Rüstung Deutschlands Waffenindustrie wagt sich aus der Deckung

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Ein großer Abnehmer könnte Quelle: REUTERS

„Besonders in Schwellenländern wie Brasilien steigt mit dem Wohlstand das Sicherheitsbedürfnis“, sagt Berater Hessenbruch. So hat Indien in den vergangenen fünf Jahren den Wehretat um 35 Prozent gesteigert, Brasilien um 23 Prozent. Zum größten Kunden könnten die Golfstaaten werden, die bis 2014 rund 100 Milliarden Dollar in ihre Sicherheit stecken.

Dabei kaufen Länder wie die USA, Brasilien und Indien, aber auch andere Rüstungsgüter vielfach nur, wenn sie dadurch Fertigung ins Land ziehen. So brachte Polen der Kauf von Kampfflugzeugen bei Lockheed Martin Aufträge von General Motors zum Bau des Opel Zafira ein. Heute verlangen die meisten Regierungen, dass die Rüstungslieferanten die Aufträge im Land abarbeiten – und dabei eine Industrie mit hochwertigen Industriearbeitsplätzen schaffen. EADS tut dies gerade in Brasilien bei einem Joint Venture mit dem Baukonzern Odebrecht.

Grosskunde Golfstaaten

Das ist den hiesigen Unternehmen ganz recht. „Angesichts der sinkenden Etats bietet Europa nicht mehr genug Aufträge, um neue Technologien zu entwickeln oder auch nur bestehende vorzuhalten“, sagt EADS-Rüstungschef Zoller.

Auslandsengagements sind keine Domäne der Großen. Wenn Zollers Cassidian genannte EADS-Tochter ins Ausland geht, nimmt sie den Mittelstand mit. 2009 hat Cassidian fast drei Viertel der Aufträge an Lieferanten weitergegeben.

Der Gang ins Ausland fällt den Deutschen dank des Zivilgeschäfts leichter als anderen. „Viele sind bereits im Ausland aktiv und betreten trotz aller Besonderheiten des Rüstungsgeschäfts kein komplettes Neuland“, sagt Berater Hessenbruch. So komplettiert WEW die Tankcontainer für die US Army vor Ort und nutzt dabei die im Vergleich zu Deutschland großzügige Förderung. Weil sie mit einem Mittelständler in einem Indianer-Reservat kooperieren, genießen sie besonderes Wohlwollen. „Da dürfen Mittelständler sogar auch mal teurer sein als Großanbieter“, sagt WEW-Chef Ulrich Bernhardt.

Nach Ansicht von Experten steht der Erfolg der Deutschen wegen des Trends zum Heimatschutz erst am Anfang. „Unsere Sicherheitsprobleme sind heute Terrorismus, sicherer Warenverkehr, Piraterie und Kriminalität“, sagt EADS-Manager Zoller. Er möchte vermehrt mit Satelliten, intelligenten Drohnen, Sicherheitskontrolltechnik für Gebäude und Verkehrs-wege sowie abhörsicherer Kommunikation ins Geschäft kommen.

So hat EADS in 67 Ländern einen sicheren Polizeifunk aufgebaut. Cassidian sichert nach Olympia 2006 in Peking nun auch die Spiele in Brasilien sowie die Fußballweltmeisterschaft – und baut für Saudi-Arabien und Rumänien eine automatische Grenzsicherung.

Aber auch für die zweite Reihe fällt genug ab. So liefern Rohde & Schwarz aus München Überwachungselektronik. Diehl baut Spähtechnik für Bahnhöfe oder Schiffe und Carl Zeiss sowie Schott – eher bekannt für Brillen oder Ceranfelder für Elektroherde – Sensoren und Zieloptiken, die zum nötigen Durchblick in unübersichtlicher Lage verhelfen.

Der Schwenk zur Sicherheitstechnik hat für die Rüstungsfirmen einen willkommenen Nebeneffekt – nämlich die Chance, nicht mehr das hässliche Gesicht der deutschen Wirtschaft zu sein. „Wenn wir Piraten jagen, die Trinkwasserversorgung sichern oder einem Land erlauben, sich selbst zu schützen, dann ist das etwas Positives“, sagt EADS-Mann Zoller. „Nur in den Urteilen über uns ist das noch nicht angekommen.“ Besonders bei der Computersicherheit hofft die Branche auf ein gutes Bild. „Wem traut man da wohl einen besseren Schutz vor Missbrauch zu“, fragt ein Branchenmanager. „Google, der Telekom – oder uns?“

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