Werbesprech

Super-Bowl-Werbung absurd: Männer, die auf Binden starren

Werber verbrennen mehr Geld denn je – erst recht, wenn sie ihre teuren Spots an der Zielgruppe vorbei abfeuern. So geschehen beim Mega-Werbe-Event Super Bowl: Da wurde doch tatsächlich für Pampers und Damenbinden geworben. Geht’s noch?

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Denver Broncos, Manning, Newton, Super Bowl Quelle: dpa

Der Super Bowl ist für die Amerikaner weit mehr als nur das Endspiel um die Trophäe der National Football League. Es ist ein nationales Ereignis, dass es spielend mit Weihnachten und Thanksgiving aufnimmt. Es ist schlichtweg das Mega-TV-Ereignis des Jahres: Rund 112 Millionen Amerikaner schalteten ein, als die Denver Broncos den Favoriten Carolina Panthers am 7. Februar vom Platz fegten.

Gleichzeitig ist der Super Bowl auch das Werbespektakel des Jahres. In den unzähligen Werbepausen wetteifern die zahlungskräftigsten US-Marken um Aufmerksamkeit und Gunst des Rekord-Publikums. Das Eintrittsgeld ist entsprechend hoch: Für einen 30-Sekunden-Spot verlangte der TV-Sender CBS die stattliche Summe von 5 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Eine einzige Ausstrahlung kostete damit doppelt so viel wie manche deutsche Marke für eine ganze Jahreskampagne im Fernsehen zur Verfügung hat. Der Super Bowl 50 war die bislang teuerste Werbeschlacht der Weltgeschichte.

Aufmerksamkeit ist den Werbenden allerdings garantiert: Angeregt durch die Medien entsteht bereits Tage vorher ein ungeheurer Buzz um die neuesten Kreationen der amerikanischen Werbewirtschaft – und um die Frage, wer als kreativster und witzigster Werbefilm das Rennen macht.

Das sind Deutschlands Werbekönige
Einkaufskorb von Rewe mit Lebensmitteln Quelle: dpa
Passanten vor einem Aldi in Großbritannien Quelle: dpa
das Sky-Logo ist auf einem Fernseher zu sehen Quelle: dpa
das Henkel-Logo an der Konzernzentrale in Düsseldorf Quelle: dpa
Lidl-Filiale Quelle: dpa
Vodafone-Logo vor einem Vodafone-Shop Quelle: dpa
Der Vorstandsvorsitzende von Beiersdorf, Stefan Heidenreich Quelle: dpa

Doch um die tatsächliche Wirkung der Super-Bowl-Spots ist nun ein erbitterter Streit entbrannt. Das dürfte auch daran liegen, dass die Begeisterung der Zuschauer in den sozialen Medien in diesem Jahr trotz aller Rekorde überraschend zurückfiel.

Teure Werbung ohne Wirkung

Werbung, die nicht dem Abverkauf dient und den Umsatz steigert, ist meist sinnlos und kaum effizient investiert. Nach Aussage von Anheuser-Busch Inbev hatte der 2015 eigens für den Super Bowl hergestellte Welpen-Spot für Budweiser „keinerlei Auswirkungen auf den Bierabsatz“.

Ebenso erging es offenbar auch Volkswagen mit seinem legendären „The Force“-Spot für den Passat.

Was davon hängen blieb war weniger, dass VW tolle Autos baut, sondern dass Volkswagen eine Werbeagentur beschäftigt, die kreative Spots dreht.

In dem 60-Sekünder ist der Passat keine acht Sekunden zu sehen - vor lauter Kreativität gerät das beworbene Produkt in den Hintergrund.

In Deutschland übertrug Sat.1 in diesem Jahr den Super Bowl live. Auch hierzulande endete das Spektakel mit einem Quotenrekord: Um drei Uhr morgens harrten immer noch 1,6 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher aus. Sie bescherten dem Sender damit einen astronomisch hohen Marktanteil von 50 Prozent. Insgesamt warben 44 Unternehmen während der Übertragung und verhalfen Sat.1 zu einem Super-Bowl-Werbeumsatz von über zwei Millionen Euro.

Die Top-Werbungtreibenden hierzulande waren Parship, McDonald’s - und überraschenderweise Procter & Gamble. Der Konsumgüter-Gigant aus Schwalbach führt die Liste sogar mit insgesamt 16 Ausstrahlungen an. Doch auch und gerade hier muss bezweifelt werden, ob die gewünschte Wirkung erzeugt wurde. Das liegt hierzulande allerdings weniger an der unglaublichen Kreativität der Werbefilme, sondern an der Ansprache der falschen Zielgruppe.

Männer, die auf Binden starren

Die Mediaagentur von Procter & Gamble (MediaCom in Düsseldorf) platzierte im Werbeumfeld der Super-Bowl-Übertragung Spots für die P&G-Marken Gillette und Braun, aber auch für Pampers, Fairy und Lenor. Den Vogel schossen sie jedoch mit Always ab. Damit warb der sonst professionelle Markenartikler so massiv an seiner weiblichen Zielgruppe vorbei wie wohl nie zuvor - und irritierte zahlreiche Zuschauer.

