Entscheidungen Lieber ungefähr richtig als genau falsch

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5. Die Sichtweise der anderen

Wie Sie Fettnäpfchen im Ausland vermeiden
Kleine Geste, großer Fettnapf: Russlands Präsident Wladimir Putin sorgte bei einem Gipfeltreffen in Peking für Aufsehen, als er Chinas First Lady Peng Liyuan eine Decke über die Schultern legte. Gemeinsam mit Staats- und Regierungschefs der asiatisch-pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) warteten die beiden am Montagabend bei Temperaturen knapp über Null Grad auf ein Feuerwerk. In China gilt es jedoch als unschicklich, sich einer fremden Person zu nähern. Peng Liyuan reagierte peinlich berührt und reichte die Decke schnell an einen Begleiter weiter. In sozialen Netzwerken wurde Putin für die Geste gelobt. „Der russische Gentleman“, kommentierte ein Nutzer auf dem Mikroblog Sina-Weibo. Andere Nutzer nahmen die Szene als Flirt war oder machten Späße darüber, wie überrascht Chinas Staatschef Xi Jinping die Szene beobachtet hatte. Den Zensoren war das offensichtlich zu viel: Innerhalb von Stunden löschten sie einige der Beiträge. Auch in anderen Ländern gilt es, einige regionale Gepflogenheiten zu beachten um sich nicht in ein Fettnäpfchen zu treten. Ein Überblick: Quelle: AP
BrasilienRichtig: Persönliche Beziehungen und Kennenlernen - auch außerhalb des Geschäftslebens - sind ausschlaggebend für das schnelle Gelingen eines Anliegens. Flexibilität ist sehr wichtig - Meetings und Vereinbarungen sollten vorher nochmal bestätigt werden. Fettnapfgefahr: Direkte Kommunikation wird vermieden. Drängt sich ein Problem auf, sollte man Lösungen finden, statt Kritik zu äußern. Quellen: ICUnet.AG & Haufe Quelle: dpa
IndienRichtig: Wenn man Geschenke überreicht, dann nur mit beiden Händen. Fettnapfgefahr: Keine Schuhe in einer fremden Wohnung tragen. "Nicht über die Armut im Lande reden, sondern eher über die Familie, Ausbildung oder Indien als Land", sagt Gurdatar Singh Bal, Interkultureller Berater der ICUnet.AG. Besonders wichtig: Keine Witze über Religion. Quelle: dpa
ItalienRichtig: Sympathie ist bei Geschäftsbeziehungen besonders von Vorteil; entsprechend wichtig ist es, Netzwerke und Beziehungen zu pflegen. Auch relevant: Lebhaft an Gesprächen teilnehmen, nicht zurückhaltend sein. Ältere Gesprächspartner würdigt man, indem man bei der Begrüßung aufsteht. Während des Essens sollte man nicht aufstehen.Fettnapfgefahr : Themen, die bei Gesprächen zu vermeiden sind: Mafia, Vorurteile gegenüber Italienern, langsames Arbeiten oder die vermeintlich schlechte Qualität eines Fiats. Quelle: dpa
ÄgyptenRichtig: Der Erfolg basiert auf zwischenmenschlichen Beziehungen. Ehre und Stolz sind wichtig, und man sollte daher stets vermeiden, dass das Gegenüber sein Gesicht verliert. Und Geduld sollte man haben - Unpünktlichkeit und Terminverschiebungen kommen vor. Das ist Teil eines anderen Zeitverständnisses. Fettnapfgefahr: Mit direkter Kommunikation kommt man nicht weit - sondern wird als unhöflich und ungeschickt wahrgenommen. Das gilt für private als auch für Geschäftsbeziehungen. Quelle: AP
PolenRichtig: Klassische Gentleman-Manieren bringen einen weiter - Frauen legen Wert darauf, dass man ihnen die Tür aufhält. Entsprechend gern gesehen ist der Handkuss.Fettnapfgefahr : Die deutsche direkte Art wird als unhöflich und arrogant wahrgenommen. Im schlimmsten Fall fühlt sich ein Gesprächspartner von oben herab behandelt. Zuhören ist besonders wichtig. "Versuchen sie nicht, dem anderen zu sagen, was richtig oder falsch, was gut oder schlecht, was wichtig oder unwichtig ist und hören Sie einfach zu", so Annette Becker, die interkulturelle Beraterin für Osteuropa bei der ICUnet.AG ist. Quelle: dpa
SchwedenRichtig: In privaten Häusern stets die Schuhe ausziehen. Häufiges Bedanken wird nicht als aufdringlich wahrgenommen, sondern als angemessen. Aufforderungen werden indirekt ausgesprochen und nicht in Imperativen. Entsprechend sollte man vermeiden, von oben herab zu Handlungen einzufordern.Fettnapfgefahr : Im Umgang mit Kollegen sollte man auf Förmlichkeit möglichst verzichten. Das wirkt distanzierend und nicht vertrauensaufbauend. Gespräche, in denen es um handfeste Auseinandersetzungen geht, sollte man nicht rein faktenbasierend führen. Schwedenexpertin bei der ICUnet.AG Kerstin Grönlund erklärt: "In Schweden gleicht eine gelungene Diskussion mehr einem Dialog mit vielen Pausen, in dem es ausreichend Bewegungsfreiheit bzw. "room to move" gibt." Bei hitzigen Diskussionen steigen die Schweden sonst aus. Quelle: dapd

Vier Worte, ein Satz: "What would Jesus do"? Die Armbänder mit dem entsprechenden Aufdruck waren unter Christen mal schwer in Mode. Die Frage sollte die Träger dazu ermuntern, sich bei kniffligen Entscheidungen zu fragen, wie Jesus sich in derselben Situation verhalten hätte.

Zugegeben, über die Sinnhaftigkeit des Rituals lässt sich durchaus streiten. Aber bisweilen treffen Menschen tatsächlich bessere Entscheidungen, wenn sie sich in die Lage eines anderen hineinversetzen.

Das fand im Jahr 2012 auch der israelische Psychologieprofessor Ilan Yaniv von der Hebräischen Universität in Jerusalem heraus: Bei einem Experiment sollten knapp 100 Studenten schätzen, wie viele Kalorien 20 Lebensmittel enthielten – darunter zum Beispiel ein Becher Naturjoghurt, eine Ofenkartoffel oder ein Teller überbackene Nudeln.

Zunächst sollten sie Yaniv ihre Entscheidung mitteilen. Danach konfrontierte der Wissenschaftler sie mit den Angaben anderer Personen. Die Hälfte der Probanden sollte sich nun vorstellen, wie ein anderer Teilnehmer wohl entscheiden würde. Sie nahmen also die Sicht eines Fremden ein. Und siehe da: Das wirkte. Die zweite Antwort war durchweg präziser als die erste. "Wer die Perspektive wechselt und sich in jemand anders hineinversetzt, trifft häufig bessere Entscheidungen", sagt Yaniv.

Der Psychologe glaubt, dass Menschen sich dadurch vor dem egocentric bias schützen – also der Neigung, sich auf sich selbst zu verlassen, eigene Ansichten nicht anzuzweifeln und schon gar nicht zu ändern. Der gedankliche Rollentausch hingegen bewahrt Menschen vor geistigen Scheuklappen – und führt zu besseren Entscheidungen.

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