Wahren Finnen zu schließen. Dabei gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die Partner warten.

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AfD-Bundessprecher Bernd Lucke sortiert seine Unterlagen. Was die Euro-Kritiker in Brüssel vorhaben, hat ein Parteitag in Erfurt beschlossen. Wie das Programm umgesetzt werden kann, ist fraglicher denn je. Quelle: dpa

Sieben gegen 744. So könnten die Machtverhältnisse im künftigen Europäischen Parlament aussehen. Glaubt man den Umfragen, kann die euro-kritische Alternative für Deutschland mit sieben, vielleicht acht Sitzen im Straßburger Parlament, das Ende Mai neu gewählt wird, rechnen – von insgesamt 751. Alleine Deutschland darf 96 Parlamentarier entsenden, der Großteil wird aus dem Lager der Sozialisten und Konservativen stammen. Die Deutschen werden sich mit Gleichgesinnten aus den anderen 27 EU-Staaten in Fraktionen zusammenschließen. Nur die Euro-Kritiker wollen unter sich bleiben – und drohen so in der Masse unterzugehen.

Dabei gäbe es genug Interessenten: Die Rechtspopulisten um Geert Wilders (PVV) und Marine Le Pen (Front National) suchen noch dringend einen Partner. Drei, maximal vier weitere Parteien wollen mit dem niederländisch-französischen Duo zusammenarbeiten. Für eine Fraktion aber braucht es mindestens 25 Mitglieder aus einem Viertel der Mitgliedsstaaten – also aus mindestens sieben Ländern. Im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online lehnte Bernd Lucke, AfD-Bundessprecher und Spitzenkandidat für die Europawahl, eine Zusammenarbeit bereits ab. „Der Front National will unter anderem aus der NATO austreten und wieder Zollschranken in der EU einrichten. Beides ist mit uns nicht zu machen“, so Lucke. Zudem seien Le Pen und Wilders „teils latent, teils offen islamfeindlich“. „Auch damit kommen sie als Partner nicht in Frage.“

Die wichtigsten Köpfe in der AfD

Es ist eine richtige und wichtige Abgrenzung. Nicht nur, dass eine Annäherung an die Rechtsaußen moderate AfD-Sympathisanten von der Wahl abhalten würde, der Parteitag in Erfurt vor eineinhalb Wochen hat einmal mehr deutlich gemacht, dass das Programm der "Alternative" vor EU-Kritik strotzt, aber keinesfalls inhaltliche Schnittmengen mit radikalen und fremdenfeindlichen Parteien hat. Dagegen gibt es gleich eine Fülle von Gemeinsamkeiten mit der britischen Unabhängigkeitspartei UKIP und den Wahren Finnen.

So nahm der britische EU-Gegner und UKIP-Frontmann Nigel Farage, der sich gute Chancen ausrechnet, bei der Wahl zum EU-Parlament stärkste Partei in Großbritannien zu werden, in der vergangenen Woche gerne eine Einladung der Jungen Alternative an, in Köln zu sprechen. Das brachte Parteichef Lucke auf die Palme. „Die AfD missbilligt diese Veranstaltung als ein falsches und irreführendes Signal, da sie mehrfach betont hat, dass sie im Europäischen Parlament keine Zusammenarbeit mit UKIP anstrebt“, erklärte der Frontmann.

Das ist die JA

Weder Nigel Farage noch die AfD-Basis schienen diese Einwände in Köln zu stören. Der Brite hatte den Saal im Kölner Maritim-Hotel von der ersten Minute im Griff. „Ich bin es aus Straßburg gewohnt, dass es viel Lärm gibt wenn ich rede“, beginnt Farage, „nur Applaus ist eher selten dabei.“ Es folgt eine einstündige Rede, die als rhetorisches Lehrstück der EU-Häme verwendet werden könnte. Denn anders als viele der radikalen EU-Kritiker schimpft Farage nicht stumpf auf die Brüsseler Bürokraten mit ihren Ölkännchen und Gurkenkrümmungen, sondern nimmt sich die größten Versprechungen der EU vor – und auseinander. Das unbestrittene Ziel von Frieden in Europa? „Das Problem in Europa waren doch nie die Nationalstaaten, es war der Mangel an Demokratie in diesen Staaten.“

Gegenbeispiel gefällig? „Jugoslawien war auch ein Vielvölkerstaat mitten in Europa und wir wissen alle, wie dieses Kapitel geendet ist.“ Die Bürgerbeteiligung über Wahlen: „Die EU ist das einzige demokratische Konstrukt, in dem nur die Bürokratie Gesetze auf den Weg bringen und beschließen kann.“ Es folgt: „Man wählt also genau die Menschen, gegen deren Gesetze man eigentlich ist.“ Der Saal johlt, die Mehrzahl der einigen hundert AfD-Anhänger steht während der Rede immer mal wieder auf, um Farage anzufeuern. Zwanzig Jahre Europa-Bashing, Farages Erfahrung zahlt sich aus.

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