Föderalismus Die Ministerpräsidenten spielen ihre Macht aus

Bund und Länder ringen um die größten Reformbaustellen des Landes. Parteibücher spielen dabei kaum mehr eine Rolle. Stattdessen machen die Landesfürsten gemeinsame Sache gegen den Bund.

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Ohne die Länderchefs um Horst Seehofer (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) geht in Berlin nichts. Quelle: dpa

Normalerweise treffen sich alle Ministerpräsidenten der Bundesländer nur vierteljährlich, so wie vergangene Woche in Heidelberg. Aber was heißt schon normal? Künftig sehen sich 15 der 16 Damen und Herren mindestens wöchentlich in der Bundeshauptstadt. Sie alle gehören zur großen Verhandlungsrunde von CDU, CSU und SPD, die die große Koalition aus der Taufe heben soll. Etliche Minister aus der Provinz sind dabei, ebenso Fraktions- und Landeschefs. Bei den Sozialdemokraten stellen die Landespolitiker sogar die Mehrheit der Delegation. Das Signal ist eindeutig: Bundespolitik ist Ländersache.

Die große schwarz-rote Runde ist eine inoffizielle Bund-Länder-Kommission. Natürlich, es geht nun mit Leidenschaft um den Koalitionsvertrag, um Mindestlöhne, um Rente, Betreuungsgeld, Europa, mehr Steuern oder nicht. Aber das föderale Gefüge der Bundesrepublik steht immer mit auf der Agenda. Es ringen nicht nur Unionisten mit Genossen, es ringen Bund und Länder miteinander. Das Parteibuch hilft da bei der Orientierung nur bedingt.

Alle großen Probleme, die die künftige Bundesregierung anpacken will oder muss, kann sie nur mithilfe der Länder lösen. Ohne die Zustimmung des Bundesrats läuft nichts. Ob Bildung, Infrastruktur oder Energiewende – die gemeinsame Finanzierung oder die Verwaltung der Bundesaufgaben durch Länder und Kommunen geben den Ministerpräsidenten einen kräftigen Hebel in die Hand. Den wollen sie nutzen, um die eigene Finanzlage zu verbessern. Die ach so große Koalition schrumpft zu einer Regierung von Länder Gnaden.

Die wichtigsten Ministerpräsidenten

Entsprechend selbstbewusst tönt es aus der Ferne nach Berlin. „Wir sprechen sicher ein Wörtchen mit“, sagt der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil mit demonstrativer Gelassenheit. Schließlich würden „die Vertreter der Länder immer wieder – über die Parteigrenzen hinweg – Gemeinsamkeiten feststellen“. „Es wird sicher immer Forderungen an den Bund geben, wo sich alle Länder einig sind“, ergänzt der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).

2019 ist das Schicksalsdatum, das die Ministerpräsidenten vereint. Dann laufen der Solidarpakt und der Länderfinanzausgleich aus. Ein Jahr später greift die Schuldenbremse endgültig. Alle stehen in den nächsten Jahren unter gehörigem Spardruck und fordern – mal lauter, mal leiser – Unterstützung vom Bund.

Ein Blick in den Bundesrat zeigt, wie ohnmächtig die neue Bundesregierung sein wird. Obwohl die beiden großen Parteien im Bundestag 80 Prozent der Mandate halten, bringen sie in der zweiten Kammer keine Mehrheit zustande (siehe Grafik Seite 26). Darin spiegelt sich die Schwäche der Volksparteien, die in kaum einem Land ohne Koalitionspartner regieren können.

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