Einwanderungspolitik Die große Völkerwanderung - und was zu tun ist

Aus grenzenloser Zuwanderung muss endlich begrenzte Einwanderung werden. Der erste Schritt ist eine verantwortungsvolle Diskussion darüber – ohne gesinnungsethische Tabus.

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Flüchtlinge auf einem Schlauchboot bei der Mittelmeerüberquerung. Quelle: imago images

Der Historiker Alexander Demandt hat vor einigen Monaten im Auftrag der CDU-Zeitschrift Die politische Meinung einen Artikel über den Untergang des Römischen Reiches und die Völkerwanderung geschrieben. Er wurde mit der Begründung abgelehnt, „der Artikel könne in der aktuellen politischen Situation missinterpretiert werden“. Demandt bezeichnete dies als „eine kapitale Dummheit“.

Was schreibt Demandt? Er wirft die „alte Frage“ auf, „weshalb die reiche hochentwickelte römische Zivilisation dem Druck armer Nachbarn nicht standgehalten hat, […] als diese von der Not Getriebenen über die Grenze strömten.“ Und erklärt: „Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf.“

Schon der arabische Geschichtsphilosoph Ibn Khaldun (gestorben 1406) schreibt in seinem Meisterwerk Prolegomena zur Geschichte, dass der Zustrom junger Stämme und Völker den Untergang schwächelnder Zivilisationen besiegele. Doch solche Fragen, geschweige denn Antworten aus der Geschichte möchten unsere Politiker und Meinungsmacher offenbar nicht hören. Jan Fleischhauer hat bei SPIEGEL-Online kürzlich zu Recht bemängelt, dass „uns Politiker mitteilen, wie wir reden sollen […], wie wir zu denken haben […]“. In Europa ist in den vergangenen Jahren ein Narrativ entstanden, das durch Ächtung und Ausgrenzung durchgesetzt wird und jede freie Diskussion über die hier behandelte Thematik verhindert.

Zur Person

Ich stelle klar: Ich bin für eine Einwanderung nach Europa, die die demografischen Defizite ausgleicht. Jedoch brauchen die technisch komplexen europäischen Gesellschaften hochausgebildete Arbeitskräfte, aber eindeutig nicht die, die aus Afrika und Nahost als Armutsflüchtlinge kommen. Wir sollten diese Thematik ideologiefrei diskutieren, indem wir zwischen humanitärer Hilfe, Asyl, Zuwanderung und Völkerwanderung unterscheiden (vgl. mein Beitrag in der Basler Zeitung)

Die EU ist seit dem Brexit ein sinkendes Schiff. Aber eines, das gerettet werden könnte, wenn Politiker und Meinungsmacher eine freie Diskussion darüber zulassen. Hierfür ist ein anderer Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen nötig als derjenige, der sich in der Abweisung des Artikels von Demandt äußert.

Der belgische Historiker David Engels hat ein Buch mit dem Titel Die Krise der EU und der Untergang der Römischen Republik geschrieben. In einem bemerkenswerten Artikel (Das Ende des Westens, wie wir ihn kannten, CICERO November 2016) beschreibt er seine Heimatstadt, deren Bewohner zu einem Drittel Muslime sind, als „Bild einer niedergehenden Gesellschaft“. Die einen reden von Dialog und Toleranz, die anderen von Djihad gegen die Ungläubigen. Engels zitiert den Sohn eines in Belgien agierenden Imams, der „Allah um den Tod der Ungläubigen bat“. Die Vielfalt bringe „nicht nur Freude und Buntheit, sondern auch handfeste Sorgen […] Moscheen, in denen nachweisbar Hasspredigten vorbereitet werden.“

Nach Engels ist das zentrale Problem weniger die Völkerwanderung selbst. Sondern die „Selbstaufgabe des Westens“. Es sei „mit der Integrationskraft schlecht bestellt“, denn: „die europäische Identität erodiert in solchem Grade, dass den Neuankömmlingen kaum verübelt werden kann, in Ermanglung einer Alternative an ihren eigenen Verhaltensweisen festzuhalten.“ Engels schreibt weiter: „der Westen hat den Glauben an sich und seine Zukunft verloren […], dem Westen ist diese Affirmation der eigenen Identität […] fast vollständig abhandengekommen.“ Wie kann ein solches Europa Millionen muslimischer Zuwanderer integrieren?

Der Gipfelort ist gut gewählt: Malta liegt zwischen Libyen und Italien im Mittelmeer. Denn die Flüchtlingskrise ist zentrales Thema der EU-Staats- und Regierungschefs. Und dann ist da noch der Brexit.

Ich kann Engels Aussagen durch meine eigenen Untersuchungen untermauern. Es handelt sich um eine existenzielle Bedrohung, die aus einer demografischen Explosion resultiert. Die Bevölkerung des Nahen Ostens und Nordafrikas hat sich in wenigen Jahrzehnten fast verdoppelt. Parallel dazu erlebten diese Länder eine wirtschaftliche Stagnation im Verbund mit einer Herrschaftsform der „orientalischen Despotie“ (Karl Wittfogel).

Nun zerfallen die Staaten in Nahost, woraus innere Kriege in Libyen, Syrien, Irak und Jemen resultierten. In den nächsten Jahren werden weitere nahöstliche Staaten folgen, vorrangig die Türkei und möglicherweise Ägypten und Algerien. (vgl. meine WiWo-Artikel zu Syrien, Libyen und der Türkei)

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