Großbritannien rechnet inzwischen damit, dass die Londoner City die Hauptlast der Russland Sanktionen tragen wird – weil weder ein Boykott russischer Gaslieferungen nach Deutschland noch eine französischer Stornierung des „Mistral“ Auftrags in Frage kommen dürften. Dazu kommt, dass eine Sperre der globalen Kapitalmärkte für russische Staatsbanken, die vor allem den Londoner Finanzbezirk, die City, treffen würde, eine der effektivsten Maßnahmen ist. Allein die Androhung hat gereicht, russische Kreditkosten in die Höhe und Aktienmärkte nach unten zu treiben.
Lord Livingston, Staatssekretär im Handelsministerium, erklärte am Sonntag, London werde sich nicht vor Sanktionen drücken, selbst wenn es weh tue. Es war eine Warnung an die Londoner City, aber auch eine Versicherung für die EU-Partner. „Ganz Europa soll, wissen, das London absolut bereit ist, seinen Teil der Schmerzen zu tragen und das Richtige zu tun“.
Wie groß die Schmerzen wirklich sind, ist umstritten. Von den 2013 in Europa gezeichneten russischen Anleihen im Wert von 15,8 Milliarden Euro entfiel knapp die Hälfte, 7,5 Milliarden Euro, auf London. Doch der Think Tanks „Open Europe“ bezeichnete die Vorhersage von katastrophalen Verlusten im Falle eines Finanzboykotts Russlands als „übertrieben“. Nur 0,5 Prozent der europäischen Investitionen in der City kämen aus Russland. Andererseits wären britische Firmen wie BP stark betroffen, wenn Russland seinerseits westliche Vermögen einfrieren würde. BP besitzt einen knapp 20 Prozent Anteil an dem russischen Staatskonzern Rosneft.
Ausdrücklich warnte Premier Cameron in der BBC auch die Oligarchen, von denen so viel die Rede ist. „Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir gegen Putins Clique harte Sanktionen verhängen sollten, wo immer sie leben“, sagte er in der BBC. Aber er fügte auch hinzu, Investoren und Bürger in Großbritannien dürften nicht nur deshalb bestraft werden, weil sie mit russischen Akzent sprächen. Dachte er dabei an die reichen Russen und von Russen geführte britische Firmen, die seine konservative Partei mit teilweise hohen Spenden unterstützen.
„Oligarchen haben eine Woche Zeit, ihr Geld in Sicherheit zu bringen“, warnte der „Daily Telegraph“. Auch hier hat allein die Drohung bereits dazu geführt, dass kaum noch neues Geld aus Russland nach London kommt. Regierungskreise bestätigten, dass Russen nun Geld außer Landes zu schaffen, laut City Berichten ist Singapur der neue Zielhafen für russische Gelder.
Aber Sanktionen gegen Individuen sind mit Problemen behaftet. London verdankt seinen Ruf als Weltfinanzzentrum vor allem seinen soliden Rechtsgrundlagen und dem absoluten Respekt vor Eigentum. Individualvermögen ohne hieb und stichfeste Rechtsgrundlage einzufrieren, wäre ist mit riesigen Problemen behaftet, nicht nur, wenn es sich, wie bei vielen reichen Russen in London, um britische Staatsbürger handelt. Unter anderem haben der Finanzier Andrey Borodin und der ehemalige Yukos Manager Alexander Temerko,. Vize der britischen Energiefirma OGN Group, die britische Staatsbürgerschaft. Abgesehen davon, dass eine Flut von Prozessen auf die britische Regierung zukommen würde, wäre Großbritannien kaum bereit, mit Sanktionen, deren Ziel die Aufrechterhaltung der internationalen Rechtsordnung ist, diese internationale Rechtsordnung selbst zu brechen.
Eine für Großbritannien eher profitable Sanktion dagegen wäre, Russland die Fußball Weltmeisterschaft 2018 wegzunehmen – weil sich England als Unterlegener Bieter große Hoffnungen machen könnte, die WM dann auszutragen. Den Vorschlag machte Vizepremier Nick Clegg am Wochenende. Premier Cameron unterstützte ihn dabei allerdings nicht. Für einen Boykott sei es noch zu früh.