Wie das funktioniert, erklärt einer der Flash Boys, der um jeden Preis unerkannt bleiben will. Weil große Kaufaufträge den Kurs einer Aktie nach oben treiben können, suchen die Hochfrequenz-Handelsprogramme nach diesen.
Sie erkennen etwa, wenn eine Adresse alle paar Sekunden kleine Stückzahlen einer Aktie kauft. Sie unterstellen dann, dass diese Adresse weiter zugreifen wird – und kaufen mit enormer Geschwindigkeit. „Zehn Sekunden später verkaufe ich die Aktien wieder einen Tick teurer“, sagt der Trader und grinst. In 70 Prozent der Fälle gehe die Strategie auf.
Zusätzlich suchen seine Algorithmen nach Aktienkursen, die schneller steigen als normal. Die Rechner springen dann auf den Trend an, folgen ihm und kaufen mit, bis der Kurs wieder dreht – dann verkaufen sie blitzschnell wieder.
Zwei Millionen Dollar Nettogewinn pro Tag
Das Geschäft lohnt sich. Die Zahlen des US-Hauses Virtu Financial belegen das eindrucksvoll. Virtu hatte als erster und einziger der geheimnisumwitterten Hochfrequenzhändler Zahlen zum eigenen Geschäft veröffentlicht, im Vorfeld eines geplanten und dann auf Eis gelegten Börsengangs: 2013 holte Virtu aus 665 Millionen Dollar Umsatz 182 Millionen Dollar Gewinn heraus.
Bis zu zwei Millionen US-Dollar Nettogewinn pro Handelstag waren dabei keine Seltenheit – und das über Jahre (siehe Grafik). Virtu ist über eine irische Tochter auch im Deutsche-Börse-System Xetra und an der Eurex aktiv. Damit lebt Virtu auch von deutschen Sparern.
Flossbach befürchtet, dass die Computer den Markt künftig so schnell bewegen könnten, dass Flash Crashs, also extrem schnelle Markteinbrüche, künftig „nicht immer so glimpflich ausgehen müssen wie in den letzten Jahren“. Angeschmiert sind bei Flash Crashs auch Privatanleger, die bei ihrer Bank ein Stop-Loss-Limit platziert haben – eine Kursmarke, bei deren Unterschreiten die Bank automatisch verkaufen soll. Bricht ein Kurs aber nur für wenige Sekunden ein und fängt sich dann wieder, sind die Papiere raus aus dem Depot – zu einem bescheidenen Preis.
Um die Flash Trader auszukontern, beschäftigt Flossbach heute mehr Händler, die zudem neue Strategien entwickeln. „Wir gehen antizyklisch vor, beschleunigen also eine Kauforder, wenn der Preis fällt“, sagt Flossbach.
So offen wie er redet sonst kaum einer der Milliardenmanager. Die DekaBank etwa schweigt zu dem Thema. Als zentrales Wertpapierhaus der Sparkassen legt sie auch rund 26 Milliarden Euro an, die fleißige Sparkassen-Sparer in Aktienfonds eingezahlt haben.
Union Investment, die für Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken 38 Milliarden Euro in Aktien verwaltet, lässt schriftlich ausrichten, dass man „seit langem um die Probleme des Hochfrequenzhandels“ wisse. Man habe Gegenstrategien entwickelt, erläutern möchte Union die aber nicht. Nur so viel: „Wir setzen Systeme ein, die es uns erlauben, mögliche Nachteile des Hochfrequenzhandels wie das so genannte Frontrunning und Ausarbitrieren zu vermeiden“, lässt Christoph Hock, Leiter des Aktien- und Derivatehandels, auf Anfrage mitteilen.
Frontrunning bedeutet, dass jemand, der von bevorstehenden Kaufaufträgen erfahren hat, sein Insiderwissen nutzt und vorher billiger kauft. Arbitrage ist Handel, bei dem die Akteure von oft winzigen Preisdifferenzen zwischen verschiedenen Börsenplätzen profitieren.
Die Börsen profitieren
Rund um den schnellen Handel hat sich eine Industrie entwickelt, die mit den Hochfrequenzhändlern gute Geschäfte macht. Wichtigste Profiteure sind die Börsen selbst, die ihnen Handelsdaten und Rechnerplätze direkt neben den Börsencomputern verkaufen.
Hochfrequenzhändler verdienen nicht nur Geld, weil sie schneller sind, sondern auch, weil sie einen tieferen Einblick in die Auftragslage haben als andere Anleger. Die Deutsche Börse etwa verkauft ihnen Daten aus dem elektronischen Orderbuch, in das alle Kauf- und Verkaufsaufträge einlaufen.
Trader können Daten zum Beispiel im Paket „Core“ oder in der Luxusversion „Ultra“ kaufen. Core liefert für das Aktien-Handelssystem Xetra alle 200 Millisekunden – fünfmal pro Sekunde – ein Datenupdate. Wer sich Ultra leistet, sieht den Markt viel klarer, weil er jedes Datenupdate bekommt, geschätzt mindestens sechsmal so viele Daten, und die auch noch schneller.
Die Programme versuchen, anhand der Auftragslage auszurechnen, ob ein Kurs steigt oder fällt. So können sie anderen Anlegern zuvorkommen.