Ex-Sparkassen-Filialleiter "Es war die totale Zerstörung meiner Person"

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Einzelfall oder alltäglicher Büro-Horror?

Freudling weiß bis heute nicht, warum er ins Visier seines Arbeitgebers geraten ist. Hat er einen Vorgesetzten kritisiert oder bloßgestellt? Hat er seine Arbeit schleifen lassen oder einen wichtigen Kunden enttäuscht – gar eine Lokalgröße aus der hiesigen Politik oder Wirtschaft? Die hätten sich dann bei seinen Chefs beschweren können, was ein karrieretechnisches Todesurteil gewesen wäre in einer kleinen Gemeinde wie Aichach und Inchenhofen. Bei allen diesen Vermutungen schüttelt Freudling den Kopf. Er mag keine Verschwörungstheorien. „Ich kann es mir einfach nicht erklären“, sagt er. „Aber es war die totale Zerstörung meiner Person.“ Denn mit der Vorgeschichte kann er auch bei einer anderen Bank nicht mehr unterkommen.

Wo die zufriedensten Bankkunden leben
Santander Quelle: REUTERS
Platz 31: Vereinigte Arabische Emirate Überaus unzufrieden scheinen auch die Bankkunden der Vereinigten Arabischen Emirate zu sein. Im Ranking belegen diese mit 66,6 Punkten, wie auch schon 2015, den vorletzten Platz. Quelle: dpa
Platz 30: MexikoFür das Ranking wurden 16.000 Kunden aus 32 Ländern befragt. Neben diesen Ergebnissen basiert der Report auf qualitativen Daten aus ausführlichen Interviews mit Bankmanagern. Mexiko liegt ebenfalls auf einem der hinteren Plätze. Quelle: REUTERS
Platz 29: JapanBei der Befragung des Vorjahres hielten die japanischen Banken die rote Laterne. 2016 sind die Kunden etwas gnädiger. Rund acht Punkte machen die Japaner gut und rücken damit auf Platz 29. Quelle: REUTERS
Platz 28: ArgentinienDrei Plätze runter geht's für die argentinischen Banken: auf Rang 28. Quelle: REUTERS
Platz 5: SchweizDie Schweizer Banken können im Jahr 2016 die amerikanischen Banken vom fünften Platz verdrängen. Mit 80 Punkten machen sie 6,3 Punkte gut. Quelle: REUTERS
Platz 4: GroßbritannienEin Zuwachs um 0,2 Punkte reicht für Großbritanniens Banken aus, um sich vor die Schweiz auf den vierten Platz zu positionieren. Quelle: REUTERS

Mag sein, dass der dunkelhaarige Brillenträger mit seiner gemütlich wirkenden Figur aus Sicht seines ehemaligen Arbeitgebers nicht mehr ins Bild des agilen Kundenberaters passte. Doch wer mit Freudling spricht, merkt nichts von übertriebener Gemütlichkeit. Mit Leidenschaft setzt er sich für sein Anliegen ein, behält aber gleichzeitig die Beherrschung – eine Charaktermischung, über die sich eigentlich jeder Chef freuen sollte. Es sieht so aus, als ob die Sparkasse nicht in der Lage war, Freudlings Akribie und Ausdauer für sich als Arbeitgeberin zu nutzen.

Halbherzige und desinteressierte Reaktionen

Die Institutionen und Personen, die Freudling auf seiner verzweifelten Suche nach Hilfe und Anerkennung seines Schicksals abklapperte, reagierten halbherzig bis desinteressiert. Der naheliegende Abwinkreflex all jener, die vermeintlich besseres zu tun hatten: Ein Einzelfall, ein Fall für die Arbeitsgerichte. Man kann das so sehen. Man kann Freudling aber auch zuhören und sich über die widersprüchlichen Reaktionen wundern, mit denen er konfrontiert wurde. Sie haben nichts zu tun mit der Fairness gegenüber Gesellschaft und Mitarbeitern, die sich die deutschen Sparkassen auf die Fahnen geschrieben haben.

Ist Markus Freudling nur ein bedauerlicher Einzelfall, dem besonders übel mitgespielt wurde? Oder steht seine Geschichte stellvertretend für den ganz normalen Wahnsinn, der sich täglich in zahllosen deutschen Büros abspielt? Darüber gibt es keine Statistik, kein abschließendes Urteil. Extrembeispiel oder Berufsalltag – in beiden Fällen sollte man sich die Geschichte anhören. Denn sie hat etwas, das hervorsticht. Das Hervorstechende besteht erst einmal darin, dass der Fall sich überhaupt schildern lässt. Möglich ist das nur dank Freudlings Akribie.

Er hat seinen langen Marsch lückenlos dokumentiert, hat Belege, Mails und Briefe aufgehoben, eingescannt und abgeheftet. Unter den Dokumenten findet sich sogar die Rechnung des Gerichtsvollziehers, den sein Anwalt extra in die Bank schicken musste, um die augengerechte Einrichtung von Freudlings Arbeitsplatz zu prüfen. So absurd die Wendungen seiner Geschichte klingen mögen, sie sind belegt.

Freudling hat seinen Fall sogar bis ins Parlament getragen, vor den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags. Er ließ sich nicht entmutigen und gab sich so beharrlich für die Sache, wie Chefs sich ihre Mitarbeiter sonst eigentlich wünschen sollten.

Das Arbeitsgericht Augsburg, vor dem sich die Streitparteien wieder und wieder auseinandersetzen, kassiert eine Abmahnung nach der anderen. Doch die juristischen Siege retten Freudling nicht. Jetzt geht der Kampf seines Arbeitgebers gegen ihn erst richtig los. Man steckt ihn in Schulungen, zu deren Zielgruppe er als berufserfahrener Mitarbeiter nicht passt. Darunter ein Basisseminar für Auszubildende, im internen Jargon als „Lehrlingsschulung“ bezeichnet oder ein Work-Life-Balance-Seminar für Rückkehrerinnen aus dem Mutterschutz. Freudling wird klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Zermürbt willigt er Anfang 2013 in die Aufhebung seiner Beschäftigung ein. Die Weihnachtsfeiertage verbringt er wie in Trance, bis er sich im Januar 2014 entschließt, etwas zu unternehmen.

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