Rückkauf der Energienetze Warum Hamburg zum Bürgerschreck werden könnte

Seite 4/5

Nicht alle Netzbetreiber machen Gewinne

Ohne Not gibt Deutschland eine wirtschaftliche und sichere Energieversorgung auf und steigt um auf ein teures wie instabiles Konzept. Für den Industriestandort birgt das fatale Risiken, findet Gastautor Werner Ressing.

Auch diese Frage ist erstaunlich schwer zu klären. Die Bundesnetzagentur müsste es doch wissen, oder? „Spontan würde ich sagen, dass man da natürlich auch Verluste machen kann“, meint eine Sprecherin. Sie verbindet aber lieber zu einer Kollegin, die aus der Fachabteilung kommt. „Nein, das ist eigentlich nicht möglich“, sagt die. Es scheint Diskussionsbedarf zu geben.

Zumindest so viel steht fest: Bei Weitem nicht alle Netzbetreiber machen Gewinne. Denn die Bundesnetzagentur erkennt zwar grundsätzlich Kosten für den Netzbetrieb und Erweiterungen an, es kommt dabei jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen. Und am Ende können die Betreiber durchaus auch auf ihren Kosten sitzen bleiben. So gibt es von Saarbrücken über Duisburg, Leipzig und Köln allein in den Großstädten eine ganze Reihe von Netzbetreibern, deren Ergebnisse in den vergangenen Jahren im roten Bereich lagen. Da der Netzbetrieb in verdichteten städtischen Räumen als profitabler gilt als in der Fläche, dürfte das nur die Spitze einer großen Gruppe von Verlustbetrieben sein.

Die Netzgesellschaft enercity, zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Hannover, hat es sogar geschafft, die vergangenen vier Jahre in Folge Verluste einzufahren; allein 2012 stand ein Verlust von 36 Millionen Euro. Ein enercity-Sprecher verweist auf „Pachtentgelte“ und „nicht anerkannte Investitionen“. Vieles davon werde sich aber in den kommenden Jahren klären. Die Bilanz spricht eine andere Sprache: Man gehe davon aus, „dass sich der Fehlbetrag im Geschäftsjahr 2013 um zehn Millionen Euro verringern wird“, heißt es da. Bis zur schwarzen Null fehlen dann aber immer noch 26 Millionen. Am Ende bringt der Sprecher ein Argument, das stellvertretend steht für eine Einstellung, die viele Kommunen einst in die Verschuldungsmisere geführt hat, aus der sie sich jetzt herauszukämpfen versuchen: „Sie müssen schließlich auch die Arbeitsplätze bedenken, die das Netz den Menschen hier bringt.“

Die Risiken sind also mindestens so real wie die Verlockungen. Und die Gefahren dürften in den kommenden Jahren noch zunehmen. Die Energiewende macht es nötig. Anders als gerne behauptet, fallen die meisten notwendigen Investitionen in das Stromnetz in den kommenden Jahren nicht bei den Übertragungsnetzbetreibern wie Tennet oder 50 Hertz an, sondern in den Verteilnetzen vor Ort. „Das ist auch der Preis der dezentralen Energieerzeugung“, sagt Stephan Gamm, Spezialist für das Thema Energie bei der Unternehmensberatung Putz und Partner, die sich in einem Gutachten auch mit dem Rückkauf der Hamburger Netze auseinandergesetzt hat. Er beziffert den Investitionsbedarf in die Verteilnetze bis 2020 auf 20 bis 30 Milliarden Euro und beruft sich dabei auf Schätzungen der RWTH Aachen.

Doch solche Szenarien spielen in der Debatte um die Übernahme neuer kommunaler Aufgaben nur selten eine Rolle. Stattdessen projizieren die unterschiedlichsten Interessenvertreter ihre Hoffnungen in die städtischen Unternehmen. Heraus kommen dabei seltsame Koalitionen echter und vermeintlicher Weltverbesserer wie die in Hamburg. Kirchenvertreter Christiansen rechtfertigt sein persönliches Engagement unter anderem damit, die Kirche sei schließlich „schon lange in der Umweltbewegung verankert“. Intern ist sein Engagement dennoch umstritten. Spätestens als herauskam, dass Christiansen der Initiative eine Bürgschaft aus Kirchenmitteln genehmigt hatte, wies ihn sogar die Bischöfin zurecht. Weiterer Vertrauensmann ist Manfred Braasch von BUND, der an anderer Front auch gegen die Elbvertiefung kämpft. Dritter im Bunde ist Günter Hörmann, Geschäftsführer der örtlichen Verbraucherzentrale, die staatlich finanziert die Interessen der Verbraucher im Auge haben sollte. Welchen Nutzen dabei der Kauf eines Zwei-Milliarden-Euro-Netzes haben soll, erschließt sich kaum. Hörmann: „Wir sind davon überzeugt, dass ein staatlicher Netzbetreiber am besten in der Lage ist, den Strom diskriminierungsfrei durch sein Netz zu leiten.“ Er begründet dann ausführlich, wie der Vattenfall-Konzern, der zugleich als Stromversorger in Hamburg auftritt, seine Geschäfte unzulässig vermenge.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%