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Außenwerbung wirkt. Quelle: imago images

Quo vadis, Medien 2024?

Totgesagte leben länger und digitale Medien geraten ins Straucheln: Das Medienjahr 2024 verspricht manche Überraschung – aber auch bittere Enttäuschungen für einige der Medien-Protagonisten. Eine Kolumne.

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Das Jahr 2024 wird für viele Medien im Lande zu einem Kipppunkt der besonderen Art. Denn alle erhoffen sich vom neuen Jahr positive Impulse aus dem Werbemarkt. Gemeint sind höhere Einnahmen – und fast alle werden vom Jahr 2024 bitter enttäuscht werden. Wer genau wie enttäuscht werden wird, das wollen wir einmal genauer betrachten.

Das vergangene Werbejahr endete mit einem leichten Plus von 1,6 Prozent, schreibt das Magazin „Markenartikel“, womit nach den Minusmeldungen der meisten Monate des Jahres kaum mehr zu rechnen war: „Ausschlaggebend für die positive Entwicklung ist das überproportionale Wachstum der digitalen Werbung, das bei den vom ZAW erfassten digitalen Werbeträgern mit +5,4 Prozent deutlich über dem Gesamtmarkt (+1,4 Prozent) liegt.“

Um die Vorfreude der Medien auf 2024 aber gleich wieder zu dämpfen, heißt es beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft: „Für 2024 zeigt sich der ZAW mit Blick auf die Entwicklung der Werbeträger- und Medienlandschaft besorgt. Zwar rechnen laut ZAW-Trendumfrage 33 Prozent der Mitglieder für das erste Werbehalbjahr mit einer schwarzen Null, Belastungen durch drastische Werbeverbote und Behinderungen des Wettbewerbs im Digitalbereich könnten aber Chancen zunichtemachen und ganze Sektoren hart treffen.“

Kino blüht auf

Wen trifft es wie hart? Betrachten wir die Medien Online, TV, Print, Außenwerbung, Radio und Kino – und beginnen mit Kino, dem kleinsten, aber feinsten der Medienkanäle. Weischer, größter Vermarkter von Kinowerbung, meldete für 2023 ein Rekordjahr: „Der in Social Media geborene Barbenheimer-Trend hat die Sommer-Blockbuster Barbie und Oppenheimer zu Rekord-Blockbustern werden lassen.“ Alleine Barbie lockte in Deutschland 6 Millionen Menschen in die Kinos und spielte weltweit 1,5 Milliarden Dollar ein. Das bereits mehrfach totgesagte Kino erholte sich von der Corona-Krise bestens und blickt optimistisch in die Zukunft.

TV mit Bestnoten

Ebenfalls alljährlich totgesagt wird das lineare Fernsehen, das vom wachsenden Streaming-Markt (Video on Demand) bedroht wird. Während jedoch zur Überraschung aller Experten die Nutzung von Streaming-Diensten wie Netflix, Prime, Disney & Co bereits stagniert, überrascht der gute, alte Flimmerkasten mit Bestnoten.

Das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Innofact hat für 2023 die Top 10 der am besten erinnerten Brands ermittelt. Auf den ersten Plätzen liegen Lidl, Deutsche Telekom, Amazon, Aldi, Vodafone und Haribo. TV erweist sich dafür immer noch am werbewirksamsten: „Über 52 Prozent der Deutschen geben zu Protokoll, die jeweiligen Kampagnen über TV-Spots wahrgenommen zu haben. Der Kanal spielt also noch für mehr als die Hälfte der Menschen eine Rolle. Aber ein Abgesang, wie häufig intoniert, wäre definitiv zu früh. Das TV ist einfach ein zu starker Alltagsbegleiter. Das Internet hat sich mittlerweile mit 34 Prozent fest auf dem zweiten Platz etabliert.“

Gleich an dritter Stelle liegen Plakate – deutlich vor Radio, Zeitungen und Zeitschriften. Wer als Werbungtreibender seine Marke auch im nächsten Jahr aufmerksamkeitsstark und breitenwirksam ins Bewusstsein der Menschen platzieren will, kommt um Werbefernsehen mit seinen weiterhin hohen Reichweiten ganz offensichtlich nicht herum.

Radio stagniert und Print wird ignoriert

Die Audio-Medien (Radio, Streaming) legen leicht zu, während Podcasts bei einer Nutzung von täglich sechs Minuten stagnieren. Radio verharrt bei einem Anteil an den Werbeeinnahmen von etwa drei Prozent, während Podcast-Werbung sich langsam, aber stetig zu einem kleinen, jedoch selbstverständlichen Bestandteil des Media-Mix für viele Kampagnen entwickelt. Dennoch muss man an dieser Stelle konstatieren, dass viele Werber die wahren Qualitäten der Audiowerbung („Radio wirkt da, wo andere nicht hinkommen“) wohl leider nie erkennen und umsetzen werden.

