Eine Möglichkeit wäre, das Filialnetz von Kaiser’s Tengelmann unter den Beteiligten aufzuteilen, wozu Kartellamtschef Andreas Mundt schon Anfang 2015 aufrief. In seiner Begründung zur Untersagung des Verkaufs an Edeka sagte er damals, dass er den „Fall gerne anders gelöst hätte“. Ein Teilverkauf wäre demnach durchaus möglich gewesen. Edeka hätte 170 der damals 451 Märkte übernehmen können. Doch das wollte der Konzern nicht.
Auch heute ist ein Teilverkauf unwahrscheinlich. Denn um die Kaiser’s-Tengelmann-Filialen unter allen Beteiligten aufzuteilen, müsste zunächst der Verkaufsvertrag zwischen Haub und Edeka aufgehoben werden, wie Zimmer im Interview erklärt: „In dem Moment, in dem der Verkaufsvertrag aufgehoben wird, ist die Ministererlaubnis gegenstandlos und es wäre eine erneute Prüfung des Bundeskartellamts erforderlich.“ Denn die Ministererlaubnis ist daran gekoppelt, dass nur Edeka und kein Dritter Kaiser’s Tengelmann übernimmt.
Im besten Fall würde eine erneute Prüfung durch das Kartellamt bis zu vier Wochen dauern. Finden die Kartellrechtler allerdings wettbewerbsrelevante Überschneidungen, könnte dieser Vorgang bis zu vier Monate in Anspruch nehmen.
Ob Haub, der die Frist für eine Entscheidung über die Zukunft der Supermarktkette schon zwei Mal ausgeweitet hat, das mitmacht? In Anbetracht der Verluste von zehn Millionen Euro, die Kaiser’s Tengelmann jeden Monat einfahren soll, ist das wenig wahrscheinlich.
Bliebe die Möglichkeit, dass Rewe, Norma und Markant ihre Klagen zurückziehen, ohne an der Bestandsmasse von Kaiser’s Tengelmann beteiligt zu werden. Dafür müsste Edeka andere Kompensationen leisten.
Warum sollte Rewe nachgeben?
Rewe-Chef Alan Caparros ließ in den vergangenen zwei Jahren keine Gelegenheit aus, um gegen die Übernahme durch Edeka und die Ministererlaubnis zu poltern. Schon 2014 sagte er, es wäre ein „Super-GAU, wenn Gabriel Trauzeuge für diese dubiose Hochzeit sein sollte.“ Zwei Jahre später gab er gegenüber dem Spiegel freimütig zu: „Ich habe alles getan, damit Edeka die Filialen nicht bekommt.“
Und nun soll er seine Klage einfach gegen eine Geldzahlung zurückziehen, damit der größte Rewe-Konkurrent seine Vormachtstellung ausweitet? In Anbetracht der prall gefüllten Konzernkassen von Rewe ist das unwahrscheinlich. So schätzt auch Handelsexperte Gerrit Heinemann, dass ein „wildgewordener Caparros sich nicht mit Geld ruhigstellen lässt“.
Was bleibt an Auswegen für Kaiser's Tengelmann?
Am Donnerstagabend wollen die Konzernchefs von Tengelmann, Edeka und Rewe einen letzten Versuch machen, die völlig verfahrene Situation bei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann zu bereinigten. Scheitern die Verhandlungen, droht der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen bei der traditionsreichen Supermarktkette. Fragen und Antworten zum Krisengipfel und zu seinen Erfolgsaussichten:
Die Situation rund um die geplante Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ist völlig verfahren. Erst stoppte das Bundeskartellamt die Übernahmepläne. Dann machte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Weg mit einer Ausnahmegenehmigung wieder frei. Nur um vom Oberlandesgericht Düsseldorf ausgebremst zu werden, das auf Antrag von Rewe und Markant die Ministererlaubnis vorläufig außer Kraft setzte. Eine juristische Klärung dieses Durcheinanders könnte Jahre dauern. Doch soviel Zeit hat Kaiser's Tengelmann nicht. Denn das Unternehmen schreibt hohe Verluste.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel hofft vor allem, dass es gelingt, die Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann doch noch zu sichern. Bei einer Zerschlagung sieht der Sozialdemokrat bis zu 8000 Stellen gefährdet.
