Aufsichtsräte Der Höllenjob

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Posten adäquat besetzen

Auch William Eggers von der Personalberatung Korn Ferry hält höhere Entgelte für angemessen. Um das zu untermauern, hat er analysiert, wie viel Honorar Vorstände und Aufsichtsräte pro Arbeitstag erhalten. Im Vergleich zum Vorstandschef erhielten die Spitzen des Kontrollgremiums im Durchschnitt zehn Prozent weniger, einfache Aufsichtsräte sogar 50 Prozent weniger Geld als gewöhnliche Vorstände. Dabei, sagt Eggers, bräuchten die Kontrolleure inzwischen dasselbe Wissen wie die Vorstände, um ihre Aufgabe zu meistern. „Das muss sich im Gehalt widerspiegeln, die Aufsichtsratslöhne müssen ungefähr auf das Niveau der Vorstände steigen“, fordert Eggers. Die These ist umstritten. Doch auch für ihre Kontrolleure ist das Leben in der Komfortzone vorbei. Personalberater beziffern den Zeitaufwand für einen durchschnittlichen Aufsichtsratsposten heute auf vier Wochen im Jahr, für den Vorsitz sogar sechs Wochen.

Solange sich aber nichts ändert, steuern die vielen Familienunternehmen und Konzerne, die sich durch ein Aufsichtsgremium kontrollieren lassen, auf einen echten Engpass zu. Dax-Konzerne verbieten ihren Vorständen in den Arbeitsverträgen inzwischen in der Regel, mehr als einen Posten anzunehmen. Ein Konzern aus Süddeutschland untersagt die Übernahme sogar komplett, sagt der Personalberater Heiner Thorborg.

Der Kreis der Kandidaten, und das ist ein nachhaltig großes Problem, wird dadurch zwangsläufig kleiner. Unternehmen tun sich schwerer damit, die Posten adäquat zu besetzen. „Früher sah der Aufsichtsratschef in sein Notizbuch und wurde fündig, das funktioniert heute nicht mehr“, sagt Sabine Hansen, Personalberaterin bei Kienbaum.

Vor allem bei den im Vergleich zur Realwirtschaft noch komplexeren Finanzkonzernen ist die Lage brenzlig. Der Job ist nicht nur besonders anspruchsvoll, weil neue Regeln nicht nur das Geschäft verändern, sondern auch die Anforderungen an den Aufsichtsrat erhöhen. Das Bewerberfeld ist auch besonders eingeschränkt: Schließlich ist der typische Aufsichtsrat ein fachlich versierter Manager nach dem Zenit seiner Karriere. Die Finanzkrise hat diesen Zyklus unterbrochen. Etliche Banker wurden entlassen, manche mussten sich vor Gericht verantworten. „Es fehlt eine ganze Generation“, sagt ein Personalberater.

Dass die offene Revolution gegen Deutsche-Bank-Aufseher Achleitner vorerst ausgeblieben ist, liegt auch daran, dass ein besserer Kandidat nicht in Sicht war. Axel Weber, Vorsitzender des dem deutschen Gremium nur beschränkt vergleichbaren Verwaltungsrats bei der Schweizer UBS, wäre die Wunschlösung eines großen Aktionärs gewesen. Aber warum sollte Weber diesen Job gegen eine Aufgabe mit mehr Risiko und weniger Geld tauschen? Hinter Webers breitem Rücken aber wird das Feld schon dünn.

Wie dünn, lässt sich in Frankfurt nur ein paar Meter weiter beobachten. Bei der Commerzbank steht der leutselige Klaus-Peter Müller seit acht Jahren an der Spitze des Gremiums. Das ist verwunderlich, weil Müller in den Jahren zuvor als Vorstandschef den Niedergang der Bank mit folgenschweren Fehlkäufen maßgeblich vorangetrieben hat. Doch die Kritik daran traf vor allem seinen Nachfolger Martin Blessing. Müller versteckte sich als Oberkontrolleur hinter seinen guten Beziehungen zur Berliner Politik.

In wenigen Tagen erreicht Müller die Altersgrenze von 72 Jahren, die der deutsche Corporate-Governance-Kodex eigentlich setzt. Trotzdem macht er erst mal weiter, sein Vertrag läuft bis zum kommenden Jahr. Dabei sucht die Bank seit vielen Monaten einen Nachfolger. Bisher jedoch sind kaum Namen nach draußen gelangt. Das kann an der professionellen Diskretion der Beteiligten liegen. Oder daran, dass kein anderer den Job machen will.

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