Einzelhandel Drogeriekette Schlecker gerät ins Hintertreffen

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Erwin Müller, Chef der Drogeriekette Müller Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Erwin Müller, der dritte Angreifer von Schlecker, ist mit seinem Landsmann seelenverwandt. Was Verschwiegenheit angeht, kann der gelernte Friseur mit dem gelernten Metzger mühelos konkurrieren. Interviews sind rar, Fotos, wie sie die WirtschaftsWoche druckt, waren bisher tabu.

Allerdings passt Müller nicht 100-prozentig in die Branche, denn er betreibt eher Kleinkaufhäuser als Drogeriemärkte. Sein Sortiment umfasst rund 145.000 Artikel, darunter nicht nur Klopapier und Deoroller, sondern auch CDs und Holzspielzeug. Bei Schlecker gibt es im Schnitt nur 4500 Artikel.

Auch sonst sind Müllers Märkte Gegenentwürfe zu Schleckers Buden. Der Schwabe, der in Jugendjahren Architekt werden wollte, lässt seine bis zu 4000 Quadratmeter großen Filialen beispielsweise mit 1000 Lux illuminieren, um Kunden anzulocken. Die Idee, die Beleuchtung aufzudrehen, hat er sich von einem mallorquinischen Fleischverkäufer abgeschaut. Auf dem Mittelmeer-Eiland, seiner zweiten Heimat, nennt er neben einem Golfplatz und einer Finca auch neun Läden sein Eigen. Insgesamt ziert das Kleeblatt-Logo seiner Kette sogar knapp 600 Filialen in Europa.

Müller ist das krasse Gegenstück zu dm-Gründer Werner

Müller ist voll auf Wachstumskurs. Im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr stieg der Umsatz in Deutschland um sechs Prozent auf 2,14 Milliarden Euro, und „es wäre geheuchelt, wenn wir unzufrieden wären“, sagt er.

Der Selfmademan von der Donau ist das krasse Gegenstück zu dm-Gründer Werner, der im Mai 2008 aus freien Stücken abdankte. Der 76-jährige Müller kommt dagegen nicht los von der Droge Drogerie. „Ich kann die Firma nicht allein stehen lassen“, sagt er.

Beseelt von diesem Glauben, schlägt Müller jeden Morgen gegen halb acht in der Ulmer Zentrale auf. Um ins Büro in der dritten Etage zu kommen, nimmt er grundsätzlich – und zum Wohlgefallen seiner Ärzte – die Treppe statt den Fahrstuhl. Und solange ihn „der liebe Gott jeden Tag aufstehen lässt“, werde sich daran nichts ändern. „Ich wüsste nicht, was ich daheim tun sollte”, bekennt der Veteran.

Betriebsrat brachte des Patriarchen Welt ins Wanken

Im Büro angekommen, stürzt sich Müller mit Verve ins Tageskleinklein. Alle Mahnungen von Lieferanten gehen über seinen Schreibtisch, Probleme beim Palettenstapeln – Müller kümmert sich darum. Zwar stehen dem Handelsmethusalem zwei Manager zur Seite, die er „so langsam“ in die Führungsrolle „reinlaufen lassen“ will, „aber das soll nicht heißen, dass ich dann aufhöre“. Selbst für Sohn Reinhard, der das Geschäft dereinst erben wird, ist der Chefsessel gesperrt, seit ihn der Alte vor ein paar Jahren aus der Firma gekantet hat.

Mitarbeiter beschreiben Müller als misstrauisch und aufbrausend. Allein Ehefrau Anita, die über das Vorzimmer wacht, sowie der Dackel-Pekinesen-Mischling Gordi und dessen Gefährte Tabsi scheinen das unumschränkte Vertrauen des Patrons zu genießen. Mit Gordi geht Müller auch zur Jagd nach Tirol. Ist das Duo erfolgreich, gibt es dann gerne Hirschkalb in der Betriebskantine.

So gut könnten es Müllers Mitarbeiter immer haben, hätten Lagerarbeiter nicht auf Verdi-Initiative am 15. April in Neu-Ulm einen Betriebsrat gegründet. Damit brachten sie des Patriarchen Welt ins Wanken. Müller reagierte harsch und verkaufte am nächsten Tag das Lager. Schließlich hafte er mit seinem Privatvermögen für das Unternehmen und wolle selbst bestimmen, was geschehe.

Im Übrigen gebe es in der Firma ohnehin „kein Bedürfnis“ nach Betriebsräten, meint Müller. Angestellte könnten ihm ja jederzeit sagen, was falsch laufe. „Noch möchte ich in Ulm bleiben“, wettert er gegen die Betriebsratsinitiative. Aber „ich verstehe heut’ manchen, der halt einfach abwandert“.

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