Chan Zuckerberg Initiative Neue Heiler aus dem Silicon Valley

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Daten, Algorithmen und neuartige Instrumente

So ein konzertiertes Vorgehen habe schon einmal der biomedizinischen Forschung nachhaltigen Schub gegeben: Im Fall des Humangenom-Projekts arbeitete die internationale Forschergemeinde vereint daran, das menschliche Erbgut zu entschlüsseln.

Dass Daten nicht alles sind, um Krankheiten auszurotten, das wissen auch Chan und Zuckerberg. Sie setzen deshalb auf die im Valley so hoch gehaltene Ingenieurkunst: „Die meisten wissenschaftlichen Durchbrüche wurden erzielt, weil Geräte erfunden wurden, die uns halfen, Probleme ganz anders zu sehen als zuvor“, sagt Zuckerberg. Früher seien das mal Mikroskope gewesen. Heute könnte Software dabei helfen, Karten des Gehirns oder des Erbguts zu erstellen.

Mit viel Liebe zur Ingenieurkunst

Diesen Ingenieurgeist in die Biomedizin-Forschung zu bringen sei auch bitter nötig, attestiert Max-Planck-Forscher Bonhoeffer. Denn für Techniker seien etwa Mikroskope kein spannendes Forschungsfeld: „Deshalb landen die besten Ingenieure heute oft in der Auto- oder Computerindustrie und nur selten in der medizinischen Grundlagenforschung.“ Genau da will die Initiative gegensteuern. Stanford-Bioingenieur Stephen Quake, der Vize-Chef des Biohubs, sagt: „Wenn wir erst wissen, was die Forscher brauchen, schreiben wir die Programme und entwickeln die Werkzeuge dazu.“

Daten, Algorithmen und neuartige Instrumente für die Zukunft der Gesundheitsforschung – der medizinische Fortschritt im Zeitalter der Digitalisierung wird sich neue Wege bahnen. Ob eines Tages aber alle Krankheiten besiegt werden? Gerade Vertreter der Pharmabranche sind skeptisch – und durch die drei Milliarden Dollar Kapital der Initiative nur mäßig beeindruckt.

Die Natur werde auch weiter Wege finden, um Medikamente wie Antibiotika unwirksam zu machen, sagt etwa die Aidsforscherin Helga Rübsamen-Schaeff, die jahrelang Bayers Antiinfektionssparte leitete und nun ihr eigenes Unternehmen führt. Und rechnet vor: Eine bis drei Milliarden Dollar koste es in der Regel bis eine Pharmafirma ein ‧Medikament bis zur Marktreife entwickelt hat. Da sind, angesichts von 30.000 bekannten Krankheiten, die drei Milliarden Dollar von Zuckerberg schon rein rechnerisch Peanuts. Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen weist darauf hin, dass allein die Hersteller in Deutschland pro Jahr mehr als fünf Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Medikamente stecken.

Die Einordnung ist richtig – und setzt doch am falschen Ende an: Die Zuckerberg-Initiative ist vor allem auf Grundlagenforschung ausgerichtet und will diese langfristig fördern. Zeitliche Versprechen, wann welche Krankheit besiegt sein werde, macht sie nicht (lesen Sie hier Einschätzungen aus der Biotech- und Pharmabranche - Friedrich von Bohlen, Viola Bronsema von BIO Deutschland, Bayer, Merck, Johnson&Johnson und dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen). Bei grundlegenden Neuerungen aber würden die alten Rechnungen der Pharmabranche Makulatur, so die Hoffnung. Grundlagenforschung wirft keine Rendite ab. Bisher wurde sie daher fast nur durch öffentliche Geldgeber gefördert. Diese seien aber spätestens seit der großen Rezession 2008 in den USA knauserig geworden, sagt Don Ganem, ein Antibiotika-Spezialist, der ebenfalls zu Zuckerbergs Beraterkreis gehört und die Infektionsforschung des Schweizer Pharmakonzerns Novartis leitet.

Chan und Zuckerberg haben langfristige Finanzierungszusagen gemacht. Wenn alles gut läuft, sei das Ehepaar durchaus bereit, Geld nachzuschießen, sagt Max-Planck-Direktor Bonhoeffer. Und für Mäzene sind Zuckerberg und Chan noch sehr jung. Bereits nach der Geburt ihrer Tochter hatten sie zugesagt, 99 Prozent ihrer Facebook-Aktien spenden zu wollen. „Ob in acht oder zehn Jahren eine Therapie gegen Alzheimer gefunden ist, muss man sehen“, so Bonhoeffer. Aber in 60 oder 80 Jahren, das sei realistisch.

Gut möglich, dass Zuckerberg und seine Gäste an jenem Abend im September also doch jeden Grund zum Feiern hatten.

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