Raus-aus-der-Pleite.de: kurz vor Jahresende landet Unister-Insolvenzverwalter Lucas Flöther von der Kanzlei Flöther & Wissing einen Coup. Er hat einen Käufer für das Kerngeschäft des im Sommer havarierten Leipziger Internet-Konzerns gefunden. Zum 31. Januar übernimmt die tschechische Investment-Gruppe Rockaway Capital SE den Reisebereich von Unister mit den Reiseportalen Ab-in-den-Urlaub.de, fluege.de, urlaubstours.de, reisen.de, billigfluege.de, reisegeier.de, hotelreservierung.de und TravelViva.
Damit sei „die Grundlage geschaffen, die Reiseportale wieder zu alter Stärke zurück zu führen“, sagte Flöther der WirtschaftsWoche. Rockaway wolle den Standort Leipzig auszubauen, so Flöther. Die Beteiligungsgesellschaft ist spezialisiert auf den Kauf und die Entwicklung von Online-Geschäftsmodellen.
Neben dem Verkauf des Reisebereichs wurde auch die Unister-Tochter shopping.de verkauft. „Für die verbleibenden Unister-Gesellschaften läuft der Investorenprozess weiter“, sagte Flöther. Im Unister-Insolvenzverfahren würden nun vor allem die Prüfung von Anfechtungsansprüchen und die Aufarbeitung der Buchhaltung in den Vordergrund rücken. Die Investorenlösung wird zur Zeit (ab 9.30 Uhr) den Unister-Beschäftigten im großen Sitzungssaal im Rathaus Leipzig vorgestellt.
Die Unister-Insolvenz - Ein Wirtschaftskrimi?
Der Fall ist mysteriös - und klingt nach einem Wirtschaftskrimi: Selfmade-Millionär und Gründer des Leipziger Internetunternehmens Unister, Thomas Wagner, stürzt am 14. Juli 2016 mit einer Privatmaschine in Slowenien ab. An Bord Bargeld. Kurz darauf meldet die Holding Insolvenz an, ebenso ein Tochterunternehmen. Schon seit Jahren wird über wirtschaftliche Schwierigkeiten spekuliert. Viele Fragen sind offen.
Quelle: dpa
Zum Absturz könnte Vereisung an der einmotorigen Maschine beigetragen haben. Entsprechende Probleme hatte der 73-jährige Pilot der slowenischen Flugkontrolle gemeldet. Slowenische Medien spekulierten, dass die gecharterte Privatmaschine deutlich oberhalb der für diesen Typ üblichen Flughöhe von 5000 Metern unterwegs gewesen sein dürfte. Die Untersuchungen des Wracks laufen noch, auch unter Beteiligung deutscher Behörden.
Neben Firmengründer und Unister-Hauptanteilseigner Wagner (38) auch der Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), ein 65-jähriger Mann und der Pilot.
Wagner und sein Kompagnon wollten sich in Venedig mit potenziellen Investoren treffen, wie Unister mitgeteilt hat. Dabei sollen sie betrogen worden sein. Die slowenische Polizei berichtete von Dokumenten an Bord der Unglücksmaschine, die darauf hinwiesen, dass Wagner „um eine größere Summe geschädigt wurde“. In Medienberichten wird über die Investoren und untergeschobenes Falschgeld spekuliert, offiziell bestätigt ist nichts. Auch die Herkunft der an der Unglücksstelle gefundenen 10.000 Schweizer Franken in bar ist unbekannt.
Wagner galt zeitweise als ostdeutscher Vorzeige-Unternehmer, später gerieten Geschäftspraktiken von Unister immer wieder in die Kritik. Die letzte veröffentlichte Bilanz der Unister Holding stammt von 2011. Ihr alleiniger Geschäftsführer war Wagner, der alle Fäden in den Händen hielt. 2002 hatte er Unister als 23-Jähriger in Leipzig ursprünglich als Studententauschbörse gegründet und das Start-up auf einen rasanten Wachstumskurs geführt. 2015 war dann von Stellenstreichungen die Rede, 30 Millionen Euro pro Jahr sollten eingespart werden.
Unter dem Dach der Unister Holding GmbH fand sich eine Vielzahl von Firmen, die mehr als 40 Internetportale unter anderem zu den Themen Reisen, Nachrichten, Immobilien oder Partnervermittlung betreiben - darunter beliebte Seiten wie fluege.de, ab-in-den-urlaub.de, news.de oder partnervermittlung.de. Insgesamt arbeiteten mehr als 1000 Beschäftigte für die Unternehmensgruppe.
Bis zu seinem Tod hielt Wagner rund 40 Prozent der Anteile und war damit Hauptgesellschafter Unister Holding. Der Rest verteilt sich nach Firmenangaben auf die vier Mitgründer - darunter Schilling, der ebenfalls beim Absturz ums Leben kam - sowie eine Firma namens Opus30 Vermögensverwaltungsgesellschaft.
