VPS gegen TPS – die VW-Manager lassen keinen Zweifel daran, wer die Nase langfristig vorn haben wird. „Wir haben etwas Einzigartiges entwickelt, einen echten Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb“, schwärmt Produktionschef Waltl. Von „Segnungen“ gar spricht die Konzernkommunikation.
Der Grund für den Hang zur Transzendenz in der Wortwahl sind die Kosteneinsparungen, die sich die Promotoren des neuen Systems erhoffen. Entwicklungsvorstand Hackenberg verspricht „bei den Materialkosten Einsparungen von 20 Prozent“, außerdem 20 Prozent geringere Investitionen in Produktionsanlagen und eine um 30 Prozent schnellere Fertigung. 1.500 bis 1.800 bis Euro pro Fahrzeug will Hackenberg unterm Strich einsparen. Bei zehn Millionen verkauften Fahrzeugen würden sich alle Einsparungen auf 15 Milliarden Euro pro Jahr summieren – mehr als der Konzern im vergangenen Jahr operativ verdiente.
Aus der Not geboren
Es ist nicht die pure Angriffslust, die Piëch und Winterkorn zu Revolutionären werden lässt. „Die Sache ist auch aus der Not geboren“, sagt ein VW-Manager. Denn die Übernahme von Wettbewerbern in den vergangenen Jahrzehnten hat aus dem Wolfsburger Konzern ein Sammelsurium aus zwölf Automarken gemacht. „Uns bleibt doch groß keine Wahl“, sagt der hochrangige VW-Mann. „Ohne Standardisierung ist das ein nicht wettbewerbsfähiges Durcheinander.“ In Zahlen: Bei Toyota baut ein Mitarbeiter in diesem Jahr rund 30 Autos, bei VW nur 17. Das liegt auch daran, dass VW viele Arbeiten selbst ausführt, die bei Toyota Zulieferer übernehmen, und dass der VW-Konzern andere Autos baut als Tota. Es liegt aber auch an ineffizienterer Produktion. Die Wolfsburger können sich nur am Markt behaupten, weil sie mit ihren starken Marken höhere Preise erzielen.
„Wenn man mit der Beschäftigtenzahl nicht flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren kann, weil die Gewerkschaft im Unternehmen so stark ist, muss man es mit dem Produktionssystem tun können“, sagt der VW-Manager. Hinzu komme die explosionsartige Vermehrung der Komponenten, wenn in den nächsten Jahren neue Antriebstechniken auf den Markt drängten, ob Elektro- oder Hybridantriebe oder die Brennstoffzelle. „Da braucht man Module, aus denen man in kurzer Zeit solche verschiedenen Autos zusammensetzen und schnell produzieren kann.“
Konsequente Weiterentwicklung
Experten attestieren der VW-Strategie, dass sie diese Erfordernisse erfüllt. „Eine konsequente Weiterentwicklung“ der Lean Production von Toyota sei das VW-System, lobt etwa der Produktions- und Logistikexperte Horst Wildemann, Betriebswirtschaftsprofessor an der Technischen Universität München. Die Wolfsburger würden den Hebel an den wichtigsten Stellen ansetzen. Die Kosten ließen sich um 25 Prozent durch Veränderungen am Produkt und zu 15 Prozent durch eine bessere Produktion und Logistik senken. „Rahmenbedingungen wie etwa die Löhne“, sagt Wildemann, „schlagen dagegen nur mit etwa fünf Prozent zu Buche.“
Sogar aus Japan kommt Lob für den VW-Angriffsplan: Der Tokioter Produktionsguru und Toyota-Kenner Takahiro Fujimoto sieht einen „signifikanten Vorteil“ von Volkswagen gegenüber Toyota .
Jedoch: Ein Selbstläufer ist die VW-Strategie nicht. Denn erst einmal müssen Piëch und Winterkorn kräftig investieren. Die Gleichschaltung kostet allein bei der Marke Volkswagen rund 15 Milliarden Euro. Für den Umbau des Stammwerkes in Wolfsburg etwa werden 2,5 Milliarden Euro fällig. Winterkorn hofft, dass die umgestellten Werke die „verursachten Kosten in zwei, spätestens drei Jahren wieder hereingeholt haben.“ Er weiß aber auch: Sollte das nicht klappen, sollte die Strategie scheitern, drohen Deutschlands Autoikone schwere Turbulenzen.