Energieversorger Warum bei E.On, RWE und Co. die Nerven blank liegen

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Zwischenlager für Demonstranten Quelle: Laif

Frei von Schizophrenie ist die Retourkutsche der Kommunarden allerdings nicht. Die beiden Stadtwerke München und Bielefeld, die an Atommeilern in ihrer Nähe zu 50 Prozent beteiligt sind (Ohu bei Landshut und Grohnde in Niedersachsen), hielten sich deshalb im Hintergrund und unterschrieben die Anzeigen nicht.

So finanzstark E.On, RWE, Vattenfall & Co. in die Zukunft gehen, so sehr auffällig wirken sie wie gefesselte Riesen, die ihre Kraft nicht ausspielen können. Örtliche Planungsämter hindern sie zunehmend an Investitionen, die für das Brot-und-Butter-Geschäft dringend notwendig sind.

Typisch für die Auseinandersetzungen um neue Anlagen ist der Streit um den Bau eines hochmodernen Kohlekraftwerks im nordrhein-westfälischen Datteln. CDU und SPD im Regionalverband Ruhr wollen durch ein verwaltungstechnisches „Zielabweichungsverfahren“ die von Gerichten gestoppte Genehmigung doch noch durchdrücken. Die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf dagegen laviert. Der grüne Umweltminister stemmt sich dagegen, weil es Genehmigungsfehler gab, der SPD-Wirtschaftsminister stellt sich hinter den Ruhrverband. Zwischen diesen Fronten droht Datteln zerrieben zu werden.

Widerstand gegen Kraftwerke

Zwar will E.On-Chef Teyssen mit allen rechtlichen Mitteln für das Kraftwerk fechten, aber der Kampf bindet Managementkapazitäten, zermürbt die beteiligten Verhandlungspartner und schafft permanent negative Schlagzeilen. Der Hinweis von E.On, die neue Anlage in Datteln werde 20 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als die heutige, verpufft im Nichts.

Datteln ist für die Energiekonzerne überall in Deutschland. Der schwarz-grüne Hamburger Senat bremst den Bau des Kraftwerks Moorburg von Vattenfall seit Langem aus, indem er auch nach dem Genehmigungsverfahren neue Ansprüche stellt, die den Bau erheblich verteuern. Wahrscheinlich werde er einer der letzten Energiemanager sein, die erleben, dass ein Kohlekraftwerk in Deutschland eingeweiht werde, seufzte vor Kurzem ein Vattenfall-Manager.

Vollends in den Sternen steht das CO2-freie Kohlekraftwerk, an dem vor allem die Braunkohleverstromer Vattenfall und RWE forschen. Denn die Technik erfordert unterirdische Gasspeicher. Als RWE-Chef Großmann vor Monaten ankündigte, Kohlendioxid aus einem Kraftwerk in der Nähe der holsteinischen Stadt Husum speichern zu wollen, war der Teufel los. Erboste Husumer, unter ihnen auch gänzlich unbeteiligte Krabbenfischer in ihren blau-weißen Hemden, zogen im Sternmarsch auf das Erprobungsfeld weitab der Wohngebiete und drohten mit den Fäusten in die Fernsehkameras. Der Wirtschaftsminister musste aus Kiel herbeieilen und die Gemüter beruhigen.

Auf den ersten Blick stehen die vier großen Stromriesen als die großen Sieger da, seitdem ihnen die Bundesregierung vor wenigen Wochen die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke zugesagt hat. Die Branche hatte auf den Druck der rotgrünen Vorvorgängerregierung dem Auslaufen der Kernenergie in Deutschland bis 2022 zugestimmt, war danach aber unablässig gegen den sogenannten Atomkompromiss angerannt.

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