Seit Jahren ist kein neuer Wirkstoff auf den Markt gekommen. Die Pharmafirmen haben fast ausschließlich die drei Optionen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol, die sie in immer neuen, kreativen Möglichkeiten vermarkten: Trotz geringer Auswahl an Inhaltsstoffen gibt es mehr als 250 rezeptfreie Schmerzmittel zu kaufen. So werden die immer gleichen Wirkstoffe mal als Mittel gegen Migräne, mal als Mittel gegen Gelenk- und mal als Hilfe bei Regelschmerzen verkauft.
Einmal entwickeln, vielfach verkaufen. Alle paar Jahre wird das alte Mittel neu verpackt, und weiter sprudeln die Einnahmen.
In vielen Fällen unterscheiden sich die Präparate nicht voneinander. Johnson & Johnson etwa bietet Ibuprofen als Dolormin, Dolormin Extra, Dolormin Migräne an. Als jüngste Produktinnovation feierte Bayer gerade eine neue Darreichungsform des Uralt-Kassenschlagers Aspirin: Da die Wirkstoffpartikel nun um 90 Prozent kleiner sind als bisher, wirkt das Mittel doppelt so schnell.
Geringes Interesse an der Erforschung neuer Substanzen
Das Interesse an der Erforschung ganz neuer Substanzen ist seit dem Flop mit den angeblich nebenwirkungsarmen, sogenannten selektiven COX-2-Hemmstoffen wie in Vioxx komplett eingeschlafen, räumt auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller in Berlin ein. Damals traten unerwartet tödliche Nebenwirkungen durch Herzinfarkte auf. Deshalb bleiben die Hersteller bei den altbekannten Wirkstoffen – trotz der seit Jahren bekannten großen Gefahren.
Die Bielefelder BUKO Pharma-Kampagne begleitet die Aktivitäten der Pharmaindustrie seit über 30 Jahren. „Die Hersteller lassen sich immer neue Ideen einfallen, in welchen Situationen Schmerzmittel helfen sollen und wer sie schlucken kann. Dieser Wettbewerb trägt auch dazu bei, dass zu viele Schmerzmittel geschluckt werden“, sagt Jörg Schaaber, Geschäftsführer der Initiative.
Wenn Schmerztabletten krank machen
In deutschen Krankenhäusern gibt es jedes Jahr mehrere Tausend Patienten, die allein wegen der Nebenwirkungen von Schmerzmitteln behandelt werden. Acetylsalicylsäure verursacht mitunter Magen-Darm-Blutungen, Hirnblutungen, Atemnot und Nierenversagen. Bei Ibuprofen stehen auf der Liste: Magen-Darm-Durchbrüche, Asthma-Anfälle, Nierenversagen sowie Herzinfarkt. Und neun Prozent aller Fälle von Leberversagen entstehen durch Paracetamol.
Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kennt diese Entwicklung. Die Experten der Medikamenten-Zulassungsbehörde waren sich schon vor vier Jahren einig: Schmerzmittel werden zu leichtfertig geschluckt, zu beiläufig, zu arglos. Sie erarbeiteten einen Vorschlag: Man könnte die Packungen kleiner machen. So werde deutlich, dass Medikamente keine Nahrungsergänzung sind. Alle fanden die Idee gut, sie wurde einstimmig im entsprechenden Sachverständigenrat beschlossen. Das ist nun über vier Jahre her. Das zuständige Bundesgesundheitsministerium unternahm fast nichts. Lediglich bei Paracetamol wurde die Größe so begrenzt, dass man sich mit einem Packungsinhalt nicht umbringen kann. Warum so wenig passiert ist, begründet das Ministerium damit, dass man derzeit nicht wisse, wie hoch der Gebrauch der frei verkäuflichen Schmerzmittel tatsächlich sei. Um den Sachverhalt zu klären, gab das Ministerium verschiedene Studien in Auftrag. Die würden nun „hinsichtlich des weiteren regulatorischen Vorgehens ausgewertet“.