Das „Management dürfte auch nach dem Börsengang, wenn der Streubesitz über 90 Prozent liegt, Ankeraktionär sein“. Mathias Seidler, Chef des Fahrradherstellers Derby Cycle, war im Februar 2011 noch guter Hoffnung, eine lange Börsenhistorie schreiben zu können. Keine 18 Monate später ist der Plan Geschichte. Gute Geschäftszahlen animierten zum Leidwesen Seidlers nicht nur freie Aktionäre, sondern auch strategische Investoren zum Einstieg. Der niederländische Konkurrent Accell (bekannteste Marke: Hercules) hatte im vergangenen Sommer 22 Prozent an Derby Cycle eingesammelt. Den unwillkommenen Investor wehrte Seidler mithilfe des Familienunternehmens Pon ab. Das wiederum packte auf den bereits deutlich gestiegenen Derby-Kurs noch einmal 28 Prozent drauf und sammelte so das Accell-Paket und die meisten anderen Aktien ein.
Jetzt hat Pon mehr als 95 Prozent an Derby Cycle und 97,6 Prozent der Stimmrechte – und will die verbliebenen Aktionäre bar abfinden. Zuletzt waren nur noch 2,4 Prozent aller Aktien im Handel – und luden zu einer weiteren Spekulation ein. Die geht so: Ursprünglich zahlte Pon 210 Millionen Euro für das 92-Prozent-Paket. Um die noch verbliebenen freien Aktionäre abzufinden, müsste Pon, gemessen am aktuellen Kurs, noch einmal sechs Millionen Euro in die Hand nehmen. Um ganz sicherzugehen, vielleicht aber auch acht Millionen – damit könnte der Kurs noch mal um ein Drittel steigen. Der Clou: Das alte Angebot zu 28 Euro bietet eine De-facto-Untergrenze für den Kurs. Selbst wenn die Börsen taumeln, kommen Derby-Aktionäre gut durch.
Auch Konkurrent Mifa wird aufgekauft
Interessiert dürften auch Aktionäre des Derby-Konkurrenten Mifa das Gerangel beobachten. Dort ist Carsten Maschmeyer eingestiegen, Gründer des Finanzkonzerns AWD und seit seiner Verbindung mit Veronica Ferres auch „Bunte“-Lesern bekannt. Nur noch gut ein Fünftel der Mifa-Papiere liegt bei Kleinaktionären. Auch bei dem Fahrradbauer aus Sachsen-Anhalt würde langfristig ein Aufkauf und ein Abschied vom Kurszettel kaum überraschen.
Das Ende der Kursnotiz nach einer Übernahme bedeutet oft nicht das Ende der Jagd nach Rendite: Klage-Profis wie der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger gehen auch nach Ende der Börsennotiz noch gegen die Unternehmen vor, um eine höhere als die zuletzt gezahlte Abfindung herauszuholen. Allein zwischen 2009 und 2011 wurden 89 solcher Spruchverfahren abgeschlossen, hat Dirk Lorenz, Anwalt bei Taylor Wessing in München, herausgefunden. In 54 Fällen waren Anteilseigner per Zwangsabfindung aus Aktien gedrückt worden (Squeeze-out) – und wurden entschädigt: „Insgesamt lag die durchschnittliche Erhöhung der Barabfindung bei 26 Prozent“, so Lorenz.
Der Zuschlag allein sagt noch wenig über die Jahresrendite aus, da die Anleger im Schnitt der 89 untersuchten Spruchverfahren „sechs Jahre und elf Monate auf die endgültige Entscheidung warten mussten“, so Lorenz. Je länger sich die Verfahren hinziehen, desto weniger rechnet sich, aufs Jahr gerechnet, eine Erhöhung der Barabfindung. 21 Jahre mussten sich Aktionäre von AEG gedulden, bis das Spruchverfahren gegen die ehemalige Mutter Daimler abgeschlossen war.