Bis 2017 rechnen die Europäer nun mit Verkaufserlösen von 6,4 Milliarden Euro. Damit haben sie eine frühere Schätzung nach oben revidiert, in der bis 2022 nur von vier Milliarden Euro die Rede war. Woher der plötzliche Optimismus rührt, ist nicht bekannt. Der IWF kalkuliert nur mit Privatisierungserlösen von 1,5 Milliarden Euro.
Die Troika argumentiert, dass die griechische Regierung einen Anreiz hat, stärker als bisher zu privatisieren, weil ein Viertel des Erlöses in Investitionen zurück ins Land fließen soll. Aber es muss sich erst noch herausstellen, ob dieser Anreiz stärker ist als die Abneigung gegen Privatisierungen, die auch ideologische Gründe hatte.
Funktionieren kann das dritte Hilfspaket nur, wenn die griechische Wirtschaft wieder dauerhaft wächst. Dazu findet sich im neuen Programm allerdings wenig. Vorgesehen ist die Öffnung von Produktmärkten, doch die wirkt sich erst mit Verzögerung auf das Wachstum aus. Ohne Wachstum schwindet allerdings die Hoffnung, dass Griechenland auf eigenen Beinen stehen kann.
Die Europäer rechnen damit, dass die griechische Wirtschaft in diesem Jahr um 2,3 Prozent und im kommenden um 1,3 Prozent schrumpft.
Warum sollte beim dritten Rettungsprogramm alles anders werden?
Generell stellt sich beim dritten Programm die Frage, warum diesmal alles anders werden sollte. Schon in den beiden ersten Programmen hatte die Troika Geld gegen das Versprechen von Strukturreformen überwiesen. Doch über diese Reformen sagt IWF-Chefökonom Blanchard: „Viele wurden gar nicht oder in einem nicht ausreichenden Umfang umgesetzt.“ Konkret nennt er den Umbau der Finanzbehörden: „Versuche, die Steuereintreibung und die Zahlungsmoral zu verbessern, sind komplett gescheitert.“ Schon unter der Vorgängerregierung fanden nur fünf von zwölf geplanten Überprüfungen des Programms statt, die letzte im Sommer 2014. Es gab schlicht zu wenig Fortschritt, der zu überwachen war.
Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sagt: „Selbst wenn die Griechen nun wollen, brauchen sie mindestens zehn Jahre, um eine funktionierende Steuerverwaltung aufzubauen.“ Dafür brauche es etwa intensive Schulungen griechischer Beamter, wie sie Deutschland immer wieder angeboten hatte.
Davon kann aber keine Rede sein. So konnte 2012 je ein einziger deutscher Experte für Betriebsprüfung, für Steuervollstreckung und Verrechnungspreise kurze Schulungen durchführen, bei Steuerprüfungen kamen immerhin zwei Experten zum Einsatz. Auch 2013 ließen sich die in Anspruch genommenen Fachleute an einer Hand abzählen. Das Finanzministerium erklärt dazu: „Bundesfinanzminister Schäuble hat in Abstimmung mit seinen Finanzministerkollegen der Länder immer wieder das Angebot der deutschen Finanzverwaltung bekräftigt, weitere Finanzbeamte zur Unterstützung der griechischen Steuerverwaltung zu entsenden.“
Soll wohl heißen: The same procedure as every program. Das weiß mittlerweile wohl auch Lagarde. Als die Euro-Finanzminister gerade in Brüssel das Hilfsprogramm verhandelten, wollte die IWF-Chefin erst teilnehmen. Doch dann meldete sie sich per Videoschalte. Zu viel Nähe zu Europa, weiß sie längst, kann sehr gefährlich sein.