Italien Kein Interesse an Reformen

Seite 3/4

Berlusconi isoliert

Berlusconi, Merkel, Sarkozy Quelle: dapd

Die Prometeia-Forscher zeichnen ein düsteres, makro- ökonomisches Szenario: Ohne ein Wachstumsprogramm schlittert Italien 2012 in die Rezession, und 2013 und 2014 soll das BIP um jeweils weniger als ein Prozent wachsen. Exporte wie auch Importe werden in den kommenden drei Jahren gegenüber 2011 zurückfallen. Und weder beim Inlandskonsum noch bei den Investitionen sind bis 2014 Zunahmen von mehr als einem Prozent jährlich zu erwarten.

Natürlich gibt es auch in der italienischen Regierung Ideen, wie sich die Rezession bekämpfen lässt, ohne die Staatsschuld noch weiter anschwellen zu lassen. Erst einmal lässt sich prinzipiell bei den europäischen Nachbarn Geld für Infrastrukturmaßnahmen auftreiben. So hat Finanzminister Giulio Tremonti in Brüssel einen Plan namens Eurosud präsentiert: Italien fordert eine Aufstockung der EU-Strukturfonds für seinen unterentwickelten Süden. Dabei waren für den Mezzogiorno bislang schon im Zeitraum von 2007 bis 2013 insgesamt 44 Milliarden Euro aus Brüssel vorgesehen, und ein guter Teil dieses Geldes wird jetzt schon nicht abgerufen. Das liegt am Mangel an geeigneten Projekten, aber auch am Einfluss des organisierten Verbrechens auf die Auftragsvergabe in Süditalien. Weshalb Tremonti den Anteil des italienischen Staates an der Finanzierung von Eurosud um 25 Prozent kürzen will, um den Haushalt um acht Milliarden Euro zu entlasten. Solch widersprüchliche Politik sehen selbst Insider der Regierung kritisch.

Grafik: Lahmer Stiefel Quelle: IWF

Den Staatshaushalt entlasten soll demnächst auch das von Berlusconi den anderen Europäern versprochene Privatisierungsprogramm. Andererseits plant die Berlusconi-Regierung wieder einmal eine Steueramnestie, der zufolge gleich zwölf verschiedene bisherige Wirtschaftsdelikte nicht mehr strafbar sein sollen. „Der Plan selbst ist ein Delikt“, kommentiert Tito Boeri, Professor an der Mailänder Bocconi-Wirtschaftsuniversität.

Umso überraschender wäre es, wenn Berlusconi unter dem Druck Deutschlands und Frankreichs in den wahrscheinlich letzten Monaten seiner Amtszeit vernünftige Wirtschaftspolitik nicht nur versprechen, sondern auch betreiben würde. Das ist schon darum schwer vorstellbar, weil der Regierungschef durch seine privaten Eskapaden die notwendige Glaubwürdigkeit verloren hat. Aber noch schlimmer als Berlusconis Sexskandale und seine geschmacklosen Witze ist für Italien die Überzeugung Berlusconis, die Rezession sei nur ein psychologisches Phänomen.

Berlusconi predigt darum allen Ernstes, es fehle nur an der nötigen Begeisterung der italienischen Unternehmer, um das Land vor der Krise zu retten. Da kann deren Sprecherin Marcegaglia nur protestieren. Den Regierungschef hat sie aufgefordert, seinen politischen Einfluss endlich für Reformen zu nutzen: „Ohne Reformen und Wachstumsimpulse brauchen wir fünf Jahre, nur um auf das Niveau von 2007 zurückzukehren!“ Eine Studie der Confindustria legt nahe, dass Reformen die Wirtschaftsleistung Italiens in den kommenden 20 Jahren um 30 Prozent steigern könnten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%