Aktienanalyse Warum die Netflix-Aktie zu teuer ist – und trotzdem spannend

Geht es mit Netflix weiter aufwärts? Quelle: PR

Bisher ist Netflix durch seinen Streaming-Dienst gewachsen, gute Nutzerzahlen trieben diese Woche den Aktienkurs in die Höhe. Die Zeichen für weiteres Wachstum stehen gut – aber es dürfte aus anderen Quellen kommen.

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Netflix ist zurück. Die Zahlen, die der Streaming-Riese vor kurzem vorlegte, kamen an der Börse hervorragend an. Der Aktienkurs schoss um zehn Prozent nach oben.

Nach sieben aufeinanderfolgenden Quartalen mit jeweils weniger als zehn Prozent Umsatzplus war Netflix von einigen Marktbeobachtern bereits totgesagt worden. Nun vermeldete das US-Unternehmen ein Umsatzwachstum von 12,5 Prozent zum Vorjahresquartal, bei wieder gestiegener Profitabilität.

Grund für die starken Zahlen war vor allem das Nutzerwachstum: Im vierten Quartal 2023 verzeichnete Netflix hier das stärkste Plus aller Zeiten in einem letzten Jahresviertel. Mehr als 13 Millionen Abonnenten kamen von Anfang Oktober bis Ende Dezember neu hinzu. Das war fast die Hälfte des gesamten Jahreszuwachses auf in Summe 260 Millionen Nutzer. Auch die restlichen Zahlen lesen sich wunderbar. Doch viel interessanter sind zwei andere Dinge.

Netflix ist der einzige sozusagen echte namhafte Anbieter seiner Branche. Das Unternehmen trägt keine Altlasten in Form von schrumpfendem linearen Fernsehen mit sich herum, anders als Konkurrenten wie Disney und Warner Bros. Discovery in den USA oder RTL und ProSiebenSat1 in Deutschland.

Zudem sind die Plattformen der Wettbewerber Hulu, Paramount und HBO Max, aber auch PrimeVideo von Amazon, zwar ambitioniert und mit aggressiven Preisen gestartet. Sie liegen allerdings meilenweit zurück, was Nutzerzahlen und vor allem die Profitabilität betrifft. Netflix spielt hier in einer eigenen Liga. Der Streaming-Riese kann sich so ganz auf sein Wachstum konzentrieren, ohne sich selbst zu kannibalisieren.

Netflix hebt neue Potenziale bei Wrestling und Werbung

In der Streaming-Branche gab es bereits eine erste Konsolidierungswelle. Disney ging mit Fox zusammen, Time Warner erst mit AT&T, zuletzt mit Discovery, davor fusionierten Viacom und CBS. Positive Auswirkungen hatte das aber nicht auf die Unternehmen. Die alten Probleme drücken noch immer. Weitere Zusammenschlüsse wie der jüngst diskutierte Deal zwischen Paramount und Warner Bros. Discovery dürften daran nichts ändern: Zwei Kranke formen nicht automatisch einen Gesunden. Das klassische Fernsehen dürfte zwar noch den Sprung ins nächste Jahrzehnt schaffen, ist aber ein Auslaufmodell. Vor allem in den Generationen Y und Z wird kaum noch linear ferngesehen: Angehörige dieser Generationen verbringen mehr als die Hälfte ihrer „Fernsehzeit“ bei Streaming-Diensten wie Netflix, zeigt eine Studie von Magna Media in Kooperation mit Sony.

Bis vor kurzem wuchs Netflix hauptsächlich organisch, dank steigender Nutzerzahlen und gelegentlicher Preiserhöhungen. Hier gibt es sicher noch Potenzial. Doch nun kommt weitere Wachstumsfantasie dazu: Erstens baut der US-Konzern alternative Angebote auf. Ab nächstem Jahr wird Netflix auch Wrestling zeigen. Im Rahmen eines Fünf-Milliarden-Dollar-Deals mit dem Wrestling- und Mixed-Martial-Arts-Unternehmen TKO Group läuft das Wrestling-Flaggschiff-Event „Monday Night Raw“ ab Januar 2025 exklusiv bei dem Streaming-Dienst. Zweitens versucht Netflix, nun auch mit Werbung Geld zu verdienen. Ein besonders günstiges Abo ist künftig an das Ausspielen von Werbung gekoppelt.

