In der Zehlendorfer Anne-Sophie-Schule nennen sie vor allem ein Wort, wenn sie die Besonderheit ihres Lernmodells beschreiben sollen: Selbstständigkeit. Jedes Kind hat seinen eigenen Schreibtisch in einem Lernbüro, das aussieht wie ein Co-Working-Space in San Francisco. In einem Rollcontainer verstauen die Schüler Laptop, Tablet-Computer und Schreibzeug. Für Gruppenbesprechungen stehen sogenannte Inputtheken bereit. An diesen ovalen Stehtischen werden auch die Unterrichtseinheiten absolviert. „Die Kinder sind viel konzentrierter, wenn sie sich nicht in ihre Stühle lümmeln können“, sagt Lehrerin Lange. „Besprechungen, die im Stehen abgehalten werden, sind kürzer und effektiver.“
Ansonsten aber steht die Zehlendorfer Schule für einen Typ Alternativschule, der gar nicht so furchtbar alternativ sein möchte. Anders ist lediglich der Anspruch, all das besser zu machen, was in der Regelschule vermeintlich falsch läuft. Deshalb wirbt die Schule mit kleinen Klassen, motivierten Lehrern, toller Infrastruktur. Diesen Unterschied lassen sich Eltern etwas kosten, zwischen 100 und 890 Euro zahlen sie im Monat. Trotzdem reicht das nicht. Jährlich fließen mehrere Millionen Euro vom Träger der Schule, der Würth-Stiftung, in die Zehlendorfer Einrichtung.
Nicht anders, nur besser
Privatschulen vom Typ Anne-Sophie sind vor allem etwas für diejenigen Eltern, die ihren Kindern zwar das Beste zukommen lassen wollen, aber im Kern nicht an den Methoden des traditionellen Schulsystems zweifeln: lernen und Prüfungen bestehen.
Auch die Phorms-Schule, ein paar Kilometer vom Zehlendorfer Einkaufszentrum entfernt, funktioniert nach diesem Prinzip. Wer hier den Unterricht besucht, dem fällt vor allem eins auf: die außergewöhnlichen Sprachkenntnisse der Schüler. Am ersten Schultag sitzen die Schüler der neunten Klasse zusammen, der Lehrer fragt nach Ferienerlebnissen. Ein Junge erzählt in perfektem Englisch von drei Wochen Surf-Urlaub in Kalifornien. Wie die meisten Schüler, die auf die Phorms-Schule in Berlin-Mitte gehen, ist auch er zweisprachig aufgewachsen. Viele Kinder haben mit ihren Eltern bereits im Ausland gelebt oder sind wegen der Arbeit ihrer Eltern nach Deutschland gekommen. Auch die Hälfte der Lehrer kommt aus dem Ausland. „Ein Kanadier unterrichtet anders als ein Deutscher“, sagt Marc Vehlow, Leiter des Gymnasialzweigs. „Die Kinder erleben so kulturelle Vielfalt.“
Trotz der Elternbeiträge fährt die Phorms Education SE, zu der deutschlandweit neben den beiden Berliner Standorten sechs weitere Schulen gehören, Jahr für Jahr Verluste ein, auch die Berliner Einrichtung ist nur zur Hälfte ausgelastet. „Die Idee, aus dem Betrieb von Schulen ein Geschäftsmodell zu machen, ist in Deutschland weitgehend gescheitert“, sagt Stephan Köppe, Bildungsforscher an der Universität Dublin. Gerade ist sein Buch „Wohlfahrtsmärkte“ erschienen, darin vergleicht er Renten- und Bildungsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA. Sein Fazit zu Deutschland: „Der private Bildungssektor wächst zwar rasant, ein echter Markt wird daraus so schnell trotzdem nicht.“ Zwei Standorte hat Phorms wieder aufgegeben, auch die wenigen anderen Anbieter wachsen nicht sehr dynamisch. Der TÜV Rheinland betreibt insgesamt vier Schulen in Görlitz, Dresden, Gera und Leipzig, der Stuttgarter Klett-Verlag hat sich mit dem Schweizer Bildungskonzern Kalaidos zusammengetan, unter dem Label Swiss International School versucht man Unternehmen dafür zu gewinnen, an ihren Produktionsstandorten Privatschulen zu errichten, um deren internationale Manager zu versorgen. Fünf davon gibt es bundesweit.