2012 geriet Unister ins Visier der Justiz. Wagner und drei weitere Manager wurden unter anderem wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte und Steuerhinterziehung angeklagt. Unister wies die Vorwürfe stets zurück. Zum Prozess kam es bisher nicht, weil das Landgericht Leipzig derzeit eine weitere Klage prüft.
Vorangegangen waren wochenlange Verhandlungen und eine nächtliche Sitzung der Beteiligten, um die Verträge rechtzeitig unter Dach und Fach zu bekommen. Der Gläubigerausschuss hatte dem Deal bereits Anfang der Woche zugestimmt.
Nach dem Tod der beiden Unister-Gesellschafter Thomas Wagner und Oliver Schilling bei einem Flugzeugabsturz im Juli hatten die Unister Holding sowie mehrere Tochtergesellschaften Insolvenz angemeldet. Zum Konzern gehörten insgesamt mehr als 40 Internetportale, darunter neben den Kernmarken fluege.de und ab-in-den-urlaub.de auch verschiedene andere Angebote unter anderem im Auto- und Immobilienbereich.
Ursprünglich wollte Flöther die Portale möglichst schnell verkaufen. "Unister braucht rasch einen Investor, aber wir werden auch keinen Notverkauf durchführen", hatte Flöther direkt nach der Insolvenz im Interview mit der WirtschaftsWoche angekündigt. Wenig später war ein Team der Investmentbank Macquarie um Max Mayer-Eming mit der Investorensuche beauftragt worden. Als Rechtsberater waren zudem die Juristen Jan Hückel und Uwe Goetker von McDermott Will & Emery involviert.
Doch die Interessenten boten zunächst offenbar nur Schnäppchenpreise für die Unister-Teile. Flöther pokerte weiter – und baute parallel den Konzern um. Er konzentrierte die Unternehmensgruppe auf die aussichtsreichsten Geschäftsfelder Flug und Touristik und reduzierte die Marketingausgaben. Im November verkaufte er mit kurz-mal-weg.de das erste kleinere Onlineportal. Fit Reisen, ein Veranstalter für Gesundheitsreisen aus Frankfurt, bekam den Zuschlag.
Über Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart
Anfang Dezember konnte Flöther mittteilen, die Unternehmensgruppe sei knapp fünf Monate nach den ersten Insolvenzanträgen wieder in der Gewinnzone. Die Buchungszahlen in den Sparten Flug und Touristik würden steigen.
Das dürfte nun auch die Zahlungsbereitschaft des Käufers Rockaway erhöht haben, der von den Rockaway Capital wurde von PricewaterhouseCoopers sowie der Kanzlei Latham & Watkins beraten wurde.
Über den Kaufpreis wurde zwar Stillschweigen vereinbart. Flöther deutete aber an, dass der gezahlte Preis dem Marktwert der Geschäftsbetriebe entspricht. „Die Gläubiger der Unister Travel-Gesellschaften können nun mit einer guten Quote rechnen“, so der Insolvenzverwalter.
Inwieweit Erlöse auch an die Konzernmutter und damit an deren Gläubiger weitergereicht werden, ist noch unklar. Insgesamt haben Gläubiger Forderungen über 163 Millionen Euro zur Insolvenztabelle der Unister Holding angemeldet. Unter ihnen sind Krankenkassen, Finanzbehörden, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Förderbank des Freistaats Sachsen.
Der operative Einsatz des Verwalters ist mit dem Verkauf zwar zum größten Teil erledigt, allerdings dürfte sich das Verfahren selbst noch über Jahre erstrecken. So müssen undurchsichtige Verrechnungsposten und Leistungen zwischen diversen Konzerngesellschaften geprüft werden. Auch mögliche Anfechtungsansprüche wird Flöther nun unter die Lupe nehmen.
Parallel zu den Aufräumarbeiten des Verwalters läuft die juristische Aufarbeitung des Falls an. So hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen einen Finanzvermittler erhoben. Dem 69 Jahre alten Mann aus Unna in Nordrhein-Westfalen werfen die Ermittler vor, ein betrügerisches Kreditgeschäft mit Unister-Chef Wagner eingefädelt zu haben, bei dem dieser um mehr als eine Million Euro betrogen worden war.
So hatte der Kreditvermittler Wagner gegen „Provision“ Kontakt zu einem angeblichen israelischen Diamantenhändler vermittelt. Bei einem Treffen in Venedig sollte Wagner von dem Diamantenhändler 15 Millionen Euro in bar erhalten. Statt der Summe wurde ihm nach Ansicht der Ermittler aber nur ein Koffer mit Falschgeld angedreht. Nur die oberste Lage von 20.000 Schweizer Franken sei echt gewesen.
Auf der Rückreise von Venedig nach Leipzig starb Wagner beim Absturz des Privatflugzeuges in Slowenien. Außer ihm kamen noch drei weitere Menschen ums Leben. Unister stellte wenige Tage später den Insolvenzantrag. „Tatsächlich klingt der Vorgang für mich eher nach einem Krimi als nach einem klassischen Insolvenzfall“, sagte Flöther damals der WirtschaftsWoche.