Künstliche Intelligenz „Die Bundesregierung ist bei KI orientierungslos“

Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Quelle: imago images

Während die Ampel bei der Zukunftstechnologie kleckert, klotzen andere Staaten mit Investitionen in Künstliche Intelligenz. Nun werben auch Saudi-Arabien und die Emirate massiv um Start-ups und Talente – auch in Deutschland.

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Die Ampel-Koalition verschläft offensichtlich das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI). Im dritten Jahr ihrer Regierungszeit hat sie noch immer keine gemeinsame Strategie entwickelt, Fördergelder fließen nur zäh ab, Deutschland droht im globalen KI-Wettbewerb immer weiter zurückzufallen.

Von den 3,5 Milliarden Euro, die 2018 noch von der Großen Koalition auf den Weg gebracht wurden, sind erst 1,97 Milliarden Euro abgeflossen, zeigt die Antwort des Forschungsministeriums unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf eine Anfrage der Unionsfraktion. Keine zwei Milliarden Euro – ein Kleckerbetrag im Vergleich zu den Summen, die andere Länder in Künstliche Intelligenz investieren. Nicht nur in den USA und Asien, sondern auch am Golf wird in Sachen KI immer mehr geklotzt.  

Saudi-Arabien will zum größten KI-Investor werden

Saudi-Arabien könnte jetzt sogar zum weltweit größten KI-Investor werden. Das autokratische Regime will offenbar einen KI-Fonds mit einem Volumen von 40 Milliarden Dollar auflegen, um in Start-ups, Chiphersteller und Datenzentren zu investieren. Mit dem Venture-Capital-Riesen Andreessen Horowitz würden bereits erste Gespräche für eine Kooperation geführt, berichtete die „New York Times“.

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Das saudische Königreich verfüge nicht nur über ausreichend Kapital und Energieressourcen, sondern es habe auch den „politischen Willen“, um derartige Projekte durchzuziehen, sagte Jassir Al-Rumajjan, Chef des saudischen Investmentfonds Public Investment Fund (PIF), kürzlich. Der PIF wird auf ein Volumen von 650 Milliarden Dollar geschätzt, Kronprinz Mohammed bin Salman will ihn im Rahmen seines Transformationsprogramms Vision 2030 zum größten Staatsfonds der Welt ausbauen.

Ampel ohne KI-Strategie

In Deutschland hatte die große Koalition 2018 eine KI-Strategie vorgelegt, die Ampel-Koalition hat sie seit 2021 aber nicht nachjustiert und auch nicht mit neuen Mittel unterfüttert. Federführend zuständig sind die drei Ministerien für Forschung, Wirtschaft und Arbeit. Zwar hatte Forschungsministerin Stark-Watzinger im vergangenen November einen sogenannten KI-Aktionsplan präsentiert, der jedoch nur eine „Vorleistung“ sein soll, um die Strategie mit den anderen Ressorts weiterzuentwickeln. Das ist bisher noch immer nicht passiert.

„Die Bundesregierung ist bei KI orientierungslos“, kritisiert Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Im dritten Regierungsjahr verwalte die Ampel noch immer eine fünf Jahre alte KI-Strategie – obwohl sich die Technologie in dieser Zeit so rasant weiter entwickelt habe.

„Wir riskieren ernsthafte Wohlstandsverluste“

„Während bei Sozialausgaben aus dem Vollen geschöpft wird, muss offenbar bei Zukunftstechnologien kreuz und quer gekürzt werden“, sagt Jarzombek. Bereits seit Jahren werde beispielsweise über ein KI-Rechenzentrum für Start-ups diskutiert, doch das sei weiterhin „reine Science-Fiction“, ärgert sich Jarzombek: „Wir riskieren ernsthafte Wohlstandsverluste, wenn die Bundesregierung nicht schnell eine klare, zwischen den Ressorts abgestimmte Richtung vorgibt.“

Eine klare, abgestimmte Richtung? Zwar hat sich die Ampel-Koalition im Rahmen zweier Kabinettsklausuren in Meseberg mit dem Thema KI beschäftigt, auch tauschen sich die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre mit Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt zu digitalpolitischen Themen aus, wie zuletzt am 29. Februar. Doch regelmäßige Treffen zur Weiterentwicklung der KI-Strategie finden auf Arbeitsebene offenbar nicht statt.