Es sei denn, die werblich vorgebildeten Betrachter hätten übersehen, dass sich die Damenbinde Always („Machen Sie sich schöne Tage“) neuerdings an Männer wendet, die nachts um drei American Football gucken.

Da wurde wohl umsonst geworben. Solche Werbe-Fails sind nicht nur wirkungslos, sie verbrennen Geld und damit Werbe-Werte. Sie verbrennen aber nicht nur das Geld der Werbungtreibenden, sondern - das dürfte manchem Verbraucher bewusst sein - auch das Geld der Konsumenten, die für die hochwertige Markenware tief in die Tasche greifen. Denn das Geld, das die Marken für Werbung investieren, müssen sie bekanntlich zuvor über den Endverbraucher verdient haben.

Werbung als Geldverbrennungsmaschine

Die aufsehenerregendsten Kampagnen von Sixt
Sixt ist bekannt für seine Werbemotive. Doch nicht aus jeder frechen Idee wird eine Anzeigenkampagne. Dieses Motiv zum Beispiel wurde verworfen. Der Entwurf thematisiert den Rücktritt von Reinhard Grindel als DFB-Präsident. Grindel war Anfang April wegen der Annahme einer Luxus-Uhr von einem ukrainischen Oligarchen als Präsident des Deutschen Fußballbunds zurückgetreten, am 10. April gab er auch seine Ämter bei der Fifa und der Uefa ab. Eine hohe Schadenersatzzahlung wollte Sixt nicht riskieren – denn Grindel wehrt sich gegen die Korruptionsvorwürfe.
Wegen des Motiv einer von einer Cabriofahrt zerzausten Angela Merkel gab es schon einmal Ärger für die Familie Sixt. Erich Sixt präsentierte sich im Februar 2019 vor dem Bild. Das Unternehmen testet seit längerem die Anmietung und Abholung von Mietautos per App. Quelle: dpa
Sixtwerbung zu CSU-Chef Horst Seehofer Quelle: Screenshot
Sixtwerbung zu AfD-Vize Gauland Quelle: Screenshot
Sixt Merkel Quelle: Screenshot
Auch, als im April 2015 zum siebten Mal der Bahnstreik die Republik lahm legte, war das Grund genug für Sixt, Claus Weselsky erneut zum Mitarbeiter des Monats zu ernennen. Quelle: Screenshot
Zum neunten Mal kommt es im Mai 2015 im Tarifkonflikt zwischen Deutscher Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL zum Arbeitskampf. Auf Twitter kursiert ein Bild, das eine witzige Reaktion des Autovermieters Sixt darauf zeigt: Ein Miet-Lkw der aussieht, als ob er einen Bahn-Waggon an Bord hätte, zusammen mit dem Spruch: "Die Bahn kommt". Quelle: Screenshot

Im Werbeland läuft einiges schief. Schon der viel beachtete und gepriesene Edeka-Spot „Heimkommen“ irritierte zahlreiche Menschen und erwies sich am Ende als verkaufshemmend.

Ein Großteil der Online-Werbung läuft komplett ins Leere und wird offenbar überwiegend von Robotern („Bots“) angeklickt. Der betrügerische Online-„Fraud“ wird in diesem Jahr weltweit zu einem Gesamtschaden in Höhe von 7 Milliarden US-Dollar führen. Und im selben Atemzug sponsert Mondelez (Jacobs, Milka, Oreo) einen Online-Beitrag, in dem über Kinderarbeit beim Hauptwettbewerber Nestlé berichtet wurde. Auch hier ist es das Geld der Verbraucher, das sinn- und wirkungslos verpufft.

So, verehrte Werbebranche, war das mit der Disruption nicht gemeint. Besser wäre, zu einigen der guten, alten Tugenden zurückzukehren. Anstatt zu irritieren endlich die Wünsche der Verbraucher zu respektieren, und diese statt der Werbung in den Mittelpunkt zu stellen. Statt sinnlose endlich sinnhafte Werbung zu gestalten. Uns - wie schon viel zu lange versprochen - Botschaften näherzubringen, die wirklich relevant sind. Werbung zu kreieren, die eine Haltung vermittelt.

Und an die Mediaplaner gerichtet: Die Zielgruppen dann und dort anzusprechen, wo sie tatsächlich vermutet werden dürfen. Wenn das die angeblich so ausgefeilten Daten und Systeme schon nicht verraten…

Die Digitalisierung macht es angeblich leichter, die richtigen Menschen im richtigen Augenblick mit den richtigen Botschaften zu konfrontieren. Die Werbebranche sollte damit langsam und endlich anfangen. Bevor sie davon phantasiert, uns mit ihren Werbebotschaften bis in unsere Träume zu verfolgen. Davor bewahre man uns.

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