Im Werbejahr 2024 unter Werbekunden und Agenturen noch Befürworter für Kampagnen in Printmedien zu finden, wird kein leichtes Unterfangen. Zeitungen und Zeitschriften verlieren – mit wenigen Ausnahmen – seit langem jedes Jahr in signifikantem Umfang Auflagen, Leser und Werbeeinnahmen. Daran wird sich 2024 nichts ändern. Angesichts weiterhin hoher Reichweiten ist und bleibt es jedoch falsch, Print als Werbemedium gänzlich zu ignorieren, wie es die meisten Mediaverantwortlichen tun.

Da wir Printmedien – im Gegensatz zu Online-News und Content – in entspannter und meist ablenkungsfreier Situation lesen, lassen wir uns intensiver ein auf die Inhalte und erzeugen somit eine Werbewirkung, für die es in der digitalen Medien-Welt keine Entsprechung gibt. Solche Argumente sind jedoch „Perlen vor die Säue“: Der Werbemarkt hat unabhängig von der möglichen Wirkung mehrheitlich beschlossen, digitale Medien zu bevorzugen. Da ist für Printmedien kein Platz mehr, erst recht nicht bei angespannten Werbebudgets.

Aus „Digital first“ kann „Digital second“ werden

Den digitalen Medien (Search, Display, Online Video und zunehmend Retail Media, also Werbung auf Handels-Plattformen) hat man ein Wachstumshormon mitgegeben. Je nach Quelle fließen fast (ZAW) oder mehr als die Hälfte aller Werbeaufwendungen in Onlinemedien. Doch zum ersten Mal in der jüngeren Werbegeschichte trübt sich 2024 der Blick auf die Entwicklung. Der Grund ist das „Cookie-Aus“.

Das Fachmagazin „Adzine“ klärt auf: „Google scheint fest entschlossen, seinen Zeitplan für das Aus der Third-Party-Cookies einzuhalten. Der Konzern bereitet die Chrome-Nutzer derzeit darauf vor, dass sie in die Testgruppe für Tracking Protection, zu Deutsch ‚Schutz vor Tracking‘, fallen könnten. Ausgewählte Browser lassen damit keine Drittanbieter-Cookies mehr zu. Die Abschaffung für alle Nutzerinnen und Nutzer ist für die zweite Jahreshälfte 2024 geplant.“

Obwohl es zuhauf Alternativen zu Third-Party-Cookies gibt (First-Party-Daten zum Beispiel von Otto, Choice Driven Advertising, etwa von Welect, kontextuelles Targeting, beispielsweise von Spoods), diskutiert die Branche unentwegt über das bevorstehende Drama, demnächst wieder auf der d3con. In jedem Fall dürfte es eine unschöne Delle in die gewohnten Umsatzsprünge verursachen. Als positiv sollten wir festhalten, dass das digitale Ausspionieren der Verbraucher durch Werber endlich ein Ende hat.

Derweil schreibt die Fachpresse vom „langsamen Sterben der Display-Werbung“. Demnach interessiert die Werbungtreibenden ohnehin hauptsächlich Video-Werbung und Social Media. Es war klar, dass die Umsatzsteigerungen der Online-Branche nicht ewig weitergehen konnten.

Nur Außenwerbung boomt nachhaltig

Bleibt die Außenwerbung, die zuletzt durch außergewöhnliche Höhensprünge auffiel, hauptsächlich verursacht durch den Erfolg der 135.000 digitalen DOOH-Flächen. Sie liefern die dringend benötigte Reichweite, die TV und Print verlieren und beim Einsatz der Online-Medien durch den Fokus auf programmatisch ausgelieferte 1-to-1-Werbung nicht erzeugt werden kann.

Beim zuletzt vorgelegten Tempo schafft es (D)OOH sehr bald, erstmals zehn Prozent des Werbekuchens für sich zu beanspruchen. Der Vorzug, das umweltfreundlichste aller Werbemedien zu sein, dürfte den Prozess in diesem Jahr ordentlich beschleunigen.

Die Entscheider müssen abwägen

Wer zu den Media-Entscheidern und -Entscheiderinnen gehört, die in diesem Jahr erneut 26 Milliarden Euro für Werbung in den Medien investieren, hat nun die Qual der Wahl. Wenn die Werbebudgets nicht steigen, wird der Druck auf die Effizienz wachsen. Wer schlau ist, wird nicht auf noch preiswertere Kanäle setzen, sondern Reichweite und Aufmerksamkeit der Zielgruppen mit einem cleveren Media-Mix erkaufen, um die Wirksamkeit der Kampagne zu sichern und womöglich zu steigern. Die Vielzahl der Medienangebote liefert dafür beste Voraussetzungen.

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