Wenn bei einem Formel-1-Rennen die Startampel auf Grün schaltet und die Boliden losrasen, steht von vornherein fest, wie viele Runden zu fahren sind. Am Ende gibt es einen Sieger, zwei weitere Podiumsplatzierte und jeder Fahrer weiß, auf welcher Position er ins Ziel gekommen ist. Einer ist immer Letzter.
Der Nürburgring, einer der traditionsreichsten F1-Kurse der Welt, entwickelt sich allerdings selbst gerade zum Endlos-Desaster. Wie viele Runden noch gefahren werden ist dabei genauso offen wie die Frage, ob es überhaupt einen Sieger geben wird – und wie viele Verlierer.
Klar ist nur, welches Thema die nächste Runde bestimmt: Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft Ermittlungen gegen Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser aus Koblenz und Sanierungsgeschäftsführer Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt aus Trier, die den Verkauf des Nürburgrings im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG organisiert haben. Das bestätigt der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse auf Anfrage der WirtschaftsWoche: Eine Anzeige sei eingegangen, es werde aber noch geprüft, ob gegen das Duo ermittelt wird.
Das US-Technologieunternehmen Nexovation – einer der unterlegenen Bieter – hatte im Februar Anzeige wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue gegen Lieser und Schmidt erstattet. Die beiden weisen die Vorwürfe zurück. Sieger im Verkaufsprozess war ein Bietergespann aus dem Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn und der Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring. Doch die vor dem Gläubigerausschuss der insolventen Nürburgring GmbH behauptete Transaktionssicherheit des Angebots ist mehr als fraglich.
Zahlungsausfall nach vier Monaten
Capricorn konnte nur vier Monate nach dem Zuschlag bereits die zweite Kaufpreisrate nicht zahlen. Schlimmer noch: Die Pleite-Profis Lieser und Schmidt sollen das Gremium vor der Abstimmung über die Belastbarkeit einer Finanzierungszusage der Deutschen Bank getäuscht haben, so der Vorwurf von Nexovation in der Anzeige. Die Insolvenzverwalter lassen dazu auf Anfrage mitteilen: „Einen angeblichen Täuschungsvorwurf können wir nicht erkennen.“
Doch nicht nur wegen der drohenden Ermittlungen gegen die selbst ernannten „Ring-Sanierer“ wird die Lage am Nürburgring immer brenzliger. Ob das für Juli geplante Formel-1-Rennen auf dem Nürburgring stattfinden wird, steht nach monatelanger Hängepartie mit F1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone in den Sternen. Auch das nach dem Abzug von Marek Lieberbergs „Rock am Ring“ gemeinsam mit dem Berliner Konzertveranstalter Deag AG neu initiierte Festival „Der Ring – Grüne Hölle Rock“ droht als Millionenflop zu enden.
Formel 1 und Rockfestival sind in erster Linie Probleme des neuen Haupteigentümers – nach dem Zahlungsausfall von Capricorn hat im Herbst ein Konsortium um den russischen Pharmamagnaten Viktor Charitonin die Anteile übernommen. Der fängt dem Vernehmen nach schon an, sich über den Deal zu wundern. Und auch im Gläubigerausschuss sind Unmut und Verwunderung groß.
Lieser und Schmidt haben viel zu erklären zum Capricorn-Deal. Für offiziell ausgewiesene 77 Millionen Euro Kaufpreis ging der Zuschlag an Capricorn und Getspeed. 15 Millionen davon waren in drei Raten zu je fünf Millionen Euro als Eigenkapitalanteil zu zahlen, weitere 45 Millionen sollen als Closing-Rate fließen, sobald die EU-Kommission den Deal rechtskräftig abgesegnet hat. Sie hatte wegen Investitionen des Hauptgesellschafters Rheinland-Pfalz in Höhe von einer halben Milliarde Euro ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Sechs Millionen wurden als pauschales Jahresergebnis 2014 verrechnet, weitere elf Millionen Euro sind gestundet und sollen in Raten abgestottert werden.
