EU-Sanktionen gegen Russland Die Furcht vor dem Bumerang-Effekt

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Österreich

Österreich lässt sich nicht beirren: Trotz vieler Scharfmacher in der EU tritt die Alpenrepublik bei geplanten Wirtschaftssanktionen gegen Russland möglichst unauffällig auf die Bremse. Das hat gute Gründe: Die österreichische Wirtschaft ist mit der russischen eng verzahnt. Zahlreiche wichtige Unternehmen wie der Öl- und Gasriese OMV, der Baukonzern Strabag, das Öltechnologieunternehmen Catoil oder Banken wie Raiffeisen oder Bank Austria sind im Reich von Wladimir Putin stark engagiert. Harte Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland würden die österreichische Volkswirtschaft ins Mark treffen. Entsprechend groß ist der Widerstand in der österreichischen Wirtschafts- und Finanzwelt.

Wo Gazprom in Deutschland seine Finger im Spiel hat
Des russische Energieversorger Gazprom liefert nicht nur Erdgas in verschiedene Länder, er investiert auch in Erdgastankstellen. So hat das Unternehmen im September 2013 zwölf Erdgastankstellen des bayerischen Energieversorgers FGN in Süddeutschland übernommen. „Mit der Übernahme erweitern wir unser Erdgastankstellennetz in Deutschland und bekräftigen unser Engagement für den umweltschonenden Einsatz von Erdgas als Kraftstoff“, sagte Vyacheslav Krupenkov, Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania GmbH. Mit der Übernahme baute GAZPROM Germania ihr bundesweites Netz von acht auf 23 Erdgastankstellen bis Ende 2013 aus. Quelle: dapd
Auch bei der Verbundnetz Gas AG (VNG) in Leipzig ist Gazprom investiert. Gleiches gilt für die W&G Beteiligungsgesellschaft in Kassel, die ebenfalls im Erdgastransport tätig ist. Gazprom öffnet aber auch für den Sport seinen Geldbeutel. Quelle: dpa
Gazprom spendete der Christoph Metzelder Stiftung 20.000 Euro für sozial-benachteiligte Kinder. Auf Initiative des ehemaligen Fußballnationalspielers engagiert sich das russische Energieunternehmen für das Projekt „Bildungstankstelle“ am Firmenstandort Berlin. Das außerschulische Angebot des Vereins Straßenkinder e.V. fördert sozial schwache Schüler in Marzahn-Hellersdorf mit individueller Lernbetreuung. Die Kooperation zwischen GAZPROM und der Christoph Metzelder Stiftung startete bei der offiziellen Saisoneröffnung des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. Quelle: Presse
Seit 2007 ist Gazprom einer der Hauptsponsoren des Vereins Schalke 04. Rund 17 Millionen Euro macht der russische Gaskonzern jährlich für den Verein locker. Der hat jetzt eine Einladung in den Kreml angenommen, die angesichts der Ukraine-Krise in der Politik auf Kritik gestoßen sind. "In der momentanen Lage eine Einladung in den Kreml anzunehmen und sich so instrumentalisieren zu lassen, zeugt nicht wirklich von Fingerspitzengefühl", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der "Bild"-Zeitung . Neben Schalke fördert Gazprom auch Zenit St. Petersburg, Roter Stern Belgrad und den FC Chelsea. Quelle: AP
Ganz aktuell fördert Gazprom die Fotoausstellung des russischen Künstlers Yurgis Zanarevsky im Berliner "Café des Artistes". Quelle: Screenshot
Auch für die Deutsch-Russischen Festtage macht Gazprom Geld locker, statt. "Gazprom Germania unterstützt die Deutsch-Russischen Festtage seit ihren Anfängen als zuverlässiger Partner. Mit unserer Förderung ermöglichen wir allen Besuchern den kostenfreien Besuch des Kulturfestes und viele Begegnungen zwischen Menschen aus Russland und Deutschland", heißt es seitens des Unternehmens. Quelle: AP
Außerdem bezuschusst Gazprom die Deutsch-Russischen Filmtage und die Russische Filmwoche in Berlin. "Wir sorgen dafür, dass das weltberühmte Mariinski-Theater aus St. Peterburg das Berliner Publikum verzaubert", heißt es im Geschäftsbericht. Quelle: Presse

Die rot-schwarze Regierung in Wien ist traditioneller kein Freund einer scharfen Sanktionspolitik. „Wir gehören aber nicht zu jenen, die ständig diese Sanktionskeule schwingen, in dem Vertrauen, das würde das Problem lösen“, sage Werner Faymann, Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler, zuletzt. Wenn es zu schärferen Maßnahmen seitens der Europäischen Union kommen sollte, gehört Österreich zweifellos zu denjenigen EU-Mitglieder, die für eine moderate und gut überlegte Reaktion eintreten werden. „Wir sagen, das ist das letzte Mittel, um einen Druck zu erhöhen, und der wird sorgsam angewendet. Österreich hat sich da nie an die Spitze gestellt“, erklärte Faymann zu einer härteren EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland.

Für Deutschland und die anderen EU-Länder ist die Sonderrolle Österreich keine große Überraschung mehr. Denn noch im Juni – bereits mitten in der Ukraine-Krise – rollte Wien den russischen Präsidenten Wladimir Putin den roten Teppich aus. Dafür handelte sich das neutrale Land herbe Kritik von EU-Partner ein. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer verteidigt die Einladung Putins nach Österreich bis heute. „Ich hielte es für absolut irrational, den Besuch des Präsidenten vom Juni, der ein reichlich überlegter war, nach der schrecklichen Flugzeugkatastrophe von Juli zu beurteilen. Ich kann auch nicht in die Seele des russischen Präsidenten blicken. Tatsache ist, dass er an dem Tag, an dem er Österreich besucht hat, die Ermächtigung der Duma (für eine mögliche Truppenentsendung in der Ostukraine) zurücknehmen ließ. Ich habe dies als positiven Schritt bewertet“, sagt das österreichische Staatsoberhaupt.

In Österreich haben Russland und Putin einflussreiche Freunde. Zuletzt wurde Siegfried Wolf bei der mächtigen österreichischen Staatsholding ÖIAG, die auch 31,5 Prozent am Energieriesen OMV hält, Aufsichtsratschef. Der frühere Magna-Manager ist ein persönlicher Freund Putins. Zufall oder nicht, ausgerechnet bei Putins umstrittener Wien-Visite im Frühsommer unterzeichnete OMV mit der russischen Gazprom eine enge Partnerschaft. Trotz der Vorbehalte der EU-Kommission unterschrieben OMV-Chef Gerhard Roiss und sein Gazprom-Kollege Alexej Miller während des umstrittenen Österreich-Besuchs von Staatspräsident Putin den Vertrag zum Bau des österreichischen Teilstücks von South Stream. Die Leitung soll russisches Gas nach Südost- und Südeuropa bringen.

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