Studie zu Offshore-Plänen Windkraft auf See droht ein Desaster

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Kostenfalle Windpark

Mitarbeiter des Windanlagenbauers Nordex in Rostock: 2020 sollten sich Windräder mit einer Leistung von 10.000 Megawatt (MW) in Nord- und Ostsee drehen – zehn Jahre danach sollten sie eine Leistung bringen wie 25 große Kohlekraftwerke. Quelle: dpa

Kein Wunder, dass Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentralen, Schlimmes befürchtet: „Nach dem Solarboom droht den Verbrauchern beim Offshore-Wind die nächste Kostenwelle.“

Am Ende wird es vor allem Verlierer geben. Nicht einmal für die Windparkbetreiber selbst dürfte der vermeintliche Boom noch lohnenswert sein. Bard Offshore 1 etwa liegt drei Jahre hinter dem Zeitplan. Die Kosten für das Projekt haben sich von 1,5 auf etwa 3,0 Milliarden Euro verdoppelt. Selbst wenn der Park über eine Laufzeit von 20 Jahren rund 5,4 Milliarden Euro einbringt, bleibt laut wind:research nur ein Minigewinn übrig – wenn überhaupt.

Und überall türmen sich weitere Probleme. Besonders augenfällig wird das in Cuxhaven, wo sich Dutzende der tonnenschweren, über 20 Meter hohen Betonfundamente für Windräder stapeln. Andernorts liegen Türme, an denen später die Rotoren und Gondeln befestigt werden. Massenhaft totes Kapital. Eine ganze Industrie – deren Wertschöpfung in Deutschland wind:research bis 2020 auf 200 Milliarden Euro schätzt – droht auszutrocknen. Viele der Schwierigkeiten haben damit zu tun, dass Deutschland als einziges Land Windparks bis zu 100 Kilometer vor den Küsten baut, dazu noch in Wassertiefen von 50 Metern. So wollte die Politik Bürgerproteste von vornherein vermeiden.

Wie sich die Stromerzeugungskosten erneuerbarer Energien entwickeln Quelle: Frauenhofer ISE, BMU

Doch die Vorgabe macht die Anlagen zu den teuersten der Welt: Lange Kabeltrassen und Transportwege treiben die Kosten ebenso wie der aufwendige Bau von Spezialschiffen und für diese Wassertiefen geeigneter Fundamente. Zudem brauchen die Parks eigene Umspannstationen und Serviceplattformen. Reparaturen und Wartungen lassen sich bei diesen Entfernungen nicht von Land aus erledigen.

Deutschland wird als Standort unattraktiv

Bei alledem fehlt es auch an Erfahrung. Das zeigt zum Beispiel Nordsee-Ost, der erste Offshore-Windpark des Essener Energiekonzerns RWE. Der Betriebsbeginn des Meereskraftwerks verschiebt sich um mindestens 15 Monate, weil sich damit sogar Siemens überhoben hat.