Wie Insolvenzverwalter und KPMG versagten
Der Knackpunkt ist die Fremdkapital-Rate von 45 Millionen Euro. Zu diesem, dem größten Bestandteil des Capricorn-Angebots wurde den Mitgliedern des Nürburgring-Gläubigerausschusses in der für den Zuschlag entscheidenden Sitzung am 11. März vergangenen Jahres laut Protokoll mitgeteilt: „Die Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank AG ist banküblich und valide.“
Eine höchst fragwürdige Bewertung des englischsprachigen Papiers, das der WirtschaftsWoche inzwischen vorliegt. Die Deutsche Bank hat einen fünfseitigen Brief mit beigefügter Konditionsübersicht („Term Sheet“) an Capricorn geschickt. Gleich im ersten Absatz des Briefes behält sich die Deutsche Bank vor, die Inhalte des Briefs oder des Term Sheets jederzeit zu ändern, zu ergänzen oder zu ersetzen.
Als Voraussetzungen dafür, dass die Deutsche Bank das Kreditengagement eingeht, nennt die Bank im begleitenden Brief unter anderem die Verhandlung und den Abschluss, die Ausführung und Dokumentationszulieferung für jeden Part der Transaktion. Weiterhin fordert die Deutsche Bank als Voraussetzung für den Kredit, dass sich ihre Einschätzung („opinion“) über so ziemlich alles, was am Nürburgring passiert, nicht noch wesentlich ändert – über das Geschäft, über die Vermögenswerte oder die Finanzverhältnisse der Bietergesellschaft zum Beispiel, oder über die Entwicklung der Nürburgring-Ergebnisse 2014 im Vergleich zu den vorgelegten Planzahlen.
Mehrfach verweist das Begleitschreiben auf das beigefügte Term Sheet, in dem dann seitenweise Bedingungen genannt werden, die als Voraussetzung für den Kredit erst noch zu erfüllen sind. Darunter sind erhebliche finanzielle Anforderungen, 15 Millionen Euro Eigenkapital für den Kauf, eine Garantie von Capricorn-Chef Robertino Wild über 20 Millionen Euro, zwei Kreditraten auf einem Sicherheitskonto. Unter den Bedingungen sind auch etliche Dokumentationspflichten – und manche Bedingungen, die Wild schon gar nicht mehr erfüllen konnte, als die Deutsche Bank das Term Sheet am 10. März ausstellte.
So forderte die Deutsche Bank die private Kunstsammlung von Wild als Sicherheit für den Kredit. Diese war aber bereits anderweitig verpfändet – was Anfang dieses Jahres in anderem Kontext für Schlagzeilen sorgte, als die Staatsanwaltschaft Koblenz für eine Razzia bei Wild aufkreuzte. Die bereits beliehene Kunstsammlung hatte Wild nämlich später auch noch den Insolvenzverwaltern als Sicherheit für eine Stundung der ausgefallenen zweiten Kaufpreisrate gegeben.
"Nur zu Diskussionszwecken"
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Kreditbetrug eingeleitet. Wilds Sprecher hat den Sachverhalt seinerzeit dem Grunde nach bestätigt, wies aber jede Betrugsabsicht zurück. Wild sei einem „Verbotsirrtum“ erlegen, weil der Wert der Kunstsammlung über der Summe der beiden Verpfändungen liege. Dass die zweite Eigenkapitalrate schon scheiterte, weckt jedoch auch Zweifel daran, dass Wild jemals in der Lage gewesen wäre, die Finanzanforderungen der Deutschen Bank zu erfüllen. Für die Bank waren 15 Millionen Euro Eigenkapital ebenfalls Voraussetzung.
Das einen Tag vor dem Zuschlag ausgestellte Term Sheet hat allerdings noch mehr Lücken. Es ist als Entwurf (Draft) gekennzeichnet und als indikative – also noch nicht verbindliche – Vereinbarung zu den Konditionen überschrieben. Gleich auf der ersten Seite weist die Deutsche Bank darauf hin, dass die interne Zustimmung der Gremien noch eingeholt werden muss, und dass am Ende des Term Sheet noch ein „wichtiger Hinweis“ zu beachten sei.
