Zeitvorteile ganz anderer Art verkauft die Deutsche Börse: Sie schickt Abonnenten den oft kursbewegenden Einkaufsmanagerindex Chicago Purchasing Manager Index (PMI) früher als der Öffentlichkeit, die ihn kostenfrei bekommt. Dem Datenanbieter Thomson Reuters hat Ähnliches schon Ärger mit dem New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman eingehandelt: Der untersucht die Handelspraktiken an der Wall Street und prüft, ob Hochfrequenzhändler illegal bevorzugt werden.
Thomson Reuters schickt Umfrageergebnisse der Universität Michigan zur US-Verbraucherstimmung nicht mehr mit zwei Sekunden Vorsprung an Händler. Die Daten gelten als Indikator dafür, wie die Konjunktur sich entwickelt, sie können Börsenkurse heftig bewegen.
Manipulation per Spam-Aufträge
Der Einkaufsmanagerindex ist nicht der einzige Service der Börse für Flash Boys: Sie lässt sie auch ganz nah an ihre Rechenzentren ran. Die Trader mieten ihre Computer beim Anbieter Equinix ein, direkt neben den Hauptrechnern der Börse. Doch das Platzieren von Computern in Börsen-Rechenzentren, Co-Location genannt, hebelt das Prinzip Börse, das auf Gleichberechtigung zielt, aus. Wer dort eingemietet ist, kann zum Beispiel Aufträge blitzschnell stornieren.
Die BaFin hat einem Händler schon 24.000 Euro abgeknöpft, weil er den Markt mit seinen Stornos manipuliert hat. Er hatte massenhaft Kauforders als Lockmittel ins Handelssystem gestellt, um Nachfrage vorzutäuschen und Käufer für eigene Papiere anzulocken. Da sich die Kurse nach Angebot und Nachfrage richten, kann der Preis bei einer solchen Aktion tatsächlich steigen. Kaum hatte er seine Papiere verkauft, löschte er binnen 0,31 Sekunden seine Kaufaufträge. Insgesamt dauerte die Aktion drei Sekunden.
Verglichen mit anderen Aufsichtsbehörden aber, ist die BaFin lammfromm. Aufseher in Großbritannien und den USA haben einem Händler und seiner Firma schon mal fast sechs Millionen Dollar aufgebürdet. Die Behörden hatten es als erwiesen angesehen, dass der in Amerika ansässige Händler die Märkte mit Spam-Aufträgen manipuliert hat.
Er soll allein 400.000 Orders auf der Plattform der US-Terminbörse CME platziert haben, wovon 98 Prozent wieder gelöscht worden seien. Sein Algorithmus soll damit mindestens 1,4 Millionen Dollar verdient haben.
Alternative Plattformen
Weil Börsen an den hohen Handelsumsätzen der Flash Trader und an Zusatzleistungen gut verdienen, hofieren sie die schnellen Händler. Doch was Börsen auf der einen Seite gewinnen, kann ihnen auf der anderen Seite verloren gehen. Viele Verwalter großer Vermögen versuchen heute, den Flash Boys auszuweichen.
Marktführer BlackRock geht verstärkt über alternative Plattformen. Allianz Global Investors (AGI) hat nicht nur massiv in Technologie investiert, sondern nutzt ebenfalls „alternative Plattformen“ oder „Broker, die größere Orders geräuschlos platzieren können, um der Ungleichbehandlung durch die Börsen entgegenzuwirken“, heißt es bei der Allianz-Tochter. AGIs Aktienblöcke sind groß, an der Börse kann das Haus seine Orders kaum verstecken: Weltweit hat AGI 2013 rechnerisch 500 Millionen Euro pro Handelstag umgesetzt.
Auch Union Investment ist „aktiver an alternativen Handelsplätzen als noch vor einigen Jahren“. Um den Flash Boys zu entgehen, haben Trader in den USA gar die Börse IEX gegründet. Aufträge werden dort verzögert, Flash Boys bleiben freiwillig draußen.
Das Gleiche gilt für sogenannte Dark Pools, die Hochfrequenzhändler ausschließen. Auf diesen Plattformen können Anleger große Mengen von Aktien – „Blöcke“ im Fachjargon – anonym handeln. Im Dark Pool Liquidnet etwa dürfen nur Vermögensverwalter handeln, keine Flash Trader.
Dank der Dark Pools und alternativer elektronischer Plattformen hat die Zahl der Handelsplätze immens zugenommen. Angebot und Nachfrage werden immer mehr zersplittert, Fonds mit großen Orders sind gezwungen, diese auf mehreren Plattformen aufzugeben. „Wir suchen verzweifelt nach Liquidität“, sagt der Aktienchef eines großen Hauses. Auch das ist teuer und kostet Anleger Rendite.