Die großen KI-Revolutionen finden anderswo statt

In der Antwort auf die Unionsanfrage verweist das Forschungsministerium lediglich auf eine Besprechung sowie fünf Workshops aus dem Juli 2023, bei denen es um die Schwerpunkte der KI-Strategie ging. Die KI-Revolutionen finden mit ChatGPT und Co. derweil anderswo statt.

Ob die Ampel bis zum Wahljahr 2025 überhaupt noch eine gemeinsame KI-Strategie vorgelegen will, ist unklar. Mit größeren KI-Töpfen dürfte im Zuge der Verhandlungen für den Haushalt 2025 nicht zu rechnen sein. Das Finanzministerium hat die Ressorts bereits auf einen Sparkurs eingestellt, auch das Budget von Stark-Watzinger soll schrumpfen: von 21,49 Milliarden Euro auf 20,56 Milliarden Euro.

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Stark-Watzingers Ministerium zieht derweil eine positive Bilanz: von den 3,5 Milliarden Euro aus der KI-Strategie sowie den zwei Milliarden Euro aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket seien nicht nur 1,97 Milliarden Euro abgeflossen, sondern auch mehr als 1,04 Milliarden Euro gebunden. Mit den Mitteln würden zum einen Personalkosten im Bereich Forschung, Entwicklung und Beratung finanziert, erklärt eine Sprecherin. Zum anderen würden Investitionen in Hard- und Software getätigt, die in wettbewerblichen Verfahren vergeben würden. 

Die Mittelvergabe bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben laufe noch bis 2025, erst mit Abschluss der Förderung würden die Mittel komplett an die Empfänger ausgezahlt. Und danach? Dazu gibt es bisher keine Angaben – womit die Planungssicherheit fehlt.  

Punkten mit „vertrauenswürdiger KI“?

Dass Länder wie Saudi-Arabien und andere Golfstaaten neben den USA und China derweil massiv in die KI-Förderung einsteigen, scheint die Bundesregierung bemerkenswerterweise nicht unter Druck zu setzen. Deutschland habe eine „zunehmend agile und leistungsfähige Forschungslandschaft entwickelt“, erklärt eine Sprecherin des Forschungsministeriums: „Im internationalen Vergleich ist unsere Messlatte jedoch Europa.“ 

Gemeinsam mit den „europäischen Wertepartnern“ würden „leistungsfähige KI- und Rechen-Infrastrukturen“ vorangetrieben. Zudem sei Deutschland stark bei „vertrauenswürdiger KI und ressourceneffizienter KI“. Dazu gebe es auch außerhalb der Forschung starke Player in Europa wie die Unternehmen Aleph Alpha, Stable Diffusion und Celonis.

Emirate umwerben auch deutsche KI-Firmen

Doch genau solche Player werden zunehmend von anderen Ländern umworben. Dass in der Europäischen Union nun mit dem „AI Act“ eine der weltweit schärfsten Regulierungen für KI verabschiedet worden ist, dürfte den Wettbewerb kaum entspannen. Im Gegenteil. So ist beispielsweise das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha unter anderem von Vertretern der Vereinigten Arabischen Emirate für einen Umzug der Zentrale nach Abu Dhabi angesprochen worden, berichtete die „Financial Times“. 

Gründer Jonas Andrulis betont jedoch seine Verbundenheit zum deutschen Standort, unter anderem kooperiert das Unternehmen mit dem Innovationspark Künstliche Intelligenz (Ipai) in Heilbronn – allerdings mahnte Adrulis im Interview mit der WirtschaftsWoche kürzlich auch: „Wir werden uns bei KI keinen Klassenerhalt und keine technologische Souveränität herbeiregulieren können. Das kann nur aus der Stärke herauskommen.“ Und eine solche Stärke bekomme man nicht durch Regulierung, „sondern durch Innovation, durch Wertschöpfung und durch Kompetenz“. Je mehr kreative Energie und freie Ressourcen auf Innovation statt auf Compliance gelenkt werden können, „desto besser werden wir als Europa auch dastehen“.

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Die autokratisch regierten Emirate locken aber beispielsweise nicht nur mit möglichen Milliardeninvestitionen, sondern sie wollen auch zum Magneten werden für Top-KI-Talente. So vergeben sie sogenannte „Goldene Visa“ und bieten Steuervergünstigungen an. Mehr als 1000 KI-Unternehmen sind nach Angaben des KI-Ministers, Omar Sultan al Olama, bereits in den Emiraten tätig. Mit Saudi-Arabiens neuen Plänen dürfte sich jetzt nicht nur der KI-Wettbewerb unter den Golfstaaten, sondern auch weltweit weiter verschärfen.

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