Deutsche Bank Wie John Cryan die Deutsche Bank retten soll

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Jain kündigte seinen Abgang an

Kurz nach der Hauptversammlung teilt Jain Fitschen und Achleitner mit, dass er gehen wird. Schon zehn Tage vor seinem offiziellen Abschied habe er einen Anwalt beauftragt, die Details für ihn zu regeln, sagt ein Insider. Für die Bank geht es nun darum, die Nachfolge mit der Finanzaufsicht abzustimmen. Letztlich ist es ein Abschied mit Anstand. Jain verzichte, so heißt es in seinem Umfeld, auf 16 Millionen Euro Gehalt, die ihm eigentlich zustehen würden.

Als die Aufsichtsräte Anfang Juni, zwei Tage vor dem entscheidenden Treffen, die Einladung zur Sitzung erhalten, ahnen sie schon, was die Stunde geschlagen hat. Das Treffen im Frankfurter Jumeirah-Hotel beginnt an jenem 9. Juni um 13 Uhr, es dauert kaum mehr als eine Stunde, es geht um Formalien, die Kontrolleure sollen nur noch zustimmen. Jain dankt für die Unterstützung. „Ich weiß, dass ich Ihnen viel zugemutet habe, vielleicht zu viel“, sagt er. Intensiver verabschiedet er sich von seinen Anhängern auf der Kapitalseite und von Betriebsratschef Alfred Herling. Der hatte ihn noch Ende Mai öffentlich gestützt, als Arbeitnehmervertreter per Flugblatt seinen Rücktritt forderten.

John Cryan sagt bei dem Treffen wenig. Der Aufsichtsrat legt ihn darauf fest, die neue Strategie umzusetzen. Personelle Veränderungen soll es vorerst nicht geben. „Cryan kennt die Vorstände und weiß, dass er mit ihnen arbeiten muss“, sagt ein Aufsichtsrat. Doch Insider spekulieren, das zumindest Jains engste Vertraute die Bank verlassen könnten. Dazu zählen Michele Faissola, Leiter der Vermögensverwaltung, Chefvolkswirt David Folkerts-Landau, Organisationsvorstand Henry Richotte und Colin Fan, Jains Nachfolger als oberster Investmentbanker in London.

Fragen bleiben offen

Auch wenn Jains Abgang folgerichtig ist, bleiben Fragen. „Warum verkündet der Vorstand erst eine neue Strategie und tritt dann sechs Wochen später zurück?“, fragt ein früherer Top-Manager der Bank. „Das ist alles andere als ein geordneter Prozess.“ Er verweist auf die Konkurrenten Credit Suisse und Standard Chartered, die ebenfalls kürzlich ihre Vormänner ausgetauscht haben – nach einer langen und diskreten Suche. „Das sieht nach einer Verzweiflungstat aus“, vermutet auch ein Londoner Bankenanalyst.

Der Anschein weckt Spekulationen, dass die wahren Gründe für Jains abrupten Abgang noch im Dunkeln liegen. Völlig überraschend kam das schlechte Ergebnis beim Aktionärstreffen nicht, „im Grunde war es vorher bekannt“, sagt ein Insider. Einige vermuten, dass die Aufsicht BaFin den Anstoß gegeben hat. Die hat kürzlich ihren Bericht zur Libor-Manipulation fertiggestellt, die Ergebnisse sind noch unbekannt. Ist Jain einer Abberufung durch die BaFin zuvorgekommen? Mehrere Aufsichtsräte verneinen das.

Und doch hat das angespannte Verhältnis zu den staatlichen Aufpassern eine Rolle gespielt. So war die Begründung der Libor-Strafe eine Ohrfeige für die Führung. „Da verhandeln sie über Jahre, und dann kommt heraus, dass sie nicht kooperiert haben“, sagt ein Aufsichtsrat. „So etwas darf es bei der Deutschen Bank nicht geben.“

Ähnlich ernüchternd war Anfang des Jahres ein Stresstest der US-Aufseher. Die Deutsche Bank hatte ihn nicht bestanden, weil ihre Risikosysteme nicht den Anforderungen entsprachen. Jain und Fitschen hatten nicht nur Probleme, die Bank neu auszurichten. Sie taten sich auch schwer, die internen Kontrollen zu verbessern.

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