Werbung ist deshalb so interessant für Netflix, weil sie von dem Unternehmen keine großen Inventionen erfordert. Das garantiert eine hohe Marge. Der Plan mit den günstigeren Werbe-Abos scheint aufzugehen: In genau dieser Preisklasse verzeichnete der Streaming-Dienst zuletzt das größte Wachstum. In nur einem Quartal wuchs die Zuschauergruppe, die Werbeeinblendungen in Kauf nimmt, um 70 Prozent.

Zu den Werbeerlösen selbst veröffentlicht Netflix noch keine Zahlen. Man kann aber davon ausgehen, dass das Werbesegment stark wachsen und überproportional zum Ergebnis beitragen wird. Wenig verwunderlich also, dass das Management von Netflix für dieses Jahr neben weiterem Wachstum auch eine mit 24 Prozent deutlich höhere operative Marge in Aussicht stellt. Der bisherige Bestwert lag im Jahr 2021 bei 20,9 Prozent.

Wermutstropfen für Netflix-Anleger

Die Wachstumsstory ist also intakt. Allerdings wird für die Aktie inzwischen auch ein Premium-Preis aufgerufen. Netflix lässt sich nach Jahren hoher Inventionen mittlerweile gut über den freien Cashflow bewerten. Dieser ist mit 6,9 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr stark ausgefallen. Inklusive Schulden beträgt der Unternehmenswert (Marktkapitalisierung plus Schulden abzüglich Kassenbestand) rund 250 Milliarden Dollar. In Relation zu den aktuell angestrebten sechs Milliarden Dollar freiem Cashflow liegt der Multiplikator bei 41. Das ist eindeutig zu viel.

Das Umsatzwachstum sollte in den nächsten Jahren bei 10 bis 15 Prozent liegen. Auch mit höheren Margen sowie dem laufenden Aktienrückkaufprogramm wäre ein Multiplikator von 20 bis 25 fairer, sofern man eine zweistellige Rendite pro Jahr über die nächsten zehn Jahre erwartet. Das entspricht Kursen von rund 300 Dollar. Das mag aktuell utopisch klingen. Derzeit notiert die Netflix-Aktie bei rund 544 Dollar.

Doch genau aus dieser Region und gar tiefer kam die Netflix-Aktie in den vergangenen Quartalen. Zwischen Sommer und Jahresende 2022 handelte die Aktie in diesem Bereich. Auch im März 2023 ging es kurz runter Richtung 300 Dollar. Auf eine solche Gelegenheit sollten Anleger warten, um nicht zu teuer einzukaufen. Dass sich eine solche Gelegenheit nochmal ergeben könnte, ist nicht unwahrscheinlich: In der westlichen Welt, dem Zielmarkt von Netflix, schwächelt die Konjunktur. Abo-Dienste sind, ebenso wie Werbung, zyklische Geschäfte. Verbraucher und Unternehmen setzen hier schnell den Rotstift an.

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Fazit: Zum Allzeithoch bei über 680 Dollar fehlt noch ein Stück. Dass die Netflix-Aktie dieses Niveau wieder erreicht, dürfte aber bloß eine Frage der Zeit sein. Netflix steht finanziell besser da denn je, zudem sollte der Eintritt vor allem ins Werbegeschäft für spürbares Wachstum sorgen. Aber: Auch wenn ein Unternehmen operativ wächst, kann eine Aktie zu teuer sein. Interessierte Anleger sollten auf einen Rücksetzer warten.

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