Dieser Hinweis hält fest, das Papier sei „ausschließlich zu Diskussionszwecken und nicht dazu gedacht, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zwischen uns zu begründen“. Die „Important Notice“ im Englischen Original: „This term sheet is for discussion purposes only and is not intended to create any legally binding obligations between us.“ Da ist es fast schon müßig, dass die Deutsche Bank ein paar Zeilen weiter unten auch noch klar stellt, „keinerlei Haftung für jegliche direkten, [indirekt] folgenden oder sonstigen Verluste zu akzeptieren, die aus dem Vertrauen auf das Dokument resultieren.“
Für Lieser, Schmidt und KPMG war das eine valide Finanzierungsbestätigung. Wer genau vor den Mitgliedern des Gläubigerausschusses behauptet hat, die Bestätigung sei valide, ist in dem Protokoll der Sitzung nicht vermerkt. Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll es Sachwalter Lieser gewesen sein.
Der Sprecher der Insolvenzverwalter, Pietro Nuvoloni von der Kölner PR-Agentur Dictum Law, teilt dazu auf Anfrage mit: „Die Finanzierungsbestätigung des Bieters wurde, als Ergebnis der gemeinsamen Diskussion von Verwaltern und Beratern, als banküblich und valide eingeschätzt.“ Es habe sich nicht um eine Einzeleinschätzung von Lieser gehandelt. Wer die Aussage getroffen hat, sagt er nicht. Auch auf die kritischen Punkte der vorgeblichen Finanzierungsbestätigung geht er in der Stellungnahme mit keinem Wort ein.
KPMG in Erklärungsnot
Kritische Fragen müssen sich neben den Insolvenzverwaltern vor allem die Berater von KPMG gefallen lassen. Ein KPMG-Sprecher wollte mit Verweis auf die „gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“ keine Stellungnahme abgeben, wie die Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank geprüft und bewertet wurde.
Ein anderes Statement ist dafür im Protokoll der Gläubigerausschusssitzung namentlich vermerkt. KPMG-Berater Alexander Bischoff sagte demnach, dass „es sich beim Angebot um Capricorn um das wirtschaftlich beste Angebot handelt. Das einzige Risiko bei Capricorn ist das Risiko der Beihilferückforderung und dass bis 15. Dezember 2014 keine Beihilfeentscheidung vorliegt.“ In der Zwischenzeit hat sich jedoch gezeigt, dass bei Capricorn noch weitaus größere Risiken schlummerten, als KPMG erkannt hatte.
KPMG blamierte sich zudem bereits in einer früheren Phase des Verkaufsprozesses, als die Spezialisten das 275-Millionen-Fantasieangebot eines angeblichen Hongkonger Bieters nicht als solches erkannten. Sie gestatteten dem flunkernden Filou Zutritt zum sogenannten Datenraum, wo er Zugriff auf vertrauliche Dokumente und Geschäftsgeheimnisse des Nürburgrings hatte.
Kein Wunder also, dass die Mitglieder des fünfköpfigen Nürburgring-Gläubigerausschusses zu gerne wüssten, wie KPMG zu seiner Risikoeinschätzung für das Capricorn-Angebot gekommen war, wie die Bonität von Capricorn und die Finanzierungssicherheit der Transaktion von KPMG geprüft worden sind. Doch KPMG weicht den unangenehmen Fragen offensichtlich aus.
Ein Sitzungsprotokoll mit Brisanz
Mehrfach stand das Thema schon auf der Agenda, doch bisher gab es keine Informationen für die Mitglieder des Gläubigerausschusses. Bei der jüngsten Sitzung des Gremiums am 2. März etwa sagte Bischoff seine Teilnahme aus privaten Gründen kurzfristig ab. „KPMG kneift und drückt sich mit immer neuen Ausflüchten davor, Rechenschaft über die eigene Arbeit abzulegen“, kritisiert eine mit der Angelegenheit vertraute Person. KPMG äußerte sich auf Nachfrage zu diesem Vorwurf nicht.
Dabei mussten sich die Gläubigerausschussmitglieder und ihre Anwälte auf die im Ausschuss vorgetragenen Angaben verlassen. In einer Hauruck-Aktion hatten die Insolvenzverwalter die Mitglieder am Nachmittag des 10. März für den Folgetag ab acht Uhr zur Sitzung einbestellt. Weder eine umfassende Vorbereitung noch eine sorgfältige Prüfung der Angebote waren da noch möglich.
