20 Jahre Mauerfall Deutschland einig Flickenteppich

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Go East: Ziele westdeutscher Zuwanderung in Ostdeutschland (Klicken Sie auf die Grafik für eine erweiterte Ansicht) Quelle: Sebastian Hänel für WirtschaftsWoche

Was die Politik nicht wahrhaben will: 20 Jahre nach dem Fall der Mauer taugt der Westen nicht mehr zur Verheißungsvokabel und der Osten nicht mehr zur Krisenmetapher, im Gegenteil: Der Konvergenzprozess schreitet umso zügiger voran, seit Kitas auch in Bayern nachmittags öffnen, Frauen sich auch in Baden-Württemberg arbeitslos melden, Zeitarbeit auch in Hessen auf dem Vormarsch ist.

Die Wachstumsdynamik in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen war in den vergangenen sechs, acht Jahren größer als in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern; die gleißend neuen Altstädte von Dresden, Erfurt und Quedlinburg ziehen jedes Jahr Millionen Touristen in ihren Bann. Sogar das Ausbluten Ostdeutschlands, der Exodus seiner jungen, arbeitswilligen Bevölkerung, ist so gut wie gestoppt. Die jüngsten Wanderungsbilanzen zeigen, dass der Osten zwischen 2000 und 2007 zwar immer noch 1,5 Millionen Menschen an den Westen verloren hat – dass es aber gleichzeitig eine Million Menschen aus dem Westen nach Ostdeutschland zog.

Flickenteppich aus Wachstumsinseln und Schrumpfregionen

Deutschland 2009 zerfällt nicht mehr in zwei Teile, in Ost und in West, sondern auch in Nord und in Süd, vor allem aber in zunehmend attraktive Zentren und zunehmend perspektivarme Peripherien, in einen bunten Flickenteppich aus Wachstumsinseln, Wohlstandsrevieren, Übergangsgebieten, Schrumpfregionen und Armutsprovinzen – im Westen wie im Osten. Egal, ob es heute um berufliche Perspektiven, Arbeitseinkommen oder Lebensqualität geht – 20 Jahre nach dem Fall der Mauer kommt es für die Deutschen nicht mehr darauf an, ob sie im Westen oder Osten leben, sondern dass sie in Köln oder Dresden wohnen statt in der Rhön oder in der Uckermark, dass sie in Schmuckstädtchen wie Weimar oder Detmold heimisch werden statt im Eifel-Nirvana oder Börde-Nichts.

Die Politik muss es erst noch begreifen; für das einige Deutschland gilt: Zwei Jahrzehnte nach dem Kollaps einer politisch, wirtschaftlich und ökologisch restlos bankrotten DDR lässt sich nicht mehr entscheiden, ob das Leben im Westen oder Osten besser oder schlechter ist als das Leben im Osten oder Westen – sofern man da oder dort Beschäftigung und Einkommen hat.

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