Ernährung Die Besser Bäcker

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Der Acrylamid-Anteil in Pommes Quelle: dpa

Das Gift steckt nicht nur in Knäckebrot, Brot, Cornflakes und Spritzgebäck, Kroketten, Chips oder Salzstangen. Acrylamid schwimmt auch in Espresso und Malzkaffee. Die Substanz entsteht, wenn Getreide oder Kartoffeln gebacken, frittiert, gebraten und geröstet werden: Zucker und der Eiweißbaustein Asparagin verschmelzen bei mehr als 120 Grad Celsius zu Acrylamid. „Vollständig vermeiden lässt es sich nicht“, sagt Knut Franke vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück.

Vermindern aber schon. Und darin sind deutsche Hersteller führend: Ihre Kartoffelchips, Cornflakes und Kekse enthalten heute drastisch weniger Acrylamid als vor sechs Jahren, lobte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vor wenigen Wochen: Bei Mürbeteiggebäck halbierte sich die Belastung, bei Chips schrumpfte sie um ein Drittel, bei Kaffee ebenfalls. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Industrie in den vergangenen sechs Jahren bei Forschungsprojekten mit rund 2,5 Millionen Euro unterstützt.

Acrylamid-Reduktion durch Vakuum-Fritteusen

Ein Beispiel für den deutschen Erfindergeist bei der Acrylamid-Reduktion ist eine neuartige Riesen-Fritteuse, entwickelt von der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt. In der geschlossenen, fast luftleeren Metallröhre von gut einem Meter Durchmesser und zehn Metern Länge schwimmen beispielsweise Apfel- und Bananenscheiben in Sonnenblumen- oder Olivenöl. Durch den starken Unterdruck verdampft Wasser schon bei 70 Grad Celsius. So lassen sich Chips bereits bei vergleichsweise niedrigen 135 Grad bräunen. Traditionell heizen Chipshersteller ihr Fett auf 170 bis 185 Grad Celsius auf. Doch mit jedem Grad steigt die Acrylamid-Gefahr: denn je höher die Temperatur, desto mehr Schadstoff entsteht.

Im niederländischen Kapelle-Biezelingen kommt die deutsche Technik bereits zum Einsatz. Am Rand des Örtchens im Südwesten des Landes, im Industriegebiet Smokkelhoek, frittiert der Hersteller Van Marcke Chips nach der neuen Methode. „Mit Apfelchips fing alles an“, sagt Peter Traas von Van Marcke Chips. Bald interessierte sich auch ein Biochipshersteller für die Technik. Das Unternehmen hatte Probleme, acrylamidarme Ware auf der Basis biologisch angebauter Kartoffeln zu liefern. Die nämlich enthalten mehr Zucker als normale Knollen, weil sie zum Schutz vor Ungeziefer oft vor der Reife geerntet werden. Und je süßer die Kartoffel, desto mehr Acrylamid bildet sich im heißen Fett.

Mit Kameras gegen Acrylamid

Auch dieses Problem löse die Vakuumtechnik sagt Traas: Der Acrylamid-Gehalt sinke um 70 bis 80 Prozent. Keine andere Technik birgt ein größeres Potenzial für gesunde Chips. Die Kartoffelsnacks aus dem Vakuum schmecken zudem intensiver und knuspriger und sind glatter. Allerdings auch teurer. Denn im Vakuum werden pro Tag weniger Kartoffelscheiben geröstet als in herkömmlichen Durchlauffritteusen, weil die Anlagen – um das Vakuum herstellen zu können – nur chargenweise befüllt werden. Zudem verschlingt die Pumpe zum Absaugen der Luft reichlich Energie.

Unternehmen, die eine Investition in Vakuum-Fritteusen scheuen, setzen daher oft zumindest auf eine ausgeklügelte Sortiertechnik über den gesamten Produktionsprozess. Schon vor dem Frittieren werden die Kartoffeln genau geprüft: Die rohen Scheiben dürfen nicht zu trocken sein, weil das verdampfende Wasser beim Frittieren kühlt und die Acylamid-Fracht drückt.

Nach dem Frittieren wird jede Kartoffeltranche von Kameras auf schwarze Flecken untersucht. Die zeugen von karamellisiertem Zucker, bei dessen Bräunungsreaktion auch Acrylamid entsteht. Verdächtige Chips werden per Software identifiziert und mit Luftdruck vom Förderband gepustet. Die Sortiertechnik gehöre in deutschen Betrieben inzwischen zum Standard, sagt Lebensmittelexperte Franke. Allerdings sei sie etwas weniger effektiv im Kampf gegen Acrylamid als die Vakuumtechnik.

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