Lieser und Schmidt beteuern auf Anfrage der WirtschaftsWoche: „Dem Gläubigerausschuss lagen alle zur Entscheidungsfindung maßgeblichen Unterlagen vor, darunter selbstverständlich auch die Finanzierungsbestätigungen der Bieter. Im Übrigen wurden die Mitglieder des Gläubigerausschusses auch vollumfänglich mündlich in der Ausschusssitzung informiert und ihre Fragen beantwortet.“
Das Protokoll der Sitzung liest sich allerdings etwas anders. Es dokumentiert, dass den Mitgliedern ein Berg voll Dokumenten vorgeknallt worden ist. Und hält dann fest: „Aufgrund der Kürze der Zeit war es den Mitgliedern des Gläubigerausschusses nicht möglich, alle Unterlagen intensiv zu sichten. Daher werden alle entscheidungserheblichen Punkte durch die Berater, Geschäftsführer sowie Sachwalter umfänglich dargestellt und in der Beschlussvorlage sowie im Protokoll festgehalten […].“ Das Protokollergebnis ist bekannt: Die Finanzierungszusage sei banküblich und valide.
Kontrollinstanzen versagen
An den Tricksereien gegenüber dem Gläubigerausschuss lässt sich erkennen, wie Lieser und Schmidt arbeiten, wie die Insolvenzverwalter ticken, mit welchen Methoden sie vorgehen. Und wie die Kontrollinstanzen kollektiv versagen.
Die erste Instanz ist der Gläubigerausschuss, der laut Insolvenzordnung dafür zuständig ist, „zu unterstützen und zu überwachen“. Der Gläubigerausschuss wurde allerdings hohem Zeitdruck ausgesetzt und mit fragwürdigen Informationen versorgt. Darüber hinaus stehen Insolvenzverwalter und Sachwalter bei Insolvenzen in Eigenverwaltung (wie im Nürburgring-Fall) laut Insolvenzordnung „unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen.“
Doch Jürgen Powolny, Direktor des Amtsgerichts Ahrweiler als zuständigem Insolvenzgericht, will über die Capricorn-Finanzierung offensichtlich den Mantel des Schweigens decken. Nach ersten Anfragen der WirtschaftsWoche zur Finanzierungssicherheit antwortete er im vergangenen Herbst: „Die Details der Finanzierung des Kaufpreises durch die Erwerberin sind nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Dies gilt auch für Abwägungsprozesse bei Verkaufsentscheidungen unter Beteiligung des Gläubigerausschusses. Das Gericht übt seine Aufsicht gemäß § 58 InsO aus und informiert sich in dem gebotenen Umfang über den Verfahrensstand im Veräußerungsprozess. Einzelheiten unterliegen nicht der Veröffentlichung.“
Als die WirtschaftsWoche nun konkrete Fragen zur mittlerweile vorliegenden Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank stellte, blockt Powolny direkt ab: Die erneute Anfrage entspreche inhaltlich weitgehend der vom vergangenen Herbst, die seinerzeit schon „abschließend beantwortet“ worden sei. „Eine weitergehende Auskunft wird nicht erteilt.“ Ob er geprüft hat, was er geprüft hat, wie er seiner Aufsichtspflicht im Falle der Finanzierungsbestätigung nachgekommen ist: Zu alledem will Powolny sich nicht äußern.
Die fatale Langfristwirkung der Ära Beck
Hinter Gläubigerausschuss und Insolvenzgericht steht allerdings in diesem Fall noch eine besonders lange Kette vom Land über die Bundesregierung bis zur EU-Kommission, die 2012 ein Beihilfeverfahren eingeleitet hatte. Grund waren irrsinnige Investitionen von rund einer halben Milliarde Euro des Landes Rheinland-Pfalz als damaligem Hauptgesellschafter der Nürburgring GmbH in der Ära von Kurt Beck (SPD). Er ließ monströse Betonruinen in die Eifel setzen, eine Achterbahn, einen Shopping-Boulevard, Business- und Kongresszentren und manches andere, deren Gewinne eigentlich die Formel-1-Defizite ausgleichen sollten, deren Verluste aber letztlich den Nürburgring in die Insolvenz trieben.
