In Polen sieht das etwas differenzierter aus. Zwar ist kein anderes Land in Europa so gut durch die Finanzkrise gekommen wie das nach der Bevölkerungszahl sechstgrößte Europas. Eine Rezession gab es nicht, die Wirtschaft boomt, das deutsche Nachbarland gilt schon als sicherer Hafen in Osteuropa.
Doch Polen ist von Europa und der Euro-Zone abhängiger als Schweden. Das Schwergewicht des Außenhandels hat sich von Januar bis November 2011 zunehmend auf die EU-Länder verlagert (78 Prozent der Exporte und 59,4 Prozent der Importe), wobei Deutschland als mit Abstand größter Handelspartner Polens eine herausragende Stellung einnimmt. 26 Prozent der polnischen Gesamtausfuhr gehen nach Deutschland und etwa 22 Prozent der Gesamteinfuhr stammen aus dem großen Nachbarland.
Größter Nettoempfänger von EU-Geldern
Hinzu kommt: Polen profitiert wie kein zweites Land von der EU-Mitgliedschaft. Die Osteuropäer sind der größte Nettoempfänger europäischer Hilfsgelder. 8,4 Milliarden Euro flossen 2010 aus den EU-Töpfen nach Polen. 2009 waren es 6,4 Milliarden.
Wissenswertes über Polen
Das Bruttoinlandsprodukt der Polen hat 2011 um 4,3 Prozent zugelegt, die Wirtschaft wächst unter den EU-Ländern nur in Estland noch dynamischer. Die Arbeitslosigkeit liegt aktuell bei 9,9 Prozent, die Inflationsrate bei 2,7 Prozent. Mit einer Staatsverschuldung von 63 Prozent steht Polen im europäischen Vergleich nicht allzu schlecht da.
In den 1980er Jahren begann Polen mit dem Bau seines ersten Kernkraftwerks, der dann unter den Eindrücken des Atom-GAUs in Tschernobyl gestoppt wurde. Der Reaktorunfall in Fukushima konnte die Polen dann aber nicht mehr beeindrucken: fünf Tage nach der japanischen Atomkatastrophe beschloss Polens Wirtschaftsministerium den Ausbau der Kernenergie.
Papst Johannes Paul II ist der wohl berühmteste Pole. Der Begründer der modernen Astronomie, Nikolaus Kopernikus, ist jedem ein Begriff, genauso wie die Chemikerin Marie Curie, die das radioaktive Element Radium entdeckte. Auch kulturell kann Polen mit Berühmtheiten aufwarten: der romantische Komponist Frédéric Chopin, der Science-Fiction Autor Stanislaw Lem, sowie der Regisseur und Oscar-Preisträger Roman Polanski stammen aus Polen.
Nicht nur die. In dem osteuropäischen Land gibt es EU-weit die meisten verschiedenen Pflanzen- und Tierarten, die aus anderen Teilen Europas zum Teil schon lange verdrängt wurden. Nicht nur der Braunbär und der Wolf sagen sich hier gute Nacht, sondern auch der Luchs, der Elch, der Biber und das Wisent.
In die Kirche gehen. 96 Prozent der Polen sind Katholiken und das nicht nur auf der Lohnsteuerkarte. Die Polen sind eifrige Kirchgänger, die Religion spielt in ihrem Leben eine bedeutendere Rolle.
Polen wünscht sich daher – mehr aus Eigennutz, denn aus Überzeugung – mehr Europa. "Entweder nehmen wir heute den Kampf auf für das geeinte Europa oder wir werden es morgen nicht aufrechterhalten können", warnt Ministerpräsident Donald Tusk. Daher bedauere er, dass es zunehmend eine Abkoppelung der Euro-Zone von der Europäischen Union gebe und dass etwa Großbritannien "wieder eine Insel geworden ist".
Euro-Beitritt ist vorerst kein Thema
Ein Beitritt zum Euro-Raum ist für Polen dennoch vorerst kein Thema. Zwar gibt es mit Jacek Dominik einen eigenen Spitzenbeamten, der den Beitritt des Landes zur Währungsunion vorbereiten soll. Doch Dominik selbst tritt inzwischen kräftig auf die Bremse. "Wir haben klar gemacht, dass wir unseren Zeitplan zum Euro-Beitritt um ein weiteres Kriterium erweitern: Die Stabilisierung des Euro-Raums." Sprich: Solange sich die Gemeinschaft von Krise zu Krise hangelt, hat das Land kein Interesse an einer Einführung der Gemeinschaftswährung.
Dass Polen mit seiner Beobachterrolle derzeit bestens bedient ist, zeigt der Blick auf die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen. Im zweiten Quartal 2012 forderten Investoren durchschnittlich 5,45 Prozent Zinsen für ihr Geld – und damit deutlich weniger als von den Euro-Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland.