Sennheiser Was das Familienunternehmen besser macht

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Den Kopf voller Ideen

Der Vater bot dem Sohn eine Stelle als technischer Leiter in Wedemark an. Jörg und Fritz Sennheiser arbeiteten gemeinsam, und es begann zu gären. Wenn Jörg Sennheiser heute darüber spricht, dann so behutsam, dass der Übervater auch posthum nicht im schlechten Licht erscheint: „Er hat sich vorher nie bewusst überlegt, wann er mir die Gesamtverantwortung anvertrauen will. Für ihn hätte das parallele Arbeiten mit ihm als Chef ewig so weitergehen können.“ Um Geld oder Gewinn ging es dem Senior nicht mehr. Es ging um nicht versiegende Leidenschaft, um Selbstwertgefühl und die Angst vorm Alter.

Der Sohn verstand das. Aber er hatte eben auch den Kopf voller Ideen und bleibt doch bei den Mitarbeitern der Juniorchef.

Sennheiser schweigt darüber, wie der Vater dann doch noch abtrat. 1982 war das. „Aber es tat ihm weh“, sagt der Sohn leise.

Die zehn größten Familienunternehmen Deutschlands
Bertelsmann-Logo Quelle: dpa
Logo von Phoenix Pharmahandel Quelle: dpa
Logo von Fresenius Quelle: dpa
Ein Reifen von Continental Quelle: dpa
Dunkle Wolken über Bosch Quelle: dpa
Ein Mann mit Aldi-Tüten in der Hand Quelle: dpa
Kunden vor einer Metro-Filiale Quelle: dapd

Er fasste damals auch als Familienvater feste Vorsätze: „Ich werde meinen Kinder bei ihrer Berufswahl völlig freien Lauf lassen. Ich werde sie nicht ins Unternehmen drängen. Ich werde frühzeitig eine Nachfolgeregelung finden, familiär oder extern, denn sonst mache ich alles systematisch Aufgebaute wieder kaputt. Ich werde früh in den Aufsichtsrat wechseln. Und ich werde mich beizeiten komplett zurückziehen.“

Die guten Vorsätze fast aller Unternehmer.

Vom Nachfolger zum Patriarchen

Bis 2013 wird Jörg Sennheiser den beruflichen Erfolg seines Vaters noch übertreffen. Er arbeitet und arbeitet. Er eröffnet Niederlassungen in Amerika, Kanada, Japan, der ganzen Welt. Seine Mikrofone und Soundsysteme gehören zu den besten der Welt. Über weitere drei Jahrzehnte gibt es keinen singenden Weltstar, keinen Klassikkünstler, der sich bei Lampenfieber nicht mit dem High-End-Sennheiser-Mikro beruhigt. Heute preisen Pink und Madonna die neuste Technik, Scorpions-Sänger Klaus Meine testet gleich selbst im Wedemarker „Innovation Campus“. Er wohnt in der Nachbarschaft. „Wenn es Sennheiser ist, ist alles gut“, sagen die Musiker. Selbst die internationale Raumstation ISS kommuniziert mit Sennheiser-Technik. Jetzt ist Jörg Sennheiser gemeint, wenn die Mitarbeiter in dem vielfach erweiterten Gebäude-Gewusel neben dem Wedemarker Bauernhaus vom „Herrn Professor“ sprechen. Jetzt ist er der Patriarch. Nur ein bisschen zeitgemäßer. Oder?

„Ich wollte mir mehr Zeit für meine Familie nehmen als mein Vater. Aber die Wahrheit ist, meine Familie hat durchaus gelitten, und meine Frau war oft alleinerziehend.“

Der Einfluss der Gattin auf den mit der Härte der Nachkriegsjahre erzogenen Sennheiser ist groß, größer als bei vielen anderen Topmanagern. Er ging nicht wie in den Sechziger-, Siebzigerjahren üblich auf Brautschau in den elitären Zirkeln. Der norddeutsche Elektroingenieur verliebt sich in eine gänzlich komplementäre Schweizer Künstlerin. Sennheiser verändert sich, wenn er über sie spricht. Der ganze Mann entspannt sich. „Meine Frau ist eine psychologisch sehr interessierte Malerin“, so beschreibt er seine Lebensgefährtin. „Was für eine Bereicherung für mich, ein Ausbruch aus dem rein technischen Denken!“

"Die Firma geht nicht vor"

Seine Frau stellt Verhaltensstandards infrage. Sie öffnet ihn für die eigene Kindheitsgeschichte und deren lebenslänglichen Einfluss. Sennheiser lernt, Emotionen und persönliche Wünsche klar zu identifizieren und sie zugleich nicht zu ausschlaggebenden Argumenten bei Unternehmensentscheidungen werden zu lassen. Er kann das eine vom anderen trennen.

Das Ehepaar führt die Kinder an Kunst und Musik heran, schickt sie auf weite Reisen, fördert soziale Kompetenz. Sie bimsen ihnen ein: „Jeder Beruf, den ihr anstrebt, ist für uns gleichwertig. Die Firma geht nicht vor“, erzählt Sennheiser. Aber ganz neutral ist er dann doch nicht. Der leidenschaftliche Bastler drückte den Kindern Lötkolben in die Hand und taucht mit ihnen im Hobbykeller ab.

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