Bekommen Versuchstiere das Krebsmittel, erhöht sich ihr Lebensalter um zehn Prozent. Gleichzeitig bleiben sie gesund bis ins hohe Alter. Denn sie leiden weder an Krebs noch an Nervenkrankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Auch Diabetes, der Knochenschwund namens Osteoporose und eine Schädigung der Netzhaut des Auges, die Makuladegeneration, bleiben aus.
Dass ein einziges Medikament solch einen durchschlagenden Erfolg haben konnte, faszinierte die Forscher.
Zwar ist Rapamycin ganz sicher kein geeignetes Anti-Aging-Elixier für den Menschen. Dazu hat das Mittel zu viele Nebenwirkungen: Es erhöht den Cholesterinspiegel, stört die Wundheilung und kann Blutarmut hervorrufen. Aber die Forscher wissen jetzt, dass es solch eine zentrale Schaltstelle des Alterns im menschlichen Körper gibt – und dass sie sich mit Medikamenten ansteuern und regeln lässt.
Im Zuge dieser Forschung wird auch immer klarer, warum TOR solch eine bedeutende Rolle beim Altern spielt.
Sensor
Vereinfacht lässt sich das so darstellen: In erster Linie ist TOR ein Sensor für Nährstoffe. Ist genügend Nahrung da, regt TOR die Zellen dazu an, zu wachsen und sich zu vermehren. Dabei greift es in den Signalweg des Zuckerstoffwechsels ein und beeinflusst dessen Regulator, das Insulin.
Ist Futter Mangelware, bringt TOR die Zellen dagegen dazu, überflüssig gewordene Zellbestandteile abzubauen und zu verdauen, eine Art Großputz mit anschließendem Wertstoff-Recycling.
Im jugendlichen Alter, wenn der Körper noch wachsen muss, ist die Funktion von TOR ein Segen: Bei guter Futterlage Wachstum, in Notzeiten Aufräumen. Doch wenn im Alter Nahrung im Überangebot da ist, regt TOR die Zellen zu schädlichem Wachstum an. Gleichzeitig macht es die Zellen unsensibel gegen das Insulin, sodass der typische Altersdiabetes entsteht. Die Folgeschäden davon sind Nierenversagen und Herz-Kreislauf-Probleme.
Zudem bleibt der Großputz in den Zellen aus, sodass schädliche Ablagerungen zum Beispiel die Nervenzellen zerstören.
Wird das Wachstumssignal TOR dagegen mithilfe von Rapamycin blockiert, sieht das für den Körper so aus, als herrsche Futternotstand. Das wiederum erklärt, warum das Medikament genauso gut wirkt wie eine drastische Hungerkur.
Seit den Dreißigerjahren bekannt
Dass Hungern vor dem Altwerden schützt, ist schon seit den Dreißigerjahren bekannt. Neue, systematische Versuche von Forschern auf der ganzen Welt zeigten in den vergangen Jahren: Der sehr einfach organisierte Fadenwurm – Ceanorhabditis elegans – lebt mit Minimalernährung doppelt bis dreifach so lang. Die Taufliege – Drosophila melanogaster – verdoppelt mit einer Friss-die-Hälfte-Diät ihre Lebensspanne. Mäuse werden mit strikter Kalorienreduktion 30 bis 50 Prozent älter und bekommen deutlich weniger Tumore. Und eine jüngst abgeschlossene Studie am National Institute on Aging in den USA zeigte: Rhesusaffen – Macaca mulatta – macht die Hungerdiät gesünder bis ins hohe Alter, bringt aber keinen Gewinn an Lebenszeit.
Einige Menschen erproben die Strategie auch bei sich selbst. Doch die wenigsten halten so lange durch, dass die Effekte wissenschaftlich erfasst werden könnten. Der Grund: Die Extrem-Diät geht nur knapp an der Unterernährung vorbei. Als lebensverlängernde Standardernährung ist diese Rosskur deshalb kaum geeignet.