Werbesprech

Werbung, ich versteh dich nicht!

Werbung muss kreativ sein, sonst fehlt ihr die Aufmerksamkeit. Noch wichtiger ist, dass sie verstanden wird. Doch wie kann das gelingen, wenn die Werber den Kontakt zur Realität der Menschen immer mehr verlieren? Die Werbung hat ein neues, massives Problem.

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Das sind Deutschlands wertvollste Marken
Alkoholfreie GetränkeGerolsteiner belegt im Markenranking des Meinungsforschungsinstituts YouGov Deutschland in der Kategorie „alkoholfreie Getränke“ den ersten Rang. Platz 2: Erdinger alkoholfrei, Platz 3: Selters, Platz 4: Apollinaris und Platz 5: Schweppes. Quelle: imago images
Die Badische Staatsbrauerei Rothaus stellt das legendäre Bier „Tannenzäpfle“ her. Quelle: dpa
Tchibo Quelle: dpa
Dr.-Oetker Quelle: dpa
Haribo Quelle: dpa
Ritter Sport Quelle: dpa
Nordsee Quelle: dpa

Werbung ist teuer. Nach Angaben des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft liegen die Werbeeinnahmen der Medien bei 45 Milliarden Euro. Das macht Marketing und die werbliche Kommunikation für viele Unternehmen zum drittgrößten Budgetposten überhaupt. Man möchte also denken, dass die Werber sich größte Mühe geben Werbekampagnen zu entwickeln, die wir verstehen. Oder sich zumindest dabei nicht lächerlich zu machen. Doch weit gefehlt. Vor einem Jahr hatten wir uns an dieser Stelle die unsägliche „Gebäckstreet Boys“-Kampagne des Bäckerei-Filialisten Kamps vorgenommen. An Peinlichkeit war sie kaum zu überbieten. Dachte man. Doch nun ist sie zurück. Unter dem sinnigen Titel „Gebäckstreets Back“ präsentiert man uns „Neue Strophen aus’m Ofen“. Ausgelobt wird der zweifelhafte Werbestunt mit einem Gewinnspiel und Preisen im Wert von € 375. Die Kunden sind Kamps wohl nicht mehr wert.

Werbung, die Kunden verhöhnt

Die neue Kampagne des Designer-Labels Saint Laurent versteht niemand. Die Plakate, die in Paris zu sehen waren, sorgten weltweit für Entrüstung. Abgebildet hatte man extrem dünne Models, die sich lasziv räkeln oder unterwürfig über einen Hocker beugen. Für Kritiker sind die Plakate entwürdigend, eine Aufwertung der Magersucht oder gar Ansporn zur Vergewaltigung. Diese Werbung provoziert nicht einmal, sie verspottet und verhöhnt die Käufer der Marke. Der Direktor der französischen Werbeaufsicht sagte dem „Guardian“, er könne sich nicht vorstellen, dass Kunden mit diesen Motiven in Verbindung gebracht werden wollen. Inzwischen musste Saint Laurent die Schockplakate abhängen.

Dass erst ein Werbeverbot Werbungtreibende zur Räson bringen muss, ist sicher die Ausnahme. Ebenso unglücklich ist jedoch, wenn die eigene Kampagne auf einen Wettbewerber einzahlt, weil sie missverständliche Signale aussendet. Die Kampagne von Air Berlin arbeitet neuerdings mit den Farben rot und blau, mit denen Vielflieger eindeutig den Farbcode von Air France identifizieren. Dass die Stewardess im Spot eher frankophil erscheint, trägt nur noch zusätzlich zur Irritierung bei.

Welchen Marken die Deutschen am meisten vertrauen

Im vergangenen Herbst empörte sich die Öffentlichkeit über einen Werbefilm des Autoherstellers Smart, der zu Halloween ein Paar zeigte, das von einem Mann mit Eishockey-Maske („Freitag der 13.“) erschreckt wurde. Die Spots liefen, als Überfälle von Horror-Clowns Deutschland in Panik versetzten. Es bleibt ein Rätsel, warum die Verantwortlichen Werbung zeigen, deren Botschaft nur schwer zu verstehen ist.

Filme für eine deprimierte Generation

Die heißersehnte, neue Kampagne von Mercedes-Benz bedient sich einer für die Marke ungewöhnlichen Bildsprache und soll die jüngere Generation im Spannungsfeld zwischen Erwachsenwerden und Spießertum ansprechen. Jens Thiemer, Vice President Marketing bei Mercedes-Benz Pkw, spricht von einem "Vorstoß in Richtung Modernität, Progressivität und Dynamik". Die Filme sind bestenfalls deprimierend. Wenn sie wirklich den Nerv der Zielgruppe treffen, kann einem die Generation leidtun. Irritieren dürften sie aber die tatsächlichen Käufer der Marke. Der Mercedes-Kunde ist im Schnitt 55 Jahre alt und wird diese Kampagne nicht begreifen. Mercedes hat sie wohl daher praktischerweise auf Online-Medien versteckt, wo sie nicht viel Unheil anrichten kann.

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