Nach einer Auto-Attacke auf Soldaten bei Paris prüfen die Ermittler einen Terrorverdacht. Der Fahrer steuerte seinen Wagen am Mittwochmorgen im Vorort Levallois-Perret in eine Gruppe Militärs und verletzte dabei sechs von ihnen. „Wir wissen, dass das eine absichtliche Tat war“, sagte Innenminister Gérard Collomb. Der mutmaßliche Täter konnte zunächst fliehen. Nach mehrstündiger Fahndung stoppte die Polizei einen Verdächtigen, der im Norden des Landes mit dem gesuchten Auto unterwegs war. Dabei eröffneten Beamte das Feuer, wie die Nationalpolizei auf Twitter mitteilte.
Die für Terror-Fälle zuständige Pariser Staatsanwaltschaft zog den Fall an sich. Sie leitete eine Untersuchung wegen versuchten Mordes an Amtspersonen in Verbindung mit einem Terrorvorhaben ein. Die Soldaten gehörten zum Anti-Terror-Einsatz Sentinelle (Wache), der Militärpatrouillen in französischen Städten umfasst. Seit Januar 2015 waren in Frankreich bei islamistischen Anschlägen fast 240 Menschen ermordet worden.
Verteidigungsministerin Florence Parly sprach in ihrer Mitteilung von einer „feigen Tat“. Die laufende Untersuchung müsse die Absichten des Täters klären.
Der Verdächtige wurde auf der Autobahn 16 festgenommen, die von Paris nach Nordfrankreich und Belgien führt. Der Fahrer sei dabei verletzt worden, meldete der Sender Franceinfo. Die Polizei habe das Auto kurz vor Calais im Norden des Landes gestoppt. Zunächst war nicht abschließend geklärt, ob es sich um den Angreifer handelt.
Die 65 000-Einwohner-Gemeinde Levallois-Perret liegt westlich von Paris. Collomb sagte, das Auto sei zunächst langsam gefahren und habe dann etwa fünf Meter von den Soldaten entfernt beschleunigt, um sie anzufahren. Nach Angaben des Bürgermeisters Patrick Balkany befindet sich dort ein Raum, den die Soldaten für ihren Einsatz nutzen. Der Fahrer habe augenscheinlich darauf gewartet, dass die Militärs zu ihrem Fahrzeug gehen, und sei dann auf sie zugerast, so Balkany zum Sender BFMTV. „Das ist eine abscheuliche Aggression.“
Balkany vermutete, dass Levallois-Perret bewusst für die Attacke ausgewählt wurde, weil dort der Inlandsgeheimdienst DGSI seinen Sitz hat. „Ich weiß aus Erfahrung, dass die Terroristen ihre Ziele nicht zufällig wählen“, sagte der Politiker am Tatort der Deutschen Presse-Agentur. Beamte der DGSI spielen eine wichtige Rolle bei Anti-Terror-Ermittlungen.
Frankreichs Antwort auf den Terror
Der Ausnahmezustand wurde in der Pariser Terrornacht vom 13. November verhängt und im Sommer bis Anfang 2017 verlängert. Er gibt den Sicherheitsbehörden teils umstrittene Sonderrechte. So wurden bereits mehr als 4000 Hausdurchsuchungen ohne Richterbeschluss durchgeführt. Der Innenminister kann auch Hausarreste anordnen.
Die bereits im September 2014 begonnenen Luftangriffe gegen IS-Stellungen erst im Irak, dann auch in Syrien wurden ausgeweitet. Mehr als 1600 Bomben und Raketen haben französische Kampfjets bereits abgefeuert. Die Armee berät zudem irakische Kräfte und hat auch Artillerie geschickt.
Gleich mehrfach haben die Pariser Abgeordneten die Anti-Terror-Gesetze verschärft. Rückkehrer aus Kampfgebieten von Terrorgruppen können einen Monat unter Hausarrest gestellt werden, Ermittler leichter Abhörmaßnahmen nutzen, der regelmäßige Besuch terroristischer Webseiten ist strafbar. Menschen können bei Identitätskontrollen bis zu vier Stunden festgehalten werden, wenn ihr Verhalten einen Terrorverdacht nahelegt.
Die Regierung hat 5000 neue Stellen bei der Polizei zugesagt. Die Anti-Terror-Spezialeinheiten wurden neu aufgestellt. Eigentlich auf Kriminalitätsbekämpfung ausgerichtete Einheiten erhielten schwerere Waffen - auch deutsche G36-Sturmgewehre -, um bei Terror abseits der großen Zentren schneller eingreifen zu können.
Als Teil des Anti-Terror-Plans Vigipirate patrouillieren bis zu 10.000 Soldaten an gefährdeten Orten, etwa Pariser Touristenattraktionen und Bahnhöfen. Um die Sicherheitskräfte zu entlasten, wird eine Nationalgarde aufgebaut.
Für Großveranstaltungen gibt es oft strengere Auflagen etwa zu Taschenkontrollen.
Die verletzten Soldaten wurden in zwei verschiedene Krankenhäuser gebracht. Bei dreien befürchteten die Behörden zunächst schwere Verletzungen, dies bewahrheitete sich jedoch nicht. „Wir haben beruhigende Neuigkeiten zu ihrem Zustand“, sagte Verteidigungsministerin Parly.
Französische Sicherheitskräfte waren schon mehrfach Ziel von Anschlägen, im April wurde ein Polizist auf dem Prachtboulevard Champs-Élysées erschossen. Anfang des Jahres ging ein Mann mit Macheten auf eine Militärpatrouille im Louvre-Museum los, er wurde überwältigt. Im März erschossen Soldaten einen Angreifer im Pariser Flughafen Orly, der einer Soldatin ihre Waffe entreißen wollte.
Ein am vergangenen Wochenende am Eiffelturm festgenommener Bewaffneter hatte Ermittlern gesagt, er habe einen Anschlag auf einen Soldaten geplant. Der Mann wurde inzwischen in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.
Die Operation Sentinelle begann nach dem islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015. Dafür sind 7000 bis 10 000 Soldaten in Frankreich im Einsatz.