Lenkdrachen soll Energie gewinnen
Sie sehen aus wie übliche Lenkdrachen, doch sollen sie zukünftig der Gewinnung von Windenergie dienen. Die Technische Universität Delft in den Niederlanden, deren Drache hier zu sehen ist, forscht seit Jahren im Kite Power Projekt an dieser Technologie und hat schon mehrere Prototypen getestet. 2015 könnten laut der Brandenburger Firma Enerkite die fliegenden Kraftwerke auch in Deutschland für Energie sorgen. Die Drachen fliegen dafür in 300 bis 600 Metern Höhe und zapfen dort die konstanten Windströme für die Stromgewinnung ab. Über ein Seil ist der Drache mit einer mobilen Bodenstation gekoppelt. Die Flugsteuerung sowie der Generator laufen per Autopilot. Im Gegensatz zu großen Windanlagen sind die „Energiedrachen“ flexibel einsetzbar, leise und auch noch günstiger. Quelle: Twitter
Die USA setzt ebenfalls auf Fluggeräte zur Energiegewinnung, doch diese ähneln eher einem Flugzeug. Windturbinen aus Glasfasern und Karbon machen dabei die Stromgewinnung in der Luft möglich. Die Forschung des kalifornischen Unternehmens Makani Power an der Airborne Wind Turbine wird unter anderem von Google bezuschusst. Die Turbine, die bis zu 600 Meter hoch fliegt, wird von einem Hauptseil gehalten, während die Luftenergie über ein anderes Seil zum Boden gelangt. Dabei fliegt die Windturbine kreisförmig und quer zum Wind, wodurch sie sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht. Der Prototyp kann sogar teilweise selbstständig den Flugmodus wechseln. Das Unternehmen plant die Windturbinen auch auf der See einzusetzen. Quelle: Twitter
Zumindest auf den Plänen der Konstrukteure bringen diese Windgeneratoren mehr Leistung als konventionelle Windmühlen. Der vertikale "Aerogenerator" wird auf hoher See installiert. Die Stromausbeute liegt bei 10 Megawatt, rund drei Megawatt mehr als die bisher größte Windanlage produziert. Die Spannweite kann nach Angaben des britischen Herstellers Windpower bis zu 230 Meter betragen. Dagegen sehen die bisher üblichen Windmühlen eher schlapp aus - die neuesten Anlagen der konventionellen Bauart sollen nämlich einen Rotorendurchmesser von "nur" 180 Meter haben. Texte: Miguel Zamorano Recherche: Andreas Menn Quelle: PR
Schaut wie eine Steinschleuder aus, ist aber ein Lenkdrache. Die Idee: der Kite-Segel der italienischen Firma Kite Gen ist an einem bewegbaren Arm an zwei Seilen befestig und wird dann auf eine Höhe von 800 bis 1000 Metern gebracht. Dort dreht der Winddrachen konstante Achten und treibt so die Turbine an. Der Vorteil: in mehr als 1000 Meter Höhe bläst der Wind konstanter als in Bodennähe. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h läge die Energieausbeute laut Hersteller bei drei Megawatt. 300 Drachen brächten so die Leistung eines Atomkraftwerks - und da der Wind in der Höhe nahezu durchgehend bläst, gäbe es keine großen Ausfallzeiten. Der Haken: Flugzeuge müssten das Gebiet umfliegen. Das scheint bei der hohen Verkehrsdichte am europäischen Himmel und der Größe der Lenkdrachen-Parks nicht praktikabel. Das Modell ist derzeit noch in der Erprobungsphase. Quelle: PR
Bläst der Wind, dreht sich der Ballon um die eigene Sache und treibt den Rotor an Quelle: PR
Die Windhelix eignet sich für große Eigenheime Quelle: PR
Diese Modell soll sich unauffällig in die Landschaft fügen- Quelle: PR

Im Glauben, den Bau der mächtigen Stationen zu beherrschen, in denen der Wechselstrom der Windräder für den Transport an Land auf Gleichstrom umgespannt wird, hatten sich die Münchner gleich vier Aufträge gesichert. Doch schnell zeigte sich, dass die Siemens-Ingenieure ihre Erfahrungen und Kapazitäten über- und die Komplexität der Technik unterschätzt hatten. Die Folge: Zwei der Plattformen werden ein Jahr zu spät fertig. Das Desaster bescherte dem Unternehmen im ersten Halbjahr 2012 einen Verlust von fast 500 Millionen Euro.

Viele Technologien müssen für die rauen Bedingungen auf See neu entwickelt werden. Die Versicherer kassieren für so viele Unwägbarkeiten satte Risikoaufschläge: Laut AGCS kann die Police eines 1,7 Milliarden teuren 400-MW-Windparks bis zu 34 Millionen Euro kosten – doppelt so viel wie die eines vergleichbaren Gaskraftwerks.

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