Am 1. Oktober vergangenen Jahres fällte die Kommission eine Entscheidung. Tenor: Fast alle Beihilfen des Landes für den Nürburgring waren illegal, aber der Verkaufsprozess genügte europarechtlichen Anforderungen. Das Verfahren sei offen, transparent, bedingungs- und diskriminierungsfrei gewesen, der Käufer müsse damit nicht für die Beihilfen haften.
Hat die Kommission sorgfältig geprüft? Ja, sagt eine Sprecherin von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, und zwar „auf Basis der von der deutschen Regierung vollständig gelieferten Informationen“. Ja, sagen auch die Insolvenzverwalter – was zudem ihre Einschätzung der Finanzierungsbestätigung stütze und die Vorwürfe von Nexovation widerlege. Der Sprecher der Pleite-Profis schreibt, die Beurteilung der Finanzierungsbestätigung „wurde nach intensiver Prüfung über mehrere Monate bekanntlich durch die Europäische Kommission bestätigt. Der Kommission lagen dazu auch die Unterlagen vor.“
Doch es gibt Zweifel, einiges deutet darauf hin, dass die Insolvenzverwalter die Kommission mindestens grenzwertig informiert haben. Nach Angaben der Insolvenzverwalter, heißt es da an einer Stelle, sei die Fremdfinanzierung von Capricorn durch eine „geschäftsübliche Finanzierungsbestätigung“ der Deutschen Bank unterlegt worden. An anderer Stelle wird die Stellungnahme zu einer Beschwerde unterlegener Bieter wiedergegeben, dort heißt es, Deutschland mache geltend, dass „die Deutsche Bank ihr Finanzierungsangebot nach einer umfassenden rechtlichen und finanziellen Due Diligence bestätigt und ihre Finanzierungsbestätigung nie aufgehoben habe.“
Unrichtige Informationen für die Kommission?
Das ist eine reichlich irreführende Information, statt Bestätigung ist plötzlich nur noch von einem Angebot die Rede, verbindlich war es obendrein nicht und wurde zwar nicht gekündigt, war aber schlicht ausgelaufen, weil es nicht erfolgreich zu Ende verhandelt und unterschrieben wurde. „Die Stellungnahme entsprach den Tatsachen. Die Europäische Kommission wurde darauf hingewiesen, dass die Transaktionssicherheit ausreichend war“, sagt der Sprecher der Insolvenzverwalter. „Sie hat sich intensiv mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und ist zu keinem gegenteiligen Ergebnis gekommen.“
Interessant ist aber auch, wie die Statements Deutschlands zustande kamen. Offizieller Ansprechpartner der Kommission ist immer die Bundesregierung. Diese empfängt die Auskunftsersuchen der EU, leitet diese dann bei Sachen, die nicht den Bund betreffen, an das entsprechende Bundesland weiter. Das Bundeswirtschaftsministerium will sich zur Frage, ob die Behörde die aus Rheinland-Pfalz erhaltenen Dokumente vor der Weiterleitung nach Brüssel geprüft hat, nicht äußern.
„Da der Beschluss noch nicht veröffentlicht wurde, handelt es sich nach wie vor um ein laufendes Verfahren“, teilt das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit, man könne daher zu den Fragen keine Stellung nehmen. Das Land, das für die Beantwortung der Auskunftsersuchen aus Brüssel verantwortlich ist, hat die Aufgabe an die Insolvenzverwalter delegiert und diese die Stellungnahmen verfassen lassen. Vom Land wurden sie dann an die Bundesregierung geschickt.
Die Finanzierungsbestätigung hat aber offensichtlich auch im für den Nürburgring zuständigen Landesinnenministerium von Roger Lewentz (SPD) niemand genauer unter die Lupe genommen. „Die Verwalter haben der Kommission am 25.04.2015 die Finanzierungsbedingungen der Deutschen Bank dargelegt“, teilt Lewentz' Sprecher mit. „Es war nicht Aufgabe der Landesregierung die diesbezüglichen Wertungen der Verwalter durch eigene zu ersetzen.“
Vestagers merkwürdige Antworten
Die EU-Kommission selbst gibt auf Nachfragen nur nebulöse Antworten. Ihre Aufgabe sei es gewesen, zu prüfen, „ob ein Mechanismus für ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Verkaufsverfahren geschaffen wurde, der sicherstellte, dass die Vermögenswerte des Nürburgrings zum Marktwert veräußert wurden.“ Unter der Kontrolle, ob ein solcher Mechanismus eingesetzt wurde, versteht die Kommission aber offensichtlich nicht, hinterher auch zu prüfen, ob die tatsächliche Durchführung des Prozesses den Anforderungen genügte.
„Die Durchführung des Verkaufsprozesses und die Auswahl des besten Angebots oblag den Insolvenzverwaltern und dem Gläubigerausschuss nach deutschem Insolvenzrecht, und nicht der EU-Kommission“, so die Sprecherin von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager weiter. Auf Nachfragen rudert sie dann zurück: Natürlich sei auch die Durchführung relevant, nach der Analyse der Kommission seien die Bedingungen erfüllt gewesen. Auf die Frage, ob die Kommission auch die Finanzierungsbestätigung vorliegen und geprüft habe, gibt sie allerdings keine Antwort.
Ähnlich merkwürdig äußerte sich ihre Chefin Vestager selbst in einem Brief an ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm. Er ist zugleich Chef des Vereins Ja zum Nürburgring e.V., der mehrere Beschwerden bei der Kommission eingereicht hat und ebenfalls mit Klage gegen den Beschluss droht. „Den Zuschlag erhielt Capricorn als Höchstbieter mit ausreichender Zahlungssicherheit“, schreibt Vestager, „die diesbezügliche Prüfung oblag dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss und stand nicht unter Aufsicht der Kommission.“ Da drängt sich die Frage auf, worauf Vestager ihre Einschätzung stützt, dass Capricorn „Höchstbieter mit ausreichender Zahlungssicherheit“ gewesen sei – doch auf diese Frage geht die Sprecherin der Kommissarin in ihrer Antwort nicht ein.
Die Kommission hat offensichtlich Schwierigkeiten, schlüssige Begründungen für ihr Vorgehen zu finden. Kritik an ihrer Arbeit gibt es schon länger. „Den Beschluss kann man im besten Falle kurios nennen, im schlimmsten Falle skandalös“, sagt Werner Langen, der seit mehr als 20 Jahren als CDU-Abgeordneter den Wahlkreis Koblenz – in dem auch der Nürburgring liegt – im Europaparlament vertritt. Er wirft dem früheren Wettbewerbskommissar, dem spanischen Sozialisten Joaquin Almunia, schon vor, der SPD-geführten Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit dem Beschluss ein Geschenk gemacht zu haben.
„Höchste Zeit, den Fall neu aufzurollen“
„Genossenfilz“ schimpfte Langen über das Vorgehen von Almunia, der habe sich auf ein „Lügengebäude der Konkursverwalter“ Lieser und Schmidt verlassen. Die unterlegenen Bieter werfen der Kommission in diversen Beschwerden ebenfalls vor, ihre Entscheidung auf Grundlage unrichtiger Informationen getroffen zu haben.
Sie haben angekündigt, mit Klagen vor den Europäischen Gerichten gegen die Entscheidung vorzugehen. Bisher allerdings ist der Beschluss noch nicht veröffentlicht, ab dann läuft die Klagefrist, ein Verfahren dürfte Jahre dauern. Die Insolvenzverwalter Lieser und Schmidt haben zur drohenden juristischen Hängepartie nicht viel zu sagen: „Zu den Beschwerden beziehungsweise angekündigten Klagen unterlegener Bieter äußern wir uns nicht.“
Geht es nach Langen, sollte es aber gar nicht erst zu Klagen kommen. „Es ist höchste Zeit, dass die Kommission den Fall noch einmal neu aufrollt. Die Kommissarin ist gefordert, sich persönlich darum zu kümmern“, sagt der CDU-Parlamentarier. „An diesem Verfahren war von Anfang an jede Menge schief, aber die Kommission verschließt die Augen vor den Missständen. Frau Vestager hat jetzt die Chance, die Mauscheleien ihres Vorgängers Almunia zu korrigieren.“