Die einfachste Lösung wäre es, dass Rewe seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurückziehen würde. Dann könnte Edeka Kaiser's Tengelmann komplett übernehmen, die von dem Handelsriesen mit Verdi für diesen Fall ausgehandelten Tarifverträge würden greifen und damit auch langfristige Arbeitsplatzgarantien für die Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann.
Rewe ist offenbar nicht bereit zu einem solchen Schritt. Konzernchef Alain Caparros signalisierte vor Beginn des Krisentreffens, dass er auf eine „faire Aufteilung“ von Kaiser's Tengelmann hofft. Dabei könnten neben Edeka und Rewe auch andere interessierte Unternehmen zu Zuge kommen, meinte der Manager in einer Erklärung vor dem Krisengipfel.
Es geht zum einen um Marktanteile. Edeka ist schon heute Deutschlands mit Abstand größter Lebensmittelhändler und Rewe will nicht weiteren Boden an den Rivalen verlieren. Außerdem fühlt sich Rewe-Chef Caparros von den Konkurrenten ausgetrickst. Es habe sich bei der Ministererlaubnis um ein abgekartetes Spiel gehandelt, sagte der Rewe-Chef kürzlich in einem Interview.
Darüber rätseln zurzeit Branchenkenner und Betroffene gleichermaßen.
Die Supermarktkette würde dann voraussichtlich zerschlagen, heißt es in informierten Kreisen. Dass heißt, die Filialen würden einzeln oder in Paketen an die Wettbewerber verkauft. Geschäfte, für die sich kein Interessent findet, würden dicht gemacht, ebenso wahrscheinlich die Fleischwerke und die Logistik des Konzerns. Auch die Verwaltung der Supermarktkette würde dann nicht mehr benötigt. Tausende Arbeitsplätze wären in diesem Fall gefährdet.
Die Supermarktkette schreibt seit Jahren rote Zahlen. Insgesamt sollen sich die Verluste seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro summieren. Der Eigentümer - die Unternehmerfamilie Haub - will deshalb einen Schlussstrich ziehen.
Dazu entwickelt die Lage in den Geschäften zu schlecht. Denn die Ungewissheit über die Zukunft bremst das Geschäft. „Wir schrumpfen. Wir verlieren Mitarbeiter jeden Tag. Wir verlieren Läden, weil die Mietverträge nicht verlängert werden können“, klagte Firmenchef Karl-Ervian Haub vor einigen Wochen in einem Rundfunkinterview. Nach Angaben aus informierten Kreisen sind die Verluste inzwischen auf rund zehn Millionen Euro pro Monat gestiegen. Das ist selbst für eine der reichsten deutschen Unternehmerfamilien viel Geld.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet unter Berufung auf Insider, dass Edeka im Gegenzug zur Klagerückziehung von Rewe keine rechtlichen Schritte einleiten will, wenn Rewe Coop Kiel in Norddeutschland übernimmt. Ende Juni beschlossen Genossenschaftsvertreter von Coop Kiel, dem Einstieg Rewes zuzustimmen. Das Kartellamt signalisierte ebenfalls, dass es keine Probleme sieht.
In der Vergangenheit kam es durchaus vor, dass Wettbewerber nach einer Freigabe durch das Kartellamt gegen die Entscheidung geklagt haben und eine Fusion so torpedierten.
Das könnte ein Grund sein, der Rewe motiviert, die Klage zurück zu ziehen. Heinemann vermutet noch ein anderes Motiv: „Alle Beteiligten wollen das Gesicht wahren, deswegen braucht es eine Kompensation. Am Ende will aber auch niemand als Schuldiger dastehen, wenn die Fusion scheitert und Tausende Arbeitsplätze verloren gehen.“