Schweden, Polen & Co. Euro – nein, danke!

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Polen wünscht sich mehr Europa – aus Eigennutz

Europas Zahlmeister
Platz 27: PolenAm meisten von den Transferleistungen der EU hat in jüngster Vergangenheit Polen profitiert. 6,2 Milliarden Euro mehr flossen 2009 nach Warschau, als das Land nach Brüssel überwiesen hat. 2010 waren es gar über acht Milliarden Euro. Fast zwei Drittel dieser Summe zahlte die Europäische Union Polen als Subventionen für die Landwirtschaft und Fischerei und für Infrastrukturprojekte. Quelle: dpa
Platz 26: GriechenlandDer Pleitestaat bekam 2009 gut drei Milliarden Euro aus den EU-Töpfen. Pro Kopf waren das 267,20 Euro. „Vergleicht man die Nettopositionen Deutschlands und Griechenlands und ihren jeweiligen Anteil an Nettozahlern und -empfängern, so ergeben sich daraus allein im Jahr 2009 effektive Zahlungen von Deutschland an Griechenland in Höhe von 865 Millionen Euro“, unterstreicht Heinen. Quelle: dpa
Platz 25: UngarnDas osteuropäische Land konnte sich 2009 über Nettozuwendungen aus Brüssel in Höhe von 2,66 Milliarden Euro freuen (265 Euro pro Kopf). Neben den Agrarsubventionen hat Budapest vor allem Geldmittel bekommen, um gegen die Kriminalität vorzugehen und den Justizapparat zu stärken. Knapp 30 Prozent oder 798 Millionen Euro flossen dafür gen Osten. Quelle: dpa
Platz 24: PortugalKräftig subventioniert wurde im Jahr 2009 auch Portugal. Netto flossen knapp über Milliarden Euro ins südwestlichste Land der EU. Umgerechnet zahlte die Staatengemeinschaft 196,40 Euro für jeden portugiesischen Staatsbürger. Quelle: dpa
Platz 23: Rumänien2007 trat Rumänien der Staatengemeinschaft bei. Mit etwa 21 Millionen Einwohnern ist es das sechsgrößte Land der Union. Die Wirtschaft allerdings hinkt der Entwicklung im Euro-Raum hinterher. Um die Strukturen zu reformieren, flossen in den ersten beiden Jahren Milliardenhilfen nach Bukarest. Gut 1,6 Milliarden Euro waren es beispielsweise 2009. Die Zahlungen der Vorjahre hatten zunächst Erfolg: Die Wirtschaft wuchs jährlich zwischen sechs und acht Prozent. Doch dann kam die Finanzkrise, Rumänien geriet in Schwierigkeiten: Der IWF musste dem Land 2009 Kredithilfen in Höhe von 13 Milliarden Euro bereitstellen, die EU-Kommission verlieh dem Land fünf Milliarden Euro aus ihrem Notfallfonds. Quelle: dpa
Platz 22: TschechienTschechien erhielt im gleichen Jahr netto 1,575 Milliarden Euro von der Europäischen Union. Das macht 150,40 Euro pro Staatsbürger. Zwei Drittel der Summe wurden als Subventionen für die Landwirtschaft und Fischerei ausgestellt. Wachstumsfördernd sind diese Mittel nicht, sagt Deutsche-Bank-Analyst Nicolaus Heinen. „Während Mittel der Regionalpolitik etwa über Infrastrukturmaßnahmen wachstumsfördernd wirken können, dienen Maßnahmen der Landwirtschaftspolitik noch immer tendenziell der Abfederung des Strukturwandels: Wirtschaftswachstum schaffen sie nicht.“ Quelle: dpa
Platz 21: LitauenLitauen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union. Finanziell profitierte das Land 2009 vom Beitritt. 1,468 Milliarden netto erhielten die Osteuropäer an Transferleistungen. Rechnet man das Geld auf die Bevölkerungszahl herunter – Litauen hat nur gut 3,2 Millionen Einwohner – landet das Land auf dem zweiten Platz. Stolze 438,20 Euro erhielt Litauen pro Staatsbürger. Quelle: rtr

In Polen sieht das etwas differenzierter aus. Zwar ist kein anderes Land in Europa so gut durch die Finanzkrise gekommen wie das nach der Bevölkerungszahl sechstgrößte Europas. Eine Rezession gab es nicht, die Wirtschaft boomt, das deutsche Nachbarland gilt schon als sicherer Hafen in Osteuropa.

Doch Polen ist von Europa und der Euro-Zone abhängiger als Schweden. Das Schwergewicht des Außenhandels hat sich von Januar bis November 2011 zunehmend auf die EU-Länder verlagert (78 Prozent der Exporte und 59,4 Prozent der Importe), wobei Deutschland als mit Abstand größter Handelspartner Polens eine herausragende Stellung einnimmt. 26 Prozent der polnischen Gesamtausfuhr gehen nach Deutschland und etwa 22 Prozent der Gesamteinfuhr stammen aus dem großen Nachbarland.

Größter Nettoempfänger von EU-Geldern

Hinzu kommt: Polen profitiert wie kein zweites Land von der EU-Mitgliedschaft. Die Osteuropäer sind der größte Nettoempfänger europäischer Hilfsgelder. 8,4 Milliarden Euro flossen 2010 aus den EU-Töpfen nach Polen. 2009 waren es 6,4 Milliarden.

Wissenswertes über Polen

Polen wünscht sich daher – mehr aus Eigennutz, denn aus Überzeugung – mehr Europa. "Entweder nehmen wir heute den Kampf auf für das geeinte Europa oder wir werden es morgen nicht aufrechterhalten können", warnt Ministerpräsident Donald Tusk. Daher bedauere er, dass es zunehmend eine Abkoppelung der Euro-Zone von der Europäischen Union gebe und dass etwa Großbritannien "wieder eine Insel geworden ist".

Euro-Beitritt ist vorerst kein Thema

Ein Beitritt zum Euro-Raum ist für Polen dennoch vorerst kein Thema. Zwar gibt es mit Jacek Dominik einen eigenen Spitzenbeamten, der den Beitritt des Landes zur Währungsunion vorbereiten soll. Doch Dominik selbst tritt inzwischen kräftig auf die Bremse. "Wir haben klar gemacht, dass wir unseren Zeitplan zum Euro-Beitritt um ein weiteres Kriterium erweitern: Die Stabilisierung des Euro-Raums." Sprich: Solange sich die Gemeinschaft von Krise zu Krise hangelt, hat das Land kein Interesse an einer Einführung der Gemeinschaftswährung.

Dass Polen mit seiner Beobachterrolle derzeit bestens bedient ist, zeigt der Blick auf die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen. Im zweiten Quartal 2012 forderten Investoren durchschnittlich 5,45 Prozent Zinsen für ihr Geld – und damit deutlich weniger als von den Euro-Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland.

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