Abhängig vom Export Russland hängt am Öl wie ein Junkie an der Nadel

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Investitionen und Wachstum

Moskau lockt mit Models und Motoren
Model mit Mitsubishi Outlander auf dem Internationalen Automobil-Salon in Moskau (MIAS). Die Messe, bei der nur wenige Premieren, aber dafür umso mehr PS-protzige Autos und knapp bekleidete Messehostessen im Vordergrund stehen, läuft bis zum 9. September.Und es geht lebhaft zu in Moskau. Nicht nur auf den Straßen wird gedrängelt, sondern auch auf der Messe. Der boomende russische Automobilmarkt hebt die Stimmung in diesem Jahr auf Rekordniveau. Quelle: dpa
Auf dem MIAS präsentieren sich die rund 100 internationalen Hersteller mit pompösen Messeständen, neuen Modellen und anderen Schönheiten. Der vom roten Bodysuit verdeckte Outlander wurde von Mitsubishi aufgestellt. Quelle: dpa
Ein besonderes Highlight: Das erste SUV von Lamborghini, das auf den Namen Urus hört. Der scharf geschnittene und 440 kW/600 PS starke Geländewagen, traditionell wieder benannt nach einem Kampfstier, soll Lamborghinis dritte Baureihe werden und der italienischen Marke das Überleben sichern. Noch ist der Urus aber ein Concept Car. Eine Serienversion des Super-SUV dürfte aber in vier Jahren auf der Straße sein, auf Basis der nächsten Audi-Q7-Generation. Bis dahin werden zumindest die Außenspiegel überarbeitet ... Quelle: dpa
Über eine Million Besucher werden an den Ausstellungstagen bis zum 9. September 2012 in den sieben Hallen erwartet. Die Mischung der Aussteller ist bunt, die Platzverteilung eigen: Hyundai beansprucht mit einer eigenen Halle mehr Platz als der Marktführer Lada. Die deutschen Konzerne BMW und Volkswagen stellen bei der Messe ihre kompletten Markenpaletten vor. Auch Individualisten-Autos wie Rolls Royce oder Bentley verzeichnen eine steigende Nachfrage. Im Bild: Der Skoda Yeti Sochi 1.4 TSI DSG. Quelle: dpa
Der Rubel rollt. Russland gewinnt für die Autohersteller immer mehr an Bedeutung. Knapp 2,5 Millionen Neuzulassungen waren es im vorigen Jahr. Glaubt man den Prognosen, könnte das Riesenreich schon 2013 Deutschland den ersten Rang streitig machen. Mazda nutzt die diesjährige Motorshow sogar erstmals für eine Weltpremiere. Debüt feiert die dritte Generation der Mittelklasse-Limousine Mazda6. Sie wird am 2. Februar zusammen mit dem ebenfalls brandneuen Kombi in Deutschland auf den Markt kommen. Die Preise sollen bei unter 25 000 Euro beginnen ... Quelle: Presse
Wer beim Wort „Stufenhecklimousine“ an Langeweile denkt, liegt beim Mazda 6 völlig falsch. Designer Akira Tamatani hat ein elegantes, sportliches und gut proportioniertes Auto kreiert , das fast einem viertürigen Coupé gleicht. Im Segment dürfte der Japaner damit weit vorne liegen. Zumal auch technisch ein Riesensprung gemacht worden ist. Der Mazda 6 ist nach dem CX-5 das zweite Modell der Marke, das auf der sogenannten SkyActiv-Technologie basiert. Hierzu zählen neue, sparsame Antriebe, ein neues Fahrwerk sowie eine neue und leichte Karosseriestruktur. Mit einer Länge von 4,86 Metern ist der neue Mazda 6 elf Zentimeter länger als der Vorgänger, wiegt aber satte 100 Kilogramm weniger. „Dies wird sich in der Agilität und im Verbrauch bemerkbar machen“, verspricht Chef-Entwickler Hiroshi Kajiyama. Quelle: Presse
Auch BMW hatte seinen überarbeiteten 7er im Vorfeld bereits in Russland präsentiert. Der Markt für Luxuslimousinen wie den 760 xDrive verlagert sich schon seit Jahren ostwärts. Das gilt insbesondere für Langversionen. Quelle: dpa

Auf der Strecke bleiben die Investitionen – und letztlich auch das Wachstum. Deutsche Unternehmen spüren das bisher kaum. Bei einem Volumen von 35 Milliarden Euro haben die Exporte deutscher Waren nach Russland voriges Jahr einen neuen Rekord erklommen. „Dass der Handel boomt und gleichzeitig die heimische Industrie lahmt, zeigt wie wenig konkurrenzfähig russische Konsumgüter sind“, erklärt ING-Experte Polewoj. Von der Schwäche der Russen profitieren deutsche Auto-, Maschinen- und Anlagenbauer. Volkswagen ist dank eines eigenen Werks in Kaluga südlich von Moskau der Branchenzweite nach dem Lada-Hersteller Awtowas. Deutsche Hersteller haben 2011 allein für sieben Milliarden Euro Stanzmaschinen, Metallpressen und CNC-Fräsen in den Osten geliefert.

Prognose Welt-Automarkt 2012

Aber selbst die Nachfrage nach dem begehrten Label „made in Germany“ sinkt: Seit Jahresanfang verharren die Einfuhren von Maschinen in Russland bei knapp unter zehn Milliarden Euro im Monat – insgesamt, nicht nur aus Deutschland.

Unterm Strich ist die Stimmung der Unternehmen verhalten. Einerseits profitieren deutsche Lieferanten wie Tunnelbauer Herrenknecht aus Baden von staatlichen Großprojekten, die Autobauer von der guten Verbraucherlaune. Aber gerade kleinere russische Unternehmen schrecken vor Investitionen zurück und hamstern ihre Profite. Mehr als 35 Milliarden Euro Kapital sind seit Januar ins Ausland geflossen – das Gros davon sind Exportgewinne. Derweil wandern immer mehr Russen ins Ausland ab, wo sie bessere Perspektiven für sich sehen.

Speisewagen oder Lokomotive

Wozu auch in Russland bleiben? Vielen Unternehmen fällt es auf der Heimaterde schwer, qualifiziertes Personal zu bekommen – von der allgegenwärtigen Korruption und Bürokratie ganz zu schweigen. Textilunternehmerin Olga Malzewa, die unter dem Modelabel Schaluni Kinderjacken für die Härten des russischen Winters nähen lässt, fertigt neuerdings in Vietnam. Für ihre Fabrik in Troitsch bei Moskau fand sie kein Personal, was sie auch auf die Defizite im Bildungssystem zurückführt.

Statt besserer Bildung hat Wladimir Putin im Frühjahr 25 Millionen Jobs für Akademiker versprochen. Wer soll die einstellen, wenn sich kleine Unternehmen nicht entwickeln können, die Wirtschaft kaum wächst? Von Putin, dem Dauer-Regenten von Russland, sind Unternehmer sowieso enttäuscht. Viele hatten gehofft, er würde die Zeit nach der Krise von 2009 für Reformen nutzen, die Wirtschaft liberalisieren, herausführen aus der Rohstoffabhängigkeit. Es war einmal der Traum, dass Russland zur Lokomotive der Weltwirtschaft wird. In Wahrheit ist das Land der Speisewagen, aus dem sich jeder bedient – und der in der Krise aufs Abstellgleis geschoben wird.

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