Kaffee Wie die Reimanns gegen Starbucks und Nestlé antreten

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Investments in Generationen statt Quartalen planen

Dabei können auch die koffeinfreien Reimann-Töchter helfen. An mehr Marketingkraft besonders im für Markenartikler zentralen Bereich Social Media arbeiten die Coty-Beteiligungen Beamly, ein führender Digitalvermarkter aus London, sowie You & Mr. Jones mit ihren Beteiligungen an Firmen für digitale Verkaufsförderung wie dem Internetdienst Mashable oder der Videofirma Mofilm. „Solche Best-Practice-Dinge klingen nach Kleinkram, doch sie drücken die Kosten leicht um ein Viertel und mehr“, sagt Harf.

Für die Motivation der Führungskräfte sorgt wie im Rest des Reimann-Reichs die erprobte Managementmethode Harf. Dazu gehört, dass Vorstände wie die JAB-Spitze möglichst ihr ganzes Vermögen in ihre Firmen stecken – und sich nicht als Angestellte, sondern als Miteigentümer sehen. „Der Lohn kommt dann nicht aus Boni, die das Management am Ende noch beeinflussen kann, sondern vor allem aus dem Wertzuwachs“, sagt Harf. „Schließlich planen wir Investments nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Generationen.“

Der vielleicht cleverste Teil der Strategie ist die ungewöhnliche inspirierte Finanzierung. Das Geld stammt nicht von Banken oder gar familienfremden Aktionären, sondern von wenigen, echten Risikopartnern, die ein paar Jahre warten können, bis sich ihr Anteil am Reimann-Rendite-Reich auszahlt. So schaffte es Harf, bei einem Familienvermögen von geschätzten rund 20 Milliarden Euro Zukäufe von 70 Milliarden zu stemmen und trotzdem das letzte Wort zu behalten.

Luxuswaren in Eigenregie führen

Dank der komplexen Struktur mit vielen Zwischenholdings kann Harf Geldgeber langfristig an einzelnen Feldern in fast beliebiger Höhe beteiligen, „vorausgesetzt, es geht um einen Minderheitsanteil ohne echte Mitsprache im Alltag und mehr als ein Milliarde“, weiß ein Insider. So reden in keinem Feld zu viele mit, und die Familie behält das letzte Wort. Auf diese Weise können die Reimanns ihre Luxuswaren in Eigenregie führen, aber zum Beispiel bei JDE den Jacobs-Alteigentümer Mondelez zu 49 Prozent reinnehmen. Bei den US-Ketten wie Peet’s und Keurig ist die Investorenlegende Warren Buffett an Bord, und der Private-Equity-Fonds BDT Capital von Byron Trott aus Chicago brachte seine Milliardärskunden ein, etwa den kolumbianisch-amerikanischen Milliardär Alejandro Santo Domingo.

Kampf gegen das schlechte Gewissen

Etwas mehr Eile als beim Verdienen seines Einsatzes hat Harf dagegen beim dritten Teil seines Kaffeeplans: mehr Wohlbefinden für alle.
Vom Reimann-Röst-Reich sollen, neben den Eigentümern, zunächst die Kunden profitieren. Statt zu höheren Preisen soll die JAB-Synergiemaschine vor allem zu aromatischerem Schümli und Mokka führen. Wichtigstes Mittel hierzu sind bessere Kaffeemischungen. Wie die Braumeister bei AB Inbev tauschen sich auch bei JAB die Fachleute aus: vom Rezept für Crema, Großportion und Gebäck bis zu den bestmöglichen Methoden beim Rösten, Lagern und der Mischung der Bohnen. Schließlich gibt es selbst bei Kaffee eines Anbaugebiets in einer Saison große Schwankungen. „Wir haben von dem rund einem Dutzend Kaffeegurus auf der Welt etwa die Hälfte und wollen das Wissen nutzen“, sagt Harf.

Was Ihr Kaffee-Geschmack über Sie aussagt
Wie trinken Sie Ihren Kaffee? Quelle: dpa
Schwarztrinker Quelle: dpa
Milchtrinker (Personen, die ihrem Kaffee Milch, Sahne und Zucker hinzufügen) Quelle: dpa
Frozen-Coffee-Trinker Quelle: dpa
Frozen-Coffee-Trinker Quelle: AP
Sojamilch und sonstige Extras Quelle: dpa
Journalisten warten auf den Beginn einer Pressekonferenz Quelle: AP

Zudem trimmt Harf die Gruppe auf Nachhaltigkeit. Dabei geht es nicht nur um Energiesparen beim Rösten und weniger teure Leerfahrten beim Liefern oder dass der Kundschaft nicht länger Bedenken wegen Müllbergen aus Kapseln den Genuss vergällen – die ganze Produktionskette soll nachhaltig werden. Schließlich engagieren sich die Reimanns auch in ihrem Privatleben für soziale Projekte und investieren fast alle JAB-Ausschüttungen in soziale Einrichtungen wie die familieneigene Benckiser Stiftung.

Mit Nachhaltigkeit verbringt JDEs Umweltbeauftragter Daniel Martz seine Zeit. Ein Teil der Arbeit gilt den Kaffeekapseln. Heute können die in der Regel nur mit dem Hausmüll verbrannt werden, weil sich die einzelnen Bestandteile Kaffee, Kunststoff und Metall nur schwer trennen lassen. Doch das soll sich ändern. „Wir arbeiten an wiederverwertbaren und biologisch abbaubaren Kapseln“, sagt Martz.

Umweltfreundlicher Anbau und faire Bezahlung

Viele Reisen, besonders nach Vietnam oder Brasilien, braucht der in den USA ausgebildete Jurist beim Ziel umweltfreundlicher Anbau und eine fairere Bezahlung der Beschäftigten. „Gerade für die kleineren Bauern, die ein Fair-Siegel am meisten brauchen, ist es meist zu teuer, sich zertifizieren zu lassen“, sagt Martz. Das soll er ändern. „Wir arbeiten daran, auf unsere Kosten statt einzelner Farmen ganze Regionen verifizieren zu lassen, mithilfe von Satellitenüberwachung und Kontrollen vor Ort“, so Harf. Das sorge über die ganze Wertschöpfungskette dafür, dass die Menschen Perspektive haben. Doch das dauert. Als erster Teil der Gruppe wird die US-Tochter Peet’s spätestens im Jahr 2020 alle Lieferanten